Die Augsburger Puppenkiste wird 70 Jahre alt

Vom gestiefelten Kater bis zum Ring der Nibelungen

Eine Geburtstagsparty soll es erst im Nachhinein geben: im kommenden Herbst nämlich. Dann, wenn die Puppenkiste ihre neue Produktion auf die Bühne bringen wird. Aufwendig soll sie sein und zwei bestimmten Zwecken dienen.

Autor/in:
Christopher Beschnitt
Augsburger Puppenkiste / © Wolfgang Radtke (KNA)
Augsburger Puppenkiste / © Wolfgang Radtke ( KNA )

Das wäre doch eine gute Frage für eine Quizshow: Welches Stück führte die Augsburger Puppenkiste als Allererstes auf? Richtige Antwort: "Der gestiefelte Kater". Am 26. Februar 1948 war das, vor nunmehr 70 Jahren. Es gäbe in dem Marionettentheater also Grund zu feiern. "Machen wir aber nicht", sagt Puppenkisten-Chef Klaus Marschall: "Wir wollen das Jubiläum nicht zu hoch aufhängen."

Einige Stücke nur für das Fernsehen

Hoch aufgehängt werden in Augsburg eben nur Jim Knopf und Lukas, der Lokomotivführer, oder auch das Urmel aus dem Eis. Wobei - so ganz stimmt das gar nicht. Denn diese berühmten Figuren wurden lediglich fürs Fernsehen in Szene gesetzt. Auf die Augsburger Bühne kamen sie nie, das wäre technisch nicht umsetzbar gewesen, erzählt Marschall.

Bleiben wir also zunächst beim TV: "Die Puppenkiste war darin die erste Kinderstunde", berichtet Marschall weiter. Schon einen Monat nach dem Sendestart der ARD sei sie erstmals zu sehen gewesen: am 21. Januar 1953 mit dem Märchen "Peter und der Wolf".

Seit 1995 keine TV-Produktionen mehr

Ganze Generationen wuchsen hernach mit dem ewigen Lummerland-Ohrwurm "Eine Insel mit zwei Bergen" auf und auch mit dem "Meer" um dieses Eiland, das in Wahrheit Plastikfolie war - ein geradezu prophetischer Spezialeffekt, wenn man die heutige Vermüllung der Ozeane bedenkt.

Längst jedoch haben sich die Augsburger Wunderwesen weitestgehend aus dem Fernsehen verabschiedet. Seit 1995 gibt es dafür keine jährlichen Produktionen mehr, die Programmverantwortlichen verloren das Interesse. Dieser Einschnitt fiel in Klaus Marschalls Anfangszeit als Leiter des 37-Mitarbeiter-Unternehmens Puppenkiste. 1992 übernahm er den Betrieb in dritter Generation. Gegründet hatten diesen einst seine Großeltern Walter und Rose Oehmichen. Heute kommen jährlich etwa 90.000 Zuschauer zu den rund 420 Aufführungen, die dadurch zu 95 Prozent ausgelastet sind.

Mehr als fünf Millionen Besucher und 300 Inszenierungen

Zudem zieht das 2001 eröffnete Museum weitere 70.000 Menschen an. "Die Kiste" heißt es und zeigt noch bis 18. März die Sonderschau "Wünsche und Verwünschungen". Ab 21. März folgt eine Ausstellung über berühmte Paare.

"Insgesamt haben wir seit unserem Bestehen mehr als fünf Millionen Besucher und 300 Inszenierungen gehabt", resümiert Marschall. Diese Zahlen sind beeindruckend - gleichwohl genügen sie nicht: "Ohne die öffentliche Hand wären wir nicht lebensfähig." 320.000 Euro erhalte die Puppenkiste jährlich von der Stadt Augsburg und 200.000 Euro vom Freistaat Bayern.

Schwindende Bekanntheit bei jungen Menschen 

Dank dieser Unterstützung kann Marschall getrost Zukunftspläne schmieden. Dieses Jahr will er zum dritten Mal mit seinen Puppen einen Weihnachtsfilm drehen. Nach der biblischen Weihnachtsgeschichte im Jahr 2016 (100.000 Zuschauer) und der Cornelia-Funke-Erzählung "Als der Weihnachtsmann vom Himmel fiel" 2017 (80.000) will Marschall 2018 die Geisterweihnacht von Charles Dickens ins Kino bringen.

Mit seiner Leinwand-Strategie verfolgt der Theaterchef ein bestimmtes Ziel: "Unsere Bekanntheit bei jungen Leuten schwindet. Wir müssen uns daher deutlicher platzieren." Zwar ist die Puppenkiste in Form ihres Kasperls heute etwa als Maskottchen des Fußballklubs FC Augsburg und in dessen Heimatstadt auch als Ampelmännchen präsent. Doch wie gesagt: Im TV sieht man die handgeschnitzten Holzpuppen kaum noch.

"Ring der Nibelungen" im Herbst

"Was aber auch nicht schlimm ist, denn das Fernsehen hat keinen Eventcharakter mehr, man schaut es nicht mehr mit der Aufmerksamkeit von früher." Die aber sei nötig, um den "guten Geschichten" der Kiste folgen zu können. "Uns kommt's auf den Inhalt an, nicht auf Effekte."

Das gelte auch für das "Mammutprojekt", das man gerade plane, verrät Marschall. "Im Herbst wollen wir Wagners Ring der Nibelungen inszenieren: vier Opern in zwei Stunden." Wenn das geschafft sei, werde man auch den 70. Geburtstag etwas nachfeiern. Auch die neue Produktion verfolge wie alle Puppenkisten-Angebote zwei Ziele: "Gute Unterhaltung und den Abbau von Schwellenangst gegenüber dem Theater." Dieser Ansatz, meint Marschall, mache die Kiste bis heute pädagogisch wertvoll. Auch wenn selbige einst mit einem Kater begann - für die Katz ist sie beileibe nicht.


Klaus Marschall während der Dreharbeiten der Weihnachtsgeschichte der Augsburger Puppenkiste / © Stefan Puchner (dpa)
Klaus Marschall während der Dreharbeiten der Weihnachtsgeschichte der Augsburger Puppenkiste / © Stefan Puchner ( dpa )

Berühmte Marionetten: Jim Knopf, der Lokomotivführer, und Lukas / © Katharina Ebel (KNA)
Berühmte Marionetten: Jim Knopf, der Lokomotivführer, und Lukas / © Katharina Ebel ( KNA )
Quelle:
KNA