Die Deutsche Marion Eich lebt im Katastrophengebiet von L'Aquila

"Bei jedem vorbeifahrenden Bus zucke ich zusammen"

Mit einem nationalen Trauertag gedachte Italien an diesem Karfreitag der Opfer des Erdbebens in den Abruzzen. Unter den Trauernden war auch Marion Eich. Die Deutsche erlebte das Unglück hautnah, jetzt lebt sie in einem Notlager des italienischen Malteserordens.

Autor/in:
Patrizia Barbera
 (DR)

Klirrende Teller - mehr blieb Marion Eich nicht in Erinnerung von der Nacht, die ihr Leben binnen eines Atemzuges veränderte. Die 57-Jährige wohnt seit 37 Jahren in San Felice d'Ocre bei L'Aquila. Als am frühen Montagmorgen die Erde bebte, verließ die aus Bergisch Gladbach stammende Frau Hals über Kopf ihr Haus, ebenso wie ihre Nachbarn und Freunde in dem rund 300 Einwohner zählenden Dorf.

Eich spricht trotz allem von Glück im Unglück. "Wir haben hier wirklich alles, was wir brauchen. Von der Zahnbürste bis zum Arzt", sagt die Deutsche. Es ist der dritte Tag nach der Katastrophe. Heute sollen Heizungen und Stromkabel in den Zelten angebracht werden. "Nachts ist es sehr kalt, da wir hier in der Nähe des Gran Sasso wohnen." In diesen Nächten herrschen in den Bergdörfern am Gebirgsmassiv noch eisige Temperaturen. Der italienische Zivilschutz sowie Hilfsorganisationen wie der Malteserorden stellen den Betroffenen seit Montagnachmittag Decken, ärztliche Versorgung und Lebensmittel zur Verfügung.

Die Menschen in San Felice d'Ocre wussten sich jedoch auch schon vor dem Eintreffen der ersten Rettungskräfte zu helfen. Eich, die in der Schule des Dorfes als Köchin arbeitet, verschaffte sich am Morgen nach dem Erdbeben Zugang zur Schulküche und versorgte ihr Dorf mit Frühstück, Mittag- und Abendessen. Als Zufluchtsstätte diente ihnen ein Zelt, in dem die Dorfbewohner normalerweise im Oktober ihr alljährliches Kastanienfest feiern.

"Das halbe Dorf ist eingestürzt"
Dass ihr Haus infolge des Erdbebens nicht komplett zerstört ist, weiß Marion Eich. Nicht aber, in welchem Zustand es sich befindet.  "Ich habe große Angst, es mir anzuschauen. Das halbe Dorf ist eingestürzt." Auf ihrem Laptop habe sie sich am Morgen Bilder aus L'Aquila angesehen. Für mehr reiche ihr Mut derzeit nicht. Selbst wenn sie wollte, könnte die 57-Jährige derzeit nicht zurück in ihr Haus: "Die Erde bebt immer weiter, es ist unmöglich zu sagen, wann wir zurückkönnen".

Trotz der ständigen Angst und der notdürftigen Unterkunft hat sich Eich dafür entschieden, in San Felice d'Ocre zu bleiben. Andere Dorfbewohner nahmen Hilfsangebote von umliegenden Städten