Deutschlandpremiere "Jesus Christ Superstar" vor 50 Jahren

Der Heiland als Show-Größe

Ausgerechnet im stock-katholischen Münster: Vor 50 Jahren hatte das Musical "Jesus Christ Superstar" Deutschland-Premiere. Doch Proteste konservativer Katholiken blieben aus.

Autor/in:
Christoph Arens
Kreuzigungsszene während der europäischen Premiere der Rockoper "Jesus Christ Superstar" am 23. Dezember 1971 in Kopenhagen. / © KNA-Bild (KNA)
Kreuzigungsszene während der europäischen Premiere der Rockoper "Jesus Christ Superstar" am 23. Dezember 1971 in Kopenhagen. / © KNA-Bild ( KNA )

"Am Freitag dieser Woche lässt sich der Erlöser, umgeben von 80 Schauspielern, Sängern, Tänzern und Musikern, erstmals in Münster in Westfalen ans Kreuz schlagen: im Musical 'Jesus Christ Superstar'". Gewohnt ironisch und süffisant verkündete der "Spiegel" im Februar 1972 eine besondere Nachricht.

Deutschlandpremiere vor 50 Jahren

Ausgerechnet im stock-katholischen Münster sollte am 18. Februar 1972, also vor 50 Jahren, die Deutschlandpremiere der frommen Rockoper über die letzten sieben Tage des Jesus von Nazareth stattfinden. Der Heiland als Superstar: "Auch von dieser Show (Investitionssumme: eine Million Mark), die anschließend zumindest ein Jahr lang in der Bundesrepublik gezeigt werden soll, erhoffen sich die Produzenten einen prallen Klingelbeutel voller Silberlinge", so das Magazin.

Wer allerdings auf Proteste frommer Katholiken gegen eine Verfremdung der biblischen Botschaft gewartet hatte, wurde enttäuscht. So wie Jesus-Darsteller Reiner Schöne. "Ich hoffe auf und rechne mit gesunden Protesten", hatte der Künstler, der zuvor seit 1968 mit dem Musical "Hair" Erfolge gefeiert hatte, im Vorfeld erklärt. Die Kritik fiel verhalten aus. Sogar der damalige Bundespräsident Gustav Heinemann saß in der Halle Münsterland im Publikum. "Mir ist die Bewegung dieser jungen Leute sehr sympathisch - wie sie sich zu Jesus bekehren außerhalb der Kirche", sagte etwa eine Besucherin Medienvertretern.

Rock-Oper passend zum Zeitgeist

Der "Spiegel" konstatierte damals, dass "die Ausbeutung des Neuen Testaments durch die Unterhaltungsmedien" voll im Trend liege. Und die Rock-Oper passte zum Zeitgeist. Hippie-Bewegung, Anti-Vietnam-Proteste, Jesus-People: Auch der Umstand, dass das Musical die Perspektive des Judas stark betonte, lag voll in dem die Autoritäten hinterfragenden Trend. Denn Judas, aus dessen Perspektive das Stück erzählt wird, stellt Jesus provokant in Frage und wirft ihm vor, sich selbst als Erlöser zu inszenieren.

Ihre weltweite Uraufführung hatte die Rock-Oper vier Monate zuvor, am 12. Oktober 1971, in New York gefeiert. Sie trug dem Komponisten Andrew Lloyd Webber, dem Texter Tim Rice und Regisseur Tom O'Horgan, der 1968 schon das Musical "Hair" inszeniert hatte, Weltruhm ein. Das Musical brachte es am Broadway zwischen 1971 bis 1973 auf 720 Aufführungen.

Vatikan reagierte gelassen

Die Meinungen der Fachwelt allerdings waren so kunterbunt wie die Gewänder der Darsteller auf der Bühne. Vor dem Theater protestierten konservative Christen gegen das "gotteslästerliche Werk". Zu den Kritikern gehörte auch das American Jewish Committee, dass die Juden erneut als Mörder Jesu an den Pranger gestellt sah. Katholische Kreise in den USA warfen der Inszenierung vor, die Göttlichkeit Jesu zu leugnen und Judas zum Helden zu machen.

Der Vatikan allerdings reagierte gelassen: Die Platte wurde bereits in den 70er Jahren auf Radio Vatikan gespielt. In Deutschland hat die Melodie des Liedes "The Last Supper" 2013 Eingang in das katholische Gesangbuch "Gotteslob" gefunden - unter dem Titel "Nimm, o Gott, die Gaben, die wir bringen".

Perfekt inszenierte Show

Auch wenn die Bibel allzu häufig nur als Vorwand für den rockigen Liederzyklus herhalten musste, ging die Inszenierung religiösem Pathos ebenso aus dem Weg wie Geschmacklosigkeiten. Im Grunde war "Jesus Christ Superstar" nichts anderes als perfekt inszenierte Show mit hohem Unterhaltungswert.

Weltweit wurde die Rockoper in unzähligen Versionen aufgeführt. So spielten Agnetha Fältskog von ABBA, Irene Cara oder Melanie Chisholm von den Spice Girls die Maria Magdalena, und in die Fußstapfen von Jesus traten John Legend und Sebastian Bach von Skid Row. Ebenfalls irgendwann mit von der Partie: Alice Cooper als König Herodes.

Komponist Andrew Lloyd Webber schrieb eine beispiellose Erfolgsgeschichte. Nach Jesus Christ Superstar brachte der erfolgreichste Musical-Komponist der Gegenwart unter anderem auch Evita (1978), Cats (1980) und Das Phantom der Oper (1986) auf die Bühne. 1997 wurde er von der Queen zum Lord geschlagen.

Quelle:
KNA