Die Cao Dai Religion aus Vietnam

Wenn der Tempel zum Farbenspiel wird

Die Religion des Cao Dai verbindet den Buddhismus, mit dem Taoismus und dem Christentum. Obwohl das friedliche Zusammenleben im Vordergrund steht, geht die kommunistische Regierung Vietnams dagegen vor.

Autor/in:
Franziska Broich
Cao Dai Tempel in Tay Ninh / © Franziska Broich (KNA)
Cao Dai Tempel in Tay Ninh / © Franziska Broich ( KNA )

Aus allen Himmelsrichtungen strömen Frauen und Männer in weißen Gewändern zum safrangelben Tempel in Tay Ninh. Auf dem Kopf tragen die Männer einen schwarzen hutähnlichen Turban, die Frauen ein weißes Stirnband. Bevor sie den imposanten Bau betreten, putzen sie ihre nackten Füße an einem Bündel bunter Stofffetzen. Sie alle gehören dem Caodismus an. Tay Ninh ist das Mekka des Caodaismus, nach Buddhismus und Katholizismus die drittgrößte Religion in Vietnam.

Unterschrift genügt

Der Caodismus wurde 1926 von Ngo Van Chieu (1878-1932) gegründet. Er soll am 25. Dezember 1925 die Offenbarung des Gottes Cao Dai erfahren haben. Seitdem traten immer mehr Vietnamesen, besonders im Süden des Landes, bei. Wie viele Anhänger die Religion mittlerweile weltweit hat, ist schwer zu sagen. Einige Quellen sprechen von zwei Millionen in Vietnam und vier in anderen Ländern, andere von allein vier Millionen in Vietnam.

Um Mitglied zu werden, reicht eine Unterschrift. Es gibt keine Taufe, sondern eine kleine informelle Zeremonie. "Die meisten treten im Teenager-Alter bei", weiß Binh Thanh Nguyen. Der 22-Jährige ist mit der Religion aufgewachsen. "Hier rund um Tay Ninh sind die meisten Bewohner Caodisten", sagt er. Das Tor zum 100 Hektar großen Gelände der Caodaisten schmücken zwei Drachen, dahinter steht die Statue von Siddhartha, dem Begründer des Buddhismus.

Vor der Mittagszeremonie um 12 Uhr herrscht in dem Tempel reges Treiben. Die Männer warten auf der rechten Seite des Eingangsbereiches, die Frauen auf der linken Seite. Grüne Säulen aus Marmor schmücken den Innenraum und Kacheln mit orange-weißen Mustern. Eine Etage höher bereiten drei Männer die Musikinstrumente für die Zeremonie vor. Zum Beispiel ein vietnamesisches Instrument ähnlich einer Geige.

Das Auge im Zentrum

Der Duft von Räucherstäbchen füllt den Raum. Ein Gong ertönt. Daraufhin strömen Männer in gelben, blauen und roten Roben und mit einer Art Mitra in den Tempel. Es folgen die Frauen und weitere Männer in den für Vietnam typischen weißen "Ao Dai"-Kleidern.

Auf der Mitra der Männer ist ein Auge zu sehen. "Im Caodaismus steht das Auge für Erleuchtung, Energie und den Willen Gottes", sagt Thanh Nguyen. Das Auge ist auch das Zentrum des Tempels, der etwas kleiner als der Kölner Dom ist. Es ist vorne hinter dem Altar auf einer Weltkugel zu sehen. Von außen erinnern die drei Türme des Tempels an die drei Religionen Christentum, Taoismus und Buddha. Ihre Türme sind jeweils in der Architektur der Religionen gehalten. Auf dem mittleren Turm ist etwa ein Einhorn zu sehen. Es steht für den Taoismus. 22 Jahre hätten die Menschen an dem Bauwerk gearbeitet, erklärt Thanh Nguyen; 1955 sei er fertig geworden.

Dass die Religion in den 1920er und 30er Jahren so viel Zulauf erhielt wird auch auf den Druck der Kolonialmacht zurückgeführt. In dieser Zeit rekrutieren die Cao Dai auch 20.000 Menschen für eine eigne Armee zum Schutz ihres Glaubens. Geschickt suchen sich die Caodaisten immer die richtigen Verbündeten in Zeiten des Krieges. Heute ist der kommunistische Staat kein Freund der Religion. Seit 1975 beschlagnahmte die Regierung 250 Tempel der Caodaisten im ganzen Land.

Dabei ist die Religion sehr friedliebend. Die Caodaisten kennen fünf Gebote, deren Einhaltung hilft, den Kreis der Wiedergeburt zu durchbrechen: Gläubige dürfen keine Gewalt anwenden, nicht stehlen, nicht lügen, keinen sexuellen Ausschweifungen frönen und nicht dem Luxus verfallen. Priestern ist es zudem untersagt, Fleisch oder andere tierische Produkte zu sich zu nehmen.

Alles beruht auf Freiwilligkeit

Außen wie innen ist der Tempel pastellig bunt. Dunkelgrüne Drachen schlängeln sich um rosa Säulen. Die Decke ist blau und mit Silber funkelnden Sternen verziert. Die Farben haben bei den Cao Dai eine Bedeutung. Gelb kommt vom Buddhismus und steht für die Liebe, Blau steht für Taoismus und symbolisiert Freiheit, und Rot kommt aus dem Konfuzianismus und steht für den Mut. Der Innenraum ist in neun Stufen unterteilt. "Je nachdem wie nah man Gott ist, desto höher darf man sitzen", sagt Thanh Nguyen.

Nun ziehen die Männer und Frauen in den weißen Gewändern hinter den Priestern in gelben, roten und blauen Roben ein. In der Mitte angekommen, knien sie und verneigen sich. Es erschallt ein Singsang begleitet von den Instrumenten. Der höchste Bischof spricht ein Gebet für die Ahnen. Sie haben eine besondere Bedeutung, wie in den meisten asiatischen Ländern. Eine halbe Stunde dauert die Zeremonie. Immer wieder verneigen sich die Menschen.

Caodaisten müssen nicht bei jeder dieser Zeremonien anwesend sein, die täglich um 6 Uhr morgens, um 12 Uhr mittags, 18 Uhr abends und um Mitternacht stattfinden. "Wie wir haben viele einen kleinen Altar in ihrem Haus", sagt Thanh Nguyen. "In unserer Familie beten wir meistens um 18 Uhr abends." Immer wieder betont er, wie offen die Caodaisten sind. Priester dürfen heiraten und auch eine Familie haben. Alles beruhe auf Freiwilligkeit.

Nach der Zeremonie strömen die Gläubigen nach draußen. Die Gewänder flattern im Wind. Einige haben Regenschirme dabei, um sich vor der stechenden Sonne zu schützen. Mit Motorrädern und Fahrrädern schwärmen sie zurück in ihr normales Leben.


Cao Dai Tempel / © Franziska Broich (KNA)
Cao Dai Tempel / © Franziska Broich ( KNA )
Quelle:
KNA