domradio.de: Was genau ist ein "Praktikum im Norden"?
Elisabeth Schwake (Abiturientin und Praktikantin in Schweden): Das ist ein Programm des Bonifatiuswerkes, bei dem in Skandinavien und im Baltikum - also in der Diaspora - Gemeinden, Einrichtungen und Klöster durch die Hilfe von freiwilligen Praktikanten unterstützt wird. Das kann man ab 18 Jahre bis zu zehn Monaten machen und hat ganz verschiedene Einsatzorte, da gleicht kein Praktikum dem anderen. Das ist auch etwas Besonderes an dem Programm.
domradio.de: Sie sind in Stockholm in einer Innenstadtgemeinde tätig. Was charakterisiert diese Gemeinde?
Schwake: Ich mache gerade mein Praktikum in der St. Eugenia Gemeinde. Sie ist sehr groß, da sie in Stockholm liegt, der größten Stadt Skandinaviens, und sie ist auch sehr international und viele verschiedene Missionen sind mit involviert. Das war erstmal neu für mich, aber das ist ein ganz besonderer Charakter, den die Gemeinde hat.
domradio.de: Was sind genau Ihre Aufgaben?
Schwake: In meinem Praktikum arbeite ich zum Beispiel im Buchladen der Gemeinde St. Eugenia. Das hat man auch nicht immer, dass eine Gemeinde einen eigenen Buchladen hat. Da werden auf jeden Fall immer viele freiwillige Helfer gebraucht. Dann arbeite ich drei Tage bei der Caritas Stockholm, die einen Treffpunkt für Migranten und Flüchtlinge eingerichtet hat, wo viel praktische Hilfe benötigt wird. Zum Beispiel beim Frühstück oder beim Anbieten von Kaffee und Tee. Ein dritter Bereich in meinem Praktikum ist die Mitarbeit in der Gemeinde selber. Ich helfe und nehme auch selber an einer Studentengruppe teil.
domradio.de: Marius Schäfer, Sie sind in Norwegen. Wo genau sind Sie da als Praktikant in Bergen tätig?
Marius Schäfer (Abiturient und Praktikant in Norwegen): Ich bin im norwegischen Chorherrenstift, das dem Augustinerchorherrenstift Klosterneuburg bei Wien angehört. Da mache ich eher kleinere Aufgaben. Hauptsächlich bin ich in der St. Paul Gemeinde und dort in der Schule tätig. Das ist ein katholisches Gymnasium, das sich besonders auf soziale Fächer spezialisiert hat. Dort helfe im Unterricht, übernehme die Vor- und Nachbereitung, habe mal Prüfungsaufsicht oder arbeite in der Nachmittagsbetreuung.
domradio.de: Wenn man Diaspora hört, klingt das immer ein bisschen traurig und man denkt an kleine, leere Kirchen. Wie ist denn Ihr Eindruck vor Ort?
Schwake: Schon am ersten Tag, an dem ich angekommen und in die Messe gegangen bin, wurde das widerlegt. Denn vor allem in St. Eugenia gibt es eine sehr lebendige, große und internationale Kirche. Die Messe am Sonntag ist mit der größte Treffpunkt in der ganzen Woche. Das Gemeindeleben ist sehr international. Da passt das Bild, was man von der Diaspora in Deutschland bekommt, gar nicht.
domradio.de: Herr Schäfer, Sie kommen selbst aus der Diaspora, aus Ostdeutschland, und sind dann in die Diaspora im Norden gereist. Weshalb?
Schäfer Mir war sehr wichtig, irgendwo hinzukommen, wo der Glaube intensiv gelebt wird und wo ich ihn anders - als bisher - erleben kann. Da wäre es eigentlich logisch, irgendwo hinzugehen, wo viele Katholiken leben, aber da wird manchmal der Glaube nicht so stark gelebt wie in der Diaspora. Dadurch dass Norwegen von den Gegebenheiten her ganz anders als Deutschland ist, dachte ich mir, das klingt nach etwas Neuem. Vielleicht kann ich dort auch etwas lernen, was ich in meine heimatliche Diaspora mitbringen kann.
domradio.de: Und konnten Sie schon etwas für sich mitnehmen?
Schäfer Es ist unglaublich, wie viel Engagement die norwegischen Katholiken zeigen. Es gibt unglaublich viele Ministranten im Vergleich zu meiner Heimatgemeinde, da gab es Probleme überhaupt Ministranten zu finden. Hier sind in der Hochmesse immer um die 20 Messdiener am Altar und auch die vielen kleinen Sachen werden von den Ehrenamtlichen gemacht. Ich möchte nicht sagen, dass es in Deutschland wenig ehrenamtliche Arbeit gibt, aber in Norwegen ist es so intensiv. Da gibt es Leute, die sagen: "Ich habe jetzt Lust darauf, eine Anbetung zu machen, also organisiere ich eine ganze Anbetung in der Kirche." Ich glaube, dass können wir auch lernen, dass wir unseren Glauben leben, indem wir der Gemeinde etwas Zeit zur Verfügung stellen.
domradio.de: Was denken Sie, Frau Schwake, was werden sie nach dem Praktikum wieder mit nach Hause nehmen?
Schwake: Auf jeden Fall viele schöne Erfahrungen, aber auch durch die Situation in St. Eugenia ein ganz neues Gemeinschaftsgefühl, weil das in Diaspora-Gemeinden sehr wichtig ist. Auch das Gemeindeleben ist viel bunter und lebendiger. Ich würde mir wünschen, auch wenn ich noch nicht genau weiß, wie man das umsetzen kann, dass vielleicht auch in der Richtung Schritte in den Gemeinden in Deutschland getan werden könnten.
Das Gespräch führte Martin Mölder.