Noch nie war Deutschland bevölkerungsreicher als derzeit - weder im Kaiserreich noch während der Nazizeit und seit der Wiedervereinigung. Wie das Statistische Bundesamt am Freitag in Wiesbaden mitteile, kletterte die Einwohnerzahl der Bundesrepublik im Jahr 2016 auf etwa 82,8 Millionen Menschen, 600.000 mehr als Ende 2015.
Damit setzt sich der seit 2012 aufsteigende Trend weiter fort. Zuvor war im Jahr 2002 die Höchstzahl von 82,5 Millionen Einwohnern erreicht worden; seitdem gingen die Zahlen bis 2012 beständig zurück.
Zuwanderung sorgt für Aufwärtstrend
Ausschlaggebend für die Entwicklung ist die Zuwanderung aus dem Ausland. Die Statistiker beziffern dieses Wanderungsplus für 2016 auf mindestens 750.000. Damit wird in etwa die langährige Höchstzahl aus dem Jahr 1992 erreicht. Wegen der zurückgehenden Zahl von Flüchtlingen bleibt dieses Plus aber unter dem absoluten Rekordergebnis von 1,1 Millionen im Jahr 2015.
Wie der zuständige Experte des Statistischen Bundesamtes, Reinhold Zahn, im Gespräch mit der Katholischen Nachrichten-Agentur (KNA) betonte, haben die Wanderungsgewinne insbesondere im Zuge der EU-Erweiterung und der Arbeitnehmerfreizügigkeit seit 2011 deutlich zugenommen: für Polen gilt das ab 2011 und für Rumänen und Bulgaren ab 2014. Als Ausnahmejahr gilt 2015, als Hunderttausende syrische Flüchtlinge nach Deutschland kamen. 2016 gewinnt die Arbeitszuwanderung und der Familiennachzug aus der EU wieder mehr Bedeutung.
Trotzdem: Weniger Geburten
Weiterhin - und schon durchgängig seit 1972 - verzeichnet die Bundesrepublik ein Geburtendefizit: Die Anzahl geborener Kinder nahm 2016 gegenüber dem Vorjahr leicht zu, während die Anzahl der Sterbefälle etwa auf Vorjahresniveau blieb. Für 2016 rechnen die Statistiker mit 730.000 bis 770.000 Geburten und 900.000 bis 940.000 Sterbefällen. Daraus ergibt sich ein Geburtendefizit - der Differenz aus Geburten und Sterbefällen - von etwa 150.000 bis 190.000.
Längerfristige Prognosen über die Bevölkerungsentwicklung in Deutschland sind schwierig. Die Dauer des Kriegs in Syrien oder mögliche weitere Krisen in der Türkei oder Nordafrika könnten für weitere Massenzuwanderung sorgen. In ihren Langfristprognosen rechneten die Statistiker allerdings nicht mit solchen Mega-Krisen, sondern einer durchschnittlichen Entwicklung, betont Zahn.
Demographischer Wandel nicht aufzuhalten
Auf dieser Basis hatten die Bevölkerungsforscher vergangenes Jahr erklärt, dass die Zuwanderung nach bisherigen Erfahrungen nur sehr eingeschränkte Auswirkungen auf die langfristige Bevölkerungsentwicklung haben werde. Ein Bevölkerungsrückgang sei auf lange Sicht wegen der ins Rentenalter kommenden geburtenstarken Jahrgänge unvermeidbar.
"Die Zahl der Gestorbenen wird die Zahl der Geborenen immer stärker übersteigen. Diese Lücke kann nicht auf Dauer durch den positiven Saldo aus Zuzügen nach und Fortzügen aus Deutschland geschlossen werden", unterstrich etwa 2015 der damals amtierende Präsident des Statistischen Bundesamtes, Roderich Egeler, unter Berufung auf eine Langfristprognose. Für das Jahr 2060 schätzen die Statistiker die Einwohnerzahl der Bundesrepublik auf 67,6 Millionen bei schwächerer Zuwanderung und 73,1 Millionen bei stärkerer Zuwanderung - ohne größere Krisen oder Kriege.
Besonders stark wird die Bevölkerung im erwerbsfähigen Alter schrumpfen: Die Anzahl der 20- bis 64-Jährigen wird laut Prognose ab 2020 deutlich zurückgehen und 2060 je nach Stärke der Nettozuwanderung etwa 34 beziehungsweise 38 Millionen betragen. Der Anteil der 20- bis 64-Jährigen an der Gesamtbevölkerung wird von 61 Prozent im Jahr 2013 auf etwa 51 beziehungsweise 52 Prozent im Jahr 2060 sinken - daher wird Deutschland laut Experten weiterhin auf Zuwanderung in den Arbeitsmarkt angewiesen sein. Wird das Erwerbsalter mit 67 statt mit 65 Jahren abgegrenzt, so werden es 2060 noch etwa 36 bis 40 Millionen sein.