Liebe Brüder und Schwestern, guten Abend!
Ich danke euch für euren herzlichen Empfang. Es ist schön, hier zu sein! Es ist schön zu feiern, denn es macht uns menschlicher und christlicher. Es hilft uns auch, die Freude zu teilen, die aus dem Wissen kommt, dass Jesus uns liebt, uns auf dem Lebensweg begleitet und jeden Tag näher an sich zieht.
Bei jeder Familienfeier spürt man die Gegenwart aller: Väter, Mütter, Großeltern, Enkel, Onkel und Tanten, Vettern und Cousinen und diejenigen, die nicht kommen konnten und zu weit weg leben. Heute sind wir in Dublin zu einer Familienfeier versammelt, in der wir Gott danken für das, was wir sind: eine einzige Familie in Christus, die über die ganze Erde verbreitet ist. Die Kirche ist die Familie der Kinder Gottes. Eine Familie, in der man sich mit denen freut, die eine Freude erleben, und in der man mit denen weint, die im Schmerz leben oder sich vom Leben zu Boden geworfen fühlen. Eine Familie, in der man auf jeden Acht gibt, weil Gott unser Vater uns alle in der Taufe zu seinen Kindern gemacht hat. Deshalb ermutige ich die Eltern weiter, ihre Kinder sobald wie möglich taufen zu lassen, damit sie Teil der großen Familie Gottes werden. Man muss jeden zum Fest einladen!
Ihr, liebe Familien, macht die große Mehrheit des Volkes Gottes aus. Was für ein Bild würde die Kirche ohne euch abgeben? Um euch zu helfen, die Schönheit und die Bedeutung der Familie, mit ihren Licht- und Schattenseiten zu erkennen, habe ich das Apostolische Schreiben Amoris laetitiae über die Freude der Liebe verfasst und gewollt, dass das Thema dieses Weltfamilientreffens „Das Evangelium der Familie: Freude für die Welt“ laute. Gott wünscht, dass jede Familie ein Leuchtturm sei, der die Freude seiner Liebe in die Welt ausstrahlt. Was bedeutet das? Es bedeutet, dass wir, nachdem wir der rettenden Liebe Gottes begegnet sind, sie mit oder ohne Worte durch kleine Gesten der Güte in der täglichen Routine und in den einfachsten Momenten im Alltag zum Ausdruck zu bringen versuchen.
Das bedeutet Heiligkeit. Gerne rede ich von den Heiligen „von nebenan“, von all den einfachen Menschen, die die Gegenwart Gottes im Leben und in der Weltgeschichte widerspiegeln (vgl. Apostolisches Schreiben Gaudete et exsultate, 6-7). Die Berufung zur Liebe und zur Heiligkeit ist nicht etwas, das nur wenigen Bevorzugten vorbehalten wäre. Auch jetzt können wir sie, wenn wir Augen zum Sehen haben, um uns wahrnehmen. Sie ist still im Herzen all jener Familien gegenwärtig, die Liebe, Vergebung und Barmherzigkeit schenken, wenn sie sehen, dass dafür ein Bedürfnis besteht. Und sie machen es ganz ruhig, ohne Fanfarenstöße. Das Evangelium der Familie ist in der Tat Freude für die Welt, da man dort, in unseren Familien Jesus immer finden kann. Dort wohnt er in Einfachheit und Armut, wie er es im Haus der Heiligen Familie zu Nazaret getan hat.
Die christliche Ehe und das Familienleben werden in ihrer ganzen Schönheit und Anziehungskraft erfasst, wenn sie in der Liebe Gottes verankert sind, der uns nach seinem Bild geschaffen hat, so dass wir in der Lage sind, ihm als Ikonen seiner Liebe und Heiligkeit in der Welt die Ehre zu erweisen. Väter und Mütter, Großväter und Großmütter, Kinder und Enkel: Alle sind sie aufgerufen, in der Familie die Erfüllung der Liebe zu finden. Die Gnade Gottes hilft jeden Tag, wie ein Herz und eine Seele zu leben. Auch die Schwiegermütter und die Schwiegertöchter! Keiner sagt, dass das einfach ist. Es ist so, wie wenn man einen Tee zubereitet: Es ist leicht, das Wasser zu kochen, aber eine gute Tasse Tee braucht Zeit und Geduld; man muss den Tee ziehen lassen. So erwärmt uns Jesus Tag für Tag mit seiner Liebe, in einer Weise, dass sie unser ganzes Sein durchdringt. Vom Schatz seines Heiligsten Herzens gießt er über uns die Gnade aus, die wir brauchen, um unserer Krankheit zu heilen und Verstand und Herz zu öffnen, um einander zuzuhören, zu verstehen und zu vergeben.
