Die Ankündigung einer Koran-Verbrennung schürt weltweit Ängste und sorgt für Empörung bei Vertretern aller großen Religionen

Angst vor dem 11. September

Die angekündigte Koranverbrennung durch eine christliche Splittergruppe in den USA hat bei Christen und Juden Empörung hervorgerufen. Der Vatikan und die beiden großen Kirchen in Deutschland verurteilten den Plan ebenso scharf wie der Zentralrat der Juden. Evangelikale Aktivisten in Florida wollen am Jahrestag der Terroranschläge vom 11. September 2001 demonstrativ Koranexemplare entzünden.

 (DR)

Der Vatikan erklärte, die Gewaltakte des 11. September rechtfertigten nicht eine "abscheuliche und schwerwiegende Geste gegen ein Buch, das einer religiösen Gemeinschaft heilig ist". Jede Religion habe das Recht auf Respektierung und Schutz ihrer heiligen Bücher, ihrer Stätten und Gottesdienste sowie ihrer Symbole, heißt es in einer am Mittwoch veröffentlichten Erklärung des Päpstlichen Rates für den interreligiösen Dialog.



Jede Religion habe mit ihren heiligen Büchern, Orten und Symbolen ein Recht auf Respekt und Schutz. Diese seien "der Würde der Personen, die ihr angehören und ihren freien religiösen Entscheidungen geschuldet". Die Verantwortlichen aller Religionen haben dem Rat für Interreligiösen Dialog zufolge im Zusammenhang mit dem Jahrestag der Attentate des 11. September 2001 die Pflicht, "die klare Verurteilung jeder Form von Gewalt zu bekräftigen, vor allem der im Namen der Religion begangenen".



Zollitsch in "großer Sorge"

Die Deutsche Bischofskonferenz erklärte, es handele sich um eine "inakzeptable und in keiner Weise hinnehmbare Provokation einer winzigen Minderheit". Der Konferenzvorsitzende, Erzbischof Robert Zollitsch, sagte in Bonn, er sei "in großer Sorge, dass mit solchen intoleranten Angriffen das Verhältnis zwischen Christen und Muslimen in vielen Teilen der Welt gefährdet wird".



Auch im Irak warnen die Bischöfe eindringlich vor dem so genannten "Koran Burning Day". Erzbischof Louis Sako aus Kirkuk und Bischofsvikar Shlemon Warduni aus Bagdad nennen die angekündigte Koran-Verbrennung "eine unverantwortliche und unmoralische Geste, die dem interreligiösen Gespräch nicht hilft". Wer das heilige Buch des Islam öffentlich den Flammen übergebe, "tut nicht nur Moslems, sondern allen Religionen Gewalt an", so Erzbischof Sako in einer Botschaft an Moslems zum Ende ihres Fastenmonats Ramadan. Die in Florida von einer kleinen christlichen Gruppierung geplante Aktion sei "in keiner Weise repräsentativ für die Haltung der Christen". "Den Koran zu verbrennen, kann nur zu Unverständnis und Spaltungen zwischen den Religionen und Völkern führen", beteuert Bischof Warduni in der irakischen Hauptstadt.



Zentralrat der Juden: "schrecklich und abstoßend"

Auch der Auslandsbischof der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD), Martin Schindehütte, sprach von einer "unerträglichen Provokation". Sie sei mit dem christlichen Zeugnis nicht vereinbar, löse keine Probleme und schaffe kein Vertrauen. Gerade zum Ende des Fastenmonats Ramadan, den Muslime in aller Welt in diesen Tagen begehen, diene eine solche Handlung nicht der Verständigung, sondern gebe radikalen Positionen und Reaktionen neuen Nährboden.



Der Zentralrat der Juden in Deutschland erklärte, die Vorstellung verbrannter Koran-Schriften sei "schrecklich und abstoßend".

Zentralratspräsidentin Charlotte Knobloch erinnerte in München an die von den Nazis 1933 in 70 deutschen Städten organisierten Bücherverbrennungen. Der 11. September 2001 mit seinem Terroranschlag auf das World Trade Center sei ein Tag des Hasses gewesen und habe in der Folge weltweit eine Vielzahl von Hass-Reflexen heraufbeschworen, mahnte Knobloch. "Wir dürfen nicht zulassen, dass eine in bestimmten Kreisen praktizierte, oft subtile und fast immer stillschweigend akzeptierte Angst- und Hasspolitik unvermindert fortgesetzt wird."



In Köln bekannt

Eine Kirchengemeinde in Gainesville im US-Bundesstaat Florida will am Samstag, dem neunten Jahrestag der Anschläge vom 11. September 2001, hunderte Exemplare des Koran verbrennen. Das Vorhaben der angeblich rund 50 Mitglieder zählenden "Dove World Outreach Center"-Kirche hat weltweit Empörung ausgelöst. Die Gemeinde von Pastor Jones hat schon länger eine Neigung zur Provokation gegen den Islam gezeigt. Im vergangenen Jahr schickte sie ihre Kinder mit T-Shirts zur Schule, auf denen stand: "Islam ist des Teufels". Der Pastor wendet sich gegen das mutmaßliche Streben radikaler Muslime nach der "Welt-Dominanz". Er sagte, die Muslime hätten "unerschöpfliche finanzielle Ressourcen". Es sei an der Zeit, dass sich die Kirche dagegen wehrt. "Um Europa ist es schon geschehen, aber es noch nicht zu spät für Amerika", meinte Jones.



