Die bayerischen Bischöfe gehen in der Missbrauchsdebatte voran

Im Angesicht der 14 Nothelfer

Devotionalien sind in diesen Tagen nicht wirklich ein Verkaufshit in Vierzehnheiligen, sagen die wenigen Händler, die ihre Stände geöffnet haben. Dabei erlebt der oberfränkische Wallfahrtsort seit Dienstag einen wahren Ansturm. Denn mit den bayerischen katholischen Bischöfen ist auch die Weltpresse in den malerischen Ort mit seiner Balthasar-Neumann-Basilika gekommen, wo traditionell die 14 Nothelfer verehrt werden.

Autor/in:
Christian Wölfel und Christoph Renzikowski
 (DR)

Das ungewöhnlich große mediale Interesse kommt vor allem daher, dass der Missbrauchsskandal durch Fälle bei den Regensburger Domspatzen und im Erzbistum München-Freising auch die Familie des Papstes aus Bayern und damit eine neue Dimension erreicht hat. Die «New York Times» berichtet seither in großer Aufmachung über den suspendierten Kurseelsorger von Bad Tölz, der sich vor Jahrzehnten an Kindern vergriff und dafür auch verurteilt wurde. In der Amtszeit von Joseph Ratzinger als Münchner Erzbischof war der Priester aus Essen übernommen worden, wo er bereits auffällig geworden war.

Und so gibt es aus Vierzehnheiligen Schaltungen in die Heimat, ein Privatsender überträgt die Pressekonferenz des Frühjahrstreffens der Bischöfe live im deutschen Fernsehen. Die Journalisten, darunter Reporter aus Italien und den USA, erleben Oberhirten, die trotz erkennbarer Anspannung klar Stellung beziehen und sich in der Frage positionieren, wie die Kirche künftig mit Missbrauchsfällen in ihren Reihen umgehen soll. Das einstimmige Votum aus Bayern wird auch für die Deutsche Bischofskonferenz nicht folgenlos bleiben.

Während dort noch über eine Reform der Leitlinien von 2002 nachgedacht wird, schaffen die bayerischen Bischöfe Fakten: Bei jedem Verdacht von sexuellem Missbrauch und körperlicher Misshandlung wollen sie die Staatsanwaltschaft einschalten - selbst wenn das Vorkommnis offenkundig verjährt ist. Diese Meldepflicht wird in Bayern ab sofort praktiziert. So lautet der Beschluss.

Bayerns Bischöfe haben sich die Maxime der «Null Toleranz» zu eigen gemacht, für die auch Papst Benedikt XVI. schon seit langem einsteht. Im Unterschied zu etlichen Medienvertretern sehen sie jetzt aber nicht zuerst das Kirchenoberhaupt am Zug. «Wir als bayerische Bischöfe haben hier die Verantwortung», sagt der Münchner Erzbischof und Konferenzvorsitzende Reinhard Marx auf die Frage, ob nicht Papst Benedikt XVI. direkt zu den Fällen in seiner Heimat Stellung nehmen müsse. Die bisherigen Äußerungen des Kirchenoberhauptes seien jedoch eine Ermutigung, den eingeschlagenen Weg weiter zu beschreiten, lässt Marx wissen.

In der Debatte um institutionelle Entschädigungszahlungen signalisieren die Bischöfe Gesprächsbereitschaft. Zunächst seien die Täter gefragt, heißt es. Wo sie jedoch verstorben seien oder aus anderen Gründen nicht herangezogen werden könnten, habe die Kirche eine «moralische Pflicht», den Opfern auch über das gesetzlich gebotene Maß hinaus zu helfen. Gehe es dabei zwar nicht primär um Geldfragen, werde in den nächsten Wochen aber auch über «finanzielle Aspekte» zu reden sein, sagt der Erzbischof.

Ein Zeichen will der bayerische Episkopat setzen, nicht nur durch Erklärungen, sondern auch durch Gesten. Am Abend zuvor haben sich die Bischöfe in der barocken Wallfahrtskirche zum Gottesdienst versammelt. Die Bänke sind voll besetzt. In einem eigens formulierten Vergebungsgebet bitten sie die Opfer um Verzeihung, mahnen aber auch zum Gebet für die Täter. Dann zündet jeder Diözesanbischof für sein Bistum eine Kerze an. Scham, Betroffenheit, aber auch Empörung, fasst Marx die Emotionen seiner Mitbrüder zusammen.

Der gastgebende Bamberger Erzbischof Ludwig Schick äußert die Hoffnung, dass von dem Bischofstreffen ein positives Signal ausgeht. Glaubt man den Statements der Kirchgänger, die in Vierzehnheiligen von Kameras und Mikrofonen eingefangen werden, ist noch nicht ausgemacht, ob das Zeichen auch ankommt. Letztlich schaut auch das Kirchenvolk in diesen Tagen nach Rom.