Wir haben gerade die Zeugnisse von Felicité, Isaac und Ghislain gehört, die aus Burkina Faso kommen. Sie haben uns eine bewegende Geschichte über die Vergebung in der Familie erzählt. Der Dichter sagte, dass „Irren menschlich und Vergeben göttlich ist“. Und es ist wahr: Die Vergebung ist eine besondere Gabe Gottes, die unsere Wunden heilt und uns einander und Gott näher bringt. Schlichte und einfache Gesten der Vergebung, die jeden Tag erneuert werden, sind das Fundament, auf dem ein solides christliches Familienleben aufbaut. Sie verpflichten uns dazu, den Stolz, die Abwendung und die Verlegenheit zu überwinden und Frieden zu schließen. Ganz richtig, ich sage gerne, dass die Familien drei Wörter auswendig lernen sollten: „Entschuldigung“, „Bitte“ und „Danke“. Wenn du dich zu Hause einmal streitest, stelle sicher, dass du, bevor du zu Bett gehst, um Verzeihung gebeten und gesagt hast, dass es dir leid tut. Auch wenn du im Begriff bist, in ein anderes Zimmer zum Schlafen zu gehen, wo du allein und abgesondert bist, klopfe einfach an die Tür und sage: „Bitte, kann ich mal hereinkommen?“ Was hilft, ist ein Blick, ein Kuss, ein sanftes Wort … und alles wird, wie zuvor! Ich sage das, weil die Familien überleben, wenn sie es so machen.. Es gibt keine perfekte Familie; ohne die Gewohnheit der Vergebung, wird die Familie krank und bricht nach und nach zusammen.
Vergeben heißt etwas von sich geben. Jesus vergibt uns immer. Mit der Kraft seiner Vergebung können auch wir den anderen vergeben, wenn wir das wirklich wollen. Beten wir nicht gerade darum, wenn wir das Vaterunser sprechen? Die Kinder lernen zu vergeben, wenn sie sehen, dass die Eltern sich gegenseitig vergeben. Wenn wir das verstehen, können wir die großartige Unterweisung Jesu über die Treue in der Ehe wertschätzen. Weit davon entfernt, eine kalte Gesetzespflicht zu sein, handelt es sich vielmehr um eine machtvolle Zusage der Treue Gottes selbst zu seinem Wort und zu seiner grenzenlosen Gnade. Christus ist für uns gestorben, damit wir unsererseits vergeben und uns miteinander versöhnen können. Auf diese Weise lernen wir als Individuen und als Familien, die Wahrheit jener Worte des heiligen Paulus zu begreifen: Wenn auch alles vergeht, „die Liebe hört niemals auf“ (1 Kor 13,8).
Danke, Nisha und Ted, für euer Zeugnis aus Indien, wo ihr eure Kinder anleitet, eine richtige Familie zu sein. Ihr habt uns auch geholfen zu verstehen, dass die sozialen Medien nicht unbedingt ein Problem für die Familien sein müssen, sondern vielmehr dazu beitragen können, ein „Netz“ von Freundschaften, Solidarität und gegenseitiger Unterstützung aufzubauen. Die Familien können durch das Internet vernetzt sein und daraus Vorteil ziehen. Die sozialen Medien können Gutes bewirken, wenn sie mit Maß und Klugheit benutzt werden. Zum Beispiel ihr, die ihr an diesem Weltfamilientreffen teilnehmt, bildet ein geistiges „Netz“, ein Freundschafts-„Netz“, und die sozialen Medien können euch helfen, diese Verbindung aufrechtzuerhalten und es auf andere Familien in vielen Teilen der Welt auszuweiten. Es ist jedoch wichtig, dass diese Mittel nie eine Bedrohung des wahren Netzes von Beziehungen aus Fleisch und Blut werden, die uns in einer virtuellen Welt gefangen nehmen und uns von den authentischen Beziehungen fernhalten, die uns anregen, unser Bestes in Gemeinschaft mit den anderen zu geben. Vielleicht kann die Geschichte von Ted und Nisha allen Familien helfen, sich über die Notwendigkeit zu fragen, die für diese technischen Mittel verwendete Zeit einzuschränken und mehr Qualitätszeit untereinander und mit Gott zu verbringen.
Wir haben von Enass und Sarmaad gehört, wie die Liebe und der Glaube in der Familie Quellen der Kraft und des Friedens sogar inmitten von Gewalt und Zerstörung sein können, die durch Krieg und Verfolgung verursacht werden. Ihre Geschichte bringt uns die tragischen Situationen zu Bewusstsein, die jeden Tag viele Familien erleiden, wenn sie gezwungen werden, ihre Häuser auf der Suche nach Sicherheit und Frieden zu verlassen. Enass und Sarmaad haben uns aber auch geschildert, wie das Leben ausgehend von der Familie und dank der Solidarität vieler anderer Familien wieder aufgebaut und die Hoffnung neu geboren werden kann. Eine solche Hilfestellung wurde uns im Video von Rammy und seinem Bruder Meelad vorgeführt. Dort hat Rammy seine tiefe Dankbarkeit zum Ausdruck gebracht für die Ermutigung und die Hilfe, die ihre Familie in dieser schwierigen Situation von so vielen anderen christlichen Familien aus der ganzen Welt erfahren hat, die es ihnen ermöglicht haben, in ihre Dörfer zurückzukehren. In jeder Gesellschaft schaffen die Familien Frieden, weil sie Liebe, Aufnahme und Vergebung lehren, die besten Heilmittel gegen den Hass, das Vorurteil und die Rachsucht, die das Leben der Menschen und der Gemeinschaft vergiften.
Ein guter irischer Priester hat gesagt: »Die Familie, die betet, bleibt zusammen« und strahlt Frieden aus. Eine solche Familie kann eine besondere Stütze für andere Familien sein, die nicht in Frieden leben. Nach dem Tod von Father Ganni haben Enass, Sarmaad und ihre Familien Vergebung und Versöhnung anstatt von Hass und Groll gewählt. Sie haben im Licht des Kreuzes erkannt, dass man dem Bösen nur mit dem Guten entgegentreten und den Hass nur mit der Vergebung überwinden kann. Auf schier unglaubliche Weise waren sie in der Lage, Frieden in der Liebe Christi zu finden, einer Liebe, die alle Dinge neu macht. Heute Abend teilen sie diesen Frieden mit uns.
Die Liebe Christi, die alles erneuert, macht die Ehe und eine eheliche Liebe möglich, die sich durch Treue, Unauflöslichkeit, Einheit und Offenheit für das Leben auszeichnet. Das wollte ich im vierten Kapitel von Amoris laetitiae hervorheben. Wir haben diese Liebe bei Mary und Damian und ihrer Familie mit zehn Kindern gesehen. Danke für eure Worte und für euer Zeugnis von Liebe und Glaube! Ihr habt die Wirksamkeit von Gottes Liebe erfahren, euer Leben ganz zu verwandeln und euch mit der Freude einer wundervollen Familie zu beschenken. Ihr habt uns gesagt, dass der Schlüssel eures Familienlebens die Aufrichtigkeit ist. Aus eurer Schilderung entnehmen wir, wie wichtig es ist, immer wieder zu jener Quelle der Wahrheit und der Liebe zu gehen, die unser Leben verwandeln kann: zu Jesus, der sein öffentliches Wirken bei einem Hochzeitsfest begonnen hat. Dort in Kana hat er das Wasser in neuen süßen Wein verwandelt, der es erlaubte, die fröhliche Feier großartig fortzusetzen. Genauso ist es mit der ehelichen Liebe. Der neue Wein beginnt während der Verlobungszeit zu gären, die notwendig, aber vorübergehend ist, und reift dann im Laufe des Ehelebens in einem gegenseitigen Schenken seiner Selbst. Das macht die Eheleute fähig, zu zweit „ein Fleisch“ zu werden und ihrerseits das Herz all jenen zu öffnen, die Liebe brauchen, besonders die Einsamen, die Verlassenen und die Schwachen; alle die, die als Verletzliche durch die Wegwerfkultur ausgesondert werden.
Die Familien sind überall aufgerufen, weiter zu wachsen und auch inmitten von Schwierigkeiten und Einschränkungen voranzuschreiten, genauso wie es die vergangenen Generationen gemacht haben. Wir alle sind Teil einer großen Kette von Familien, die auf den Anfang der Zeiten zurückgeht. Unsere Familien sind lebende Schätze der Erinnerung, mit Kindern, die selbst wieder Eltern und dann Großeltern werden. Von ihnen erhalten wir unsere Identität, die Werte und den Glauben. Das haben wir bei Aldo und Marissa gesehen, die seit mehr als fünfzig Jahren verheiratet sind. Ihre Ehe ist ein Denkmal für die Liebe und die Treue! Ihre Enkel halten sie jung. Ihr Haus ist von Fröhlichkeit, von Glück und von Tänzen erfüllt. Ihre Liebe zueinander ist ein Geschenk Gottes, eine Gabe, die sie nun mit Freude an ihre Kinder und Enkelkinder weitergeben.
Eine Gesellschaft, die die Großeltern nicht wertschätzt, ist eine Gesellschaft ohne Zukunft. Eine Kirche, der das Band zwischen den Generationen nicht am Herzen liegt, wird damit enden, das zu verlieren, was wahrhaft zählt, nämlich die Liebe. Unsere Großeltern lehren uns die Bedeutung der ehelichen und der elterlichen Liebe. Sie selbst sind in einer Familie aufgewachsen und haben die Zuneigung von Söhnen und Töchtern, von Brüdern und Schwestern erfahren. Deshalb bilden sie einen Schatz von Erfahrung und Weisheit für die jungen Generationen. Es ist ein großer Irrtum, die älteren Menschen nicht nach ihren Erfahrungen zu befragen oder zu meinen, dass die Unterhaltung mit ihnen eine Zeitverschwendung ist. In diesem Zusammenhang möchte ich Missy für ihr Zeugnis danken. Sie hat uns erzählt, dass unter den Nomaden die Familie immer eine Quelle der Kraft und der Solidarität gewesen ist. Ihr Zeugnis erinnert uns daran, dass es im Haus Gottes für alle einen Platz am Tisch gibt. Keiner darf ausgeschlossen werden, unsere Liebe und unsere Aufmerksamkeit sollen sich auf alle richten.
Es ist spät, und ihr seid müde! Doch lasst mich noch ein letztes sagen. Ihr Familien seid die Hoffnung der Kirche und der Welt! Gott – Vater, Sohn und Heiliger Geist – hat die Menschheit nach seinem Bild geschaffen, um sie an seiner Liebe teilhaben zu lassen. Sie sollte eine Familie von Familien sein und jenen Frieden genießen, den er allein geben kann. Mit eurem Zeugnis für das Evangelium könnt ihr Gott dabei unterstützen, seinen Traum zu erfüllen. Ihr könnt dazu beitragen, alle Kinder Gottes einander näherzubringen, damit sie in der Einheit wachsen und lernen, was es für die ganze Welt heißt, in Frieden wie eine große Familie zu leben. Aus diesem Grund habe ich jedem von euch eine Ausgabe von Amoris laetitia überreichen wollen, das ich geschrieben habe, damit es eine Art Leitfaden sei, mit Freude das Evangelium der Familie zu leben. Maria, unsere Mutter, die Königin der Familien und des Friedens, stehe euch allen auf eurer Reise des Lebens, der Liebe und des Glücks bei!
Zum Abschluss unseres Abends wollen wir nun das Gebet dieses Familientreffens beten.
Gebet und Segen
[Gute Nacht, schlaft gut! Bis morgen!]