Im Moment läuft es richtig gut für Amanda Gorman: Bei der Amtseinführung von US-Präsident Joe Biden hat sie ein hochgelobtes Gedicht vorgetragen, ebenso Anfang Februar beim amerikanischen TV-Ereignis des Jahres: beim Super Bowl, dem Endspiel in der US-Football-League. Ihre Bücher, die im Laufe des Jahres erscheinen sollen, werden massiv vorbestellt. Und ja, einen Vertrag mit einer New Yorker Model- und Talentagentur hat sie auch.
Dichterin mit Vorbildfunktion
Die junge Dichterin hat eine Vorbildfunktion, um die sie weiß. Es geht darum, dass junge Menschen - vor allem Mädchen - bei wichtigen Veranstaltungen Menschen mit ihrer Hautfarbe sehen und so spüren: "Das können wir auch trotz aller Hindernisse schaffen!" Bei der Amtseinführung von Joe Biden war das der Fall. Seine Vize-Präsidentin Kamala Harris ist eine Frau mit Wurzeln in der schwarzen und asiatischen Gemeinschaft. Und eine junge schwarze Frau trug ein Gedicht vor.
Amanda Gorman hat sehr früh sehr prestigereiche Auszeichnungen für ihr außergewöhnliches Talent als Dichterin erhalten. Der Weg dahin war nicht einfach. In ihrem Gedicht "The Hill We Climb", das sie bei der Amtseinführung Bidens vortrug, beschreibt sie sich als mageres schwarzes Mädchen, das von Sklaven abstammt und von einer alleinerziehenden Mutter großgezogen wurde.
Katholikin – als Jugendliche getauft
Als eine von Zwillingen zu früh geboren, litt sie in ihrer Kindheit unter Hörproblemen, so dass sie Informationen anders verarbeitete. Das führte zu einem Sprachproblem, der Buchstabe "R" macht ihr bis heute Schwierigkeiten. Sie hat in verschiedenen Interviews betont, sie sehe das nicht als Hindernis, mehr als Herausforderung, weil es sie sensibler für den Klang der Wörter mache.
Weniger bekannt ist, dass Gorman katholisch ist. Sie gehört der Pfarre St. Brigid in South Central Los Angeles an, wo sie als Jugendliche getauft wurde, zur Kommunion ging und gefirmt wurde - alles an einem Tag nach einer zweijährigen Vorbereitungszeit. St. Brigid ist stolz auf sie, und dort erkannte man schon sehr früh ihr Talent. Zu der Zeit, als sie mit 16 die Literaturnachwuchs-Auszeichnung "Youth Poet Laureate" von Los Angeles erhielt, hat sie für ihre Pfarrei ein Gedicht geschrieben, das sie am Ende einer Messe für den ermordeten Bürgerrechtler Martin Luther King vortrug. Die Pfarrei hat ihr Soziologie-Studium in Harvard finanziell unterstützt.
St. Brigid, 1920 gegründet, ist eine traditionell von Schwarzen besuchte Kirche, die heute auch vermehrt von Latinos aufgesucht wird. Beide Gruppen begegnen im Alltag strukturellem Rassismus, nicht umsonst ist daher auf der Webseite der Pfarre ein in Englisch und Spanisch verfasstes Gebet zur Überwindung des Rassismus zu finden.
Präsidentschaftskandidatur 2037?
Rassismus und Feminismus sind wichtige Themen für Amanda Gorman, übrigens auch für ihre Schwester Gabrielle, deren Medium allerdings nicht das Wort, sondern der Film ist. Gabrielle beschreibt sich selbst als Model, Schauspielerin, Schriftstellerin und Regisseurin. Die Zwillinge haben beide einen Abschluss von Prestige-Universitäten: Amanda hat Soziologie in Harvard studiert, Gabrielle Filmwissenschaften an der University of California in Los Angeles.
In Fernseh-Interviews hat Amanda Gorman schon angekündigt, dass man sich den 20. Januar 2037 vormerken sollte. Dann möchte sie gerne wieder bei der Amtseinführung anwesend sein - als Madam President Gorman. Sie pflegt es zwar mit einem Lachen in der Stimme zu erzählen, dass sie zur Wahl antreten möchte, wenn sie das Mindestalter von 35 Jahren erreicht habe, um sich um das Amt des US-amerikanischen Präsidenten zu bewerben. In ihrer Familie nimmt man das aber durchaus ernst. Zuletzt merkte Gorman an, ihre Schwester Gabrielle passe jetzt schon auf, wie sie auf Bildern in den Sozialen Medien rüberkomme. Die Politikerin Hillary Clinton hat bereits ihre Unterstützung zugesagt.
Die Chancen stehen also gut für Amanda Gorman. Sie hat Lyrik massentauglich gemacht, hat eine Vorbildfunktion für junge schwarze Menschen. Und ganz nebenbei hat sie auch Haarreifen - wie jenen, den sie zur Amtseinführung trug - wieder zu einem schwer nachgefragten Accessoire gemacht.