Jones hat jahrelang eine freikirchliche Gemeinde in Köln geleitet. Der Fundamentalist habe die "Christlichen Gemeinde Köln" 1982 auf göttliche Inspiration gegründet und bis vor wenigen Jahren geleitet, sagte Gemeindesprecher Thomas Müller am Mittwoch der Nachrichtenagentur dapd. Die Glaubensgemeinschaft distanzierte sich gleichzeitig entschieden von den Plänen ihres Gründers zur Koran-Verbrennung. "Wir sind absolut bestürzt darüber. Das ist völlig unchristlich", sagte Müller. Die Pläne von Jones seien eine Gefahr für die Christen in aller Welt. "Er hat ein übersteigertes Geltungsbedürfnis. Nur daraus kann ich mir diese Aktion erklären", fügte er hinzu. Müller betonte, die Gemeinde mit ihren rund 100 Mitgliedern habe sich schon vor zweieinhalb Jahren von Jones getrennt. Es habe Differenzen über die christliche Lehre gegeben. Außerdem sei seien Jones damals finanzielle Unregelmäßigkeiten zur Last gelegt worden. Vor seinem Aufenthalt in Köln habe Jones bereits in einer Gemeinde in München gepredigt, sagte Müller. --


Geheimdienste befürchten Gewalt

Westliche Geheimdienste befürchten wegen der angekündigten öffentlichen Koran-Verbrennung weltweite Ausschreitungen der Muslime. Die Verbrennung des "Heiligen Buches der Muslime" könne eine noch größere Empörung der Muslime auslösen als vor vier Jahren die Karikatur des Propheten Mohammed mit einer Bombe und Lunte als schwarzer Turban auf dem Kopf, sagte ein Vertreter der CIA am Mittwoch der Nachrichtenagentur dapd in Washington. --
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Auch der Oberkommandierende der ISAF-Truppen in Afghanistan, General David Petraeus, warnte den Pastor eindringlich vor seinem Vorgehen gegen den Islam. Der General fürchtet "um eine zusätzliche Gefährdung" seiner Soldaten. Das Vorhaben der fundamentalistischen Kirche spiele der Propaganda der Taliban "geradezu in die Hände", ließ Petraeus wissen. Aus Kreisen des afghanischen Geheimdienstes NDS erfuhr dadp in Kabul, dass die Taliban offenbar für Samstag "aus Rache einen spektakulären Anschlag in Afghanistan" planen. --


Bundeswehr gefährdet--
Als besonders gefährdet gilt der Standort der Bundeswehr im nordafghanischen Kundus. Ein Sprecher des Einsatzungsführungskommandos in Potsdam erklärte auf Anfrage, dass die Situation auch in den anderen deutschen Standorten "genau beobachtet und verfolgt wird". Alle Beobachtungen würden in die ständige Lagebeurteilung einfließen". Die Soldaten der Bundeswehr seien zu "erhöhter Wachsamkeit aufgerufen worden". --
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Bei Protesten gegen die Mohammed-Karikaturen in einer dänischen Zeitung hatte es vor vier Jahren in Afghanistan mehrere Tote gegeben. Norwegische Soldaten waren in ihrem Camp schwer von protestierenden Afghanen bedrängt worden. In Afghanistan und in Indonesien ist es wegen der angekündigten Koran-Verbrennung schon in den letzten Tagen zu heftigen Ausschreitungen gekommen. Am Hindukusch erwarten die Geheimdienste, dass die Taliban die Protestwelle zum Anlass nehmen, um ihre wiedergewonnene Stärke zu demonstrieren. --


Gekaufte Demonstranten--
Geheimdienstler gehen davon aus, dass die Taliban auf ihre alten Taktiken zurückgreifen, möglichst viele Demonstranten auch mit "Geld" auf die Straßen zu bringen. Die Taliban würden schon mal 100 Dollar an Demonstranten zahlen, wenn sie bei lautstarken Protesten mitmachen, berichteten Geheimdienstler. In Indonesien haben Muslime bereits US-Flaggen vor der amerikanischen Botschaft in Djakarta verbrannt und mit dem" Heiligen Krieg" gedroht, sollte die Koran-Verbrennung in Florida nicht unterbleiben.  --
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Rund 1.400 Jahre nach seiner Gründung ist der Islam die zweitgrößte der drei monotheistischen Religionen auf der Welt. Muslime erkennen zwar auch Jesus, Moses und Abraham als Propheten an. Mohammed wird aber als "Siegel der Propheten" bezeichnet. Das bedeutet, dass nach ihm keine anderen Propheten mehr kommen. Mohammed wurde 570 in Mekka geboren. Er starb 632 und wurde in Medina begraben.