Die Zahl der PID-Zentren sei "sehr wohl begrenzt", auch wenn im Gesetz nicht eine Anzahl festgelegt werden könne, sagte Bahr der "Rheinischen Post" (Samstag). Schon allein aufgrund der hohen Qualitätsanforderungen werde es aber "nur wenige Zentren geben können". Die Zahl der PID-Fälle sei davon unabhängig, meinte der Minister. Experten rechneten mit jährlich etwa 200 bis 300 Fällen, in denen ein künstlich gezeugter Embryo auf schwere Erbkrankheiten untersucht werde, bevor er der Mutter eingepflanzt werde. Eine Ethikkommission müsse über jeden einzelnen Fall entscheiden.
Der Deutsche Ethikrat hatte am Freitag Nachbesserungen bei der von der Bundesregierung verabschiedeten Rechtsverordnung für die PID gefordert. Die Verordnung genüge nicht dem vom Bundestag beschlossenen PID-Gesetz, erklärte das Gremium. Der Ethikrat mahnte, "den Grundsatz der ausnahmsweise eng begrenzten Zulassung einer PID" zu wahren, und kritisierte fehlende Transparenz und ungenügende Kontrollmöglichkeiten durch den Gesetzgeber. Außerdem werde die Zahl der PID-Zentren nicht begrenzt und es fehlten Verfahrensvorgaben für die Ethikkommissionen. Kritik an der Verordnung kam auch aus den Kirchen. Das Zentralkomitee der deutschen Katholiken kündigte "Widerstand" an, denn die Verordnung weiche die engen Grenzen wieder auf, die der Bundestag im Juli 2011 gezogen habe.
Bahr wies in dem Interview den Vorwurf zurück, dass sich die betroffenen Paare die Ethikkommission aussuchen könnten, von der sie ihren Fall beurteilen ließen, so dass es zu einem "Kommissions-Hopping" komme. "Es handelt sich immer um Einzelfallentscheidungen. Zudem kann sich die Lage, in der Menschen sich befinden, ändern, so dass die Fälle damit neu oder anders bewertet werden müssen", meinte der Minister. Das Verfahren sei transparent, betonte Bahr. Die Antrag stellende Frau müsse darlegen, wenn sie auch schon bei anderen Kommissionen einen Antrag gestellt habe.
Kritik der Kirchen
Unionspolitiker und die katholische Kirche warnen davor, dass vorgeburtliche Untersuchungen zunehmend zu einer Selektion von Behinderten führen. "Es gibt einen Druck zur Pränataldiagnostik und bei auffälligem Befund zur Abtreibung", sagte der Behindertenbeauftragte der Bundesregierung Hubert Hüppe (CDU) der "Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung". Er sprach von einer "Doppelgesichtigkeit" der Debatte. Einerseits werde beschworen, dass Menschen mit Behinderungen "unser Leben bereichern". Andererseits würden Leid und Verzweiflung der Eltern behinderter Kinder angeführt.
Einen Sprecher der Deutschen Bischofskonferenz zitiert die Zeitung mit den Worten: "Die Pränataldiagnostik befördert in unserer Gesellschaft eine Mentalität der vorgeburtlichen Selektion." Eltern mit einem behinderten Kind gerieten immer mehr unter Rechtfertigungsdruck. Das Streben, einen immer perfekteren Menschen "herbeizuforschen", sei zutiefst inhuman.
Der CSU-Bundestagsabgeordnete Johannes Singhammer sprach von einer "Tendenz, dass Menschen mit Behinderung generell als unerwünscht angesehen werden". Dieses Denken dürfe sich in Deutschland nicht verbreiten. "Es ist schlimm, wenn Menschen in unserer Gesellschaft zunehmend nach ihrer Produktivität bewertet werden." Im Blick auf die Pränataldiagnostik forderte Singhammer eine bessere Aufklärung. Zugleich äußerte er den Verdacht, dass die Art der Beratung ein Grund dafür sein könnte, dass heute neun von zehn Kindern mit Down-Syndrom abgetrieben würden.