Die britische Sängerin Amy Winehouse starb vor einem Jahr mit 27 Jahren

Die traurige Soul-Diva

Ihre Stücke voller Seelenschmerz machten Amy Winehouse zum internationalen Star. Im wirklichen Leben verlor die Soul-Diva mit dem Hang zur Selbstzerstörung ihren Kampf gegen die Sucht.

Autor/in:
Holger Spierig
 (DR)

Der Titel des Albums, das die Sängerin mit der Bienenkorbfrisur unsterblich machte, könnte auch das Motto ihres kurzen, wilden Lebens sein: "Back To Black" - "Zurück ins Nichts". Mit einer sensationellen Soulstimme sang Amy Winehouse von gebrochenen Herzen, Schmerz und Sucht. Mit nur 27 Jahren starb sie vor einem Jahr, am 23. Juli 2011, in London - mutmaßlich an einer Alkoholvergiftung. Für die frisch-freche Neubelebung des Souls der 60er Jahre wurde sie von jedem wichtigen Blatt gefeiert: "Kein anderes weißes Mädchen singt den Soul wie Amy Winehouse - und keine säuft, raucht und flucht so viel", schrieb das Musikmagazin "Rolling Stone". Die 23-Jährige kreuze so virtuos und geschmackssicher alten Jazz und Soul mit HipHop-Beats zu modernen Großstadtklageliedern, als würde sie seit einer Ewigkeit nichts anderes machen, urteilte der "Spiegel".



Ihr Vater Mitch erinnert sich dagegen mit sehr gemischten Gefühlen an den Mega-Erfolg von "Back To Black". "Die Songs waren fantastisch, aber sie musste durch die Hölle, um sie zu schreiben", erzählt er in der gerade erschienen Biografie "Meine Tochter Amy". Nur Eingeweihte wussten damals, dass die Düsternis ihrer Songs keine kalkulierte Pose war. Der Schmerz ihrer vorübergehenden Trennung von ihrem Freund und späteren Mann Blake Fielder-Civil hatte sie zu einem Meisterwerk beflügelt.



"Ich schreibe nur über Sachen, die mir passiert sind", sagte denn auch die junge Sängerin. Dass ihr einmal die Themen ausgehen könnten, machte ihr damals kein Kopfzerbrechen: "Zum Glück bin ich ziemlich selbstzerstörerisch." Ihre Arme waren nicht nur mit Tattoos übersät, sondern auch mit Narben von Schnittwunden.



Geboren wurde Amy Winehouse am 14. September 1983 in London als zweites Kind einer jüdischen Familie. Die Mutter war Apothekerin, der Vater ein Taxifahrer, der selbst gelegentlich mit ein paar Jazz-Nummern auf kleinen Bühnen auftrat. Zu Hause wurde viel Soul und Jazz gespielt - und Amy sang alles mit. Schon früh hörte sie die Jazz-Diven Ella Fitzgerald und Sarah Vaughan, aber auch Hip-Hop von "TLC" und "Salt-n-Pepa". Im Fernsehen schaute sie sich am liebsten Musicals an, Filme mit Fred Astaire und Gene Kelly.



Plötzlicher Ruhm

"Mein größter Traum ist es, richtig berühmt zu werden. Auf der Bühne zu stehen. Das ist mein Lebensziel", schrieb das Mädchen bereits mit zwölf Jahren in ihrer Bewerbung für eine Londoner Theaterschule. Nach einer respektablen ersten CD, die sie in einer Verbeugung vor Frank Sinatra einfach "Frank" nannte, gelang ihr 2006 mit "Back to Black" der Durchbruch.



Das Album brachte ihr 2008 fünf Grammys ein und landete auf Platz 20 der "Rolling Stone"-Liste der "100 besten Alben der 2000er Jahre". Allerdings konnte Winehouse die Grammys nicht persönlich entgegennehmen - die USA hatten wegen ihrer Drogenprobleme keine rechtzeitige Einreiseerlaubnis erteilt.



Der Erfolg währte nur kurz. Zunehmend stand sie nur noch mit Drogen- und Alkohol-Exzessen in den Schlagzeilen. Wenn sie es überhaupt schaffte, auf die Bühne zu kommen, bekam sie die Texte nicht mehr zusammen und sang schräg. Ein unbarmherziges Publikum pfiff sie solange aus, bis sie schluchzend von der Bühne torkelte.



Für ihren öffentlichen Niedergang gibt ihr Vater auch ihrem zeitweiligen Ehemann eine Mitschuld, dem sie offenbar hoffnungslos verfallen war. Dieser habe nur Elend und harte Drogen in die Verbindung eingebracht, meint der Vater.



"Ein wunderbares Mädchen mit einem großen Herzen"

In seinem Buch beschreibt Mitch Winehouse verzweifelte Versuche, seiner süchtigen Tochter zu helfen. In den letzten Wochen habe er Hoffnung geschöpft, dass sie es diesmal schaffen würde. Nach dem Bericht der Gerichtsmedizin hatte die Sängerin tatsächlich drei Wochen lang abstinent gelebt, dann aber in einem Rückfall so heftig getrunken, dass sie ins Koma gefallen sei.



Beigesetzt wurde Amy Winehouse auf dem jüdischen Friedhof in London. In einer bewegenden Trauerrede verabschiedet Mitch Winehouse seine Tochter: "Gute Nacht, mein Engel, schlaf gut. Mama und Papa lieben dich so sehr." An die Leser seines Buches appelliert er: "Amy war ein wunderbares Mädchen mit einem großen Herzen. Bitte behaltet sie so in eurer Erinnerung." Das Honorar seines Buches soll vollständig in die Amy-Winehouse-Stiftung zur Unterstützung benachteiligter Kinder und Jugendlicher fließen.