Erstmals seien Kopten mit staatlichen Sicherheitskräften zusammengestoßen, sagt der koptische Taxifahrer Ayman, der seine jungen Glaubensbrüder für ihr "unüberlegtes Verhalten" kritisiert. "Jeder weiß, dass wir eine Genehmigung für den Bau einer Kirche brauchen und die gab es eben nicht", Gewalt jedoch, ist er sicher, helfe nicht weiter. Doch nicht nur bei den jungen Kopten sieht er die Schuld. Die Polizei hätte nicht gewaltsam in das Gebäude eindringen dürfen, kritisiert er vorsichtig die Sicherheitskräfte. Das habe die jungen Leute provoziert.
Vor dem umstrittenen Gebäude stehen Polizeiwagen und Feuerwehr, die das Gelände abgeriegelte haben. Deutlich ist die Kuppel zu sehen, die aus dem ursprünglichen Neubau einer sozialen Einrichtung eine Kirche machen sollte. Um in Ägypten eine Kirche zu bauen sind Genehmigungen der Polizei und des Präsidenten nötig - Moscheen jedoch kann man jederzeit errichten. "Genau gegenüber der neuen Kirche wurde gerade eine Moschee eingeweiht - gerecht ist das nicht", klagt Taxifahrer Ayman und zeigt auf die andere Straßenseite.
Eine "allgemeine Ungleichheit"
Die Ereignisse von Gizeh sind kein Ausdruck von Spannungen zwischen Christen und Muslimen. Dieser Meinung ist Youssef Sodham, Chefredakteur der koptischen Wochenzeitung Watani. Hinter dem Konflikt stecke eine "allgemeinen Ungleichheit", die er aber ausdrücklich nicht als "Diskriminierung" bezeichnen will. Das Land gebe sich zwar säkular, sei aber qua Verfassung dem islamischen Recht der Scharia unterworfen. Andererseits sieht er aber auch eine Verantwortung bei den koptischen Bischöfen. Anstelle einer Integration hätten sie ihre Gläubigen über lange Zeit gezielt der muslimischen Mehrheitsgesellschaft entfremdet. Ganz anders sei es in Jordanien, Syrien, Kuwait und Abu Dhabi; dort würden die Kopten respektiert.
Das tolerante alte Ägypten hat sich erheblich verändert. In den vergangenen Jahrzehnten zogen viele Ägypter aus wirtschaftlicher Not in die Golfstaaten. Nach einigen Jahren Wanderarbeit seien sie mit erheblich strengeren religiösen Vorstellungen zurückgekommen, erklärt der Chefredakteur der koptischen Wochenzeitung Watani, Youssef Sidhom, - und darunter litten die Christen. Doch die Gewalt, über die immer wieder aus koptischen Dörfern am oberen Nil berichtet wird, sei weniger auf christlich-muslimische Spannungen, sondern auf soziale und familiäre Konflikte zurückzuführen, die es überwiegend in ländlichen Gegenden gebe.
Am Rand der Gesellschaft
Obwohl die Kopten als christliche Ureinwohner Ägyptens gelten und seit Jahrhunderten Kultur, Wirtschaft und Politik des Landes prägten, drängt sie das sich wandelnde Ägypten an den Rand der Gesellschaft. Sie machen etwa 10 Prozent der 80 Millionen Ägypter aus und unterteilen sich in Orthodoxe, Katholiken und Protestanten. Eine Fülle von Kirchen in Kairo zeugt von der langen Tradition. Die Realität ist dagegen häufig weniger schillernd: Kopten gehören zu den Ärmsten der Armen, etwa in der "Müllstadt" am Fuße des Berges El Moqattam im Osten Kairos. Dort leben 60.000 Menschen in Abfällen, die sie sammeln, zu großen Teilen in und auf ihren Häuser lagern und trennen. Bis auf etwa ein Prozent Muslime sind die Müllmenschen Kairos Christen.
Kopten leben aber auch im luxuriösen Heliopolis als Nachbarn von Präsident Hosni Mubarak und sind in der gut situierten Mittelschicht auf der Nilinsel Zamalik zu finden. Der Finanzminister Youssef Boutros-Ghali, Sohn des früheren UN-Generalsekretärs Boutros Boutros-Ghali, ist Christ, sechs Abgeordnete sind Kopten. Ein festes Quorum im Parlament lehnen koptische Politiker ab und fordern stattdessen die Parteien auf, mehr Kopten aufzustellen - doch während 1942 noch 10 Prozent der Abgeordneten Kopten waren, ist es heute nur noch etwa ein Prozent.
Die Christen Ägyptens werden zunehmend an den Rand gedrängt
Raues Klima für die Kopten
Ein Toter, Dutzende Verletzte und 156 Festnahmen - das vorläufige Ergebnis im Streit um eine Kirche im ägyptischen Gizeh. In der koptischen Gemeinschaft herrschen derweil gemischte Gefühle: Einerseits wollen die Christen die Baugenehmigung für eine Kirche unbedingt, andererseits offenbart der Konflikt auch versäumte Verantwortlichkeiten in den eigenen Reihen.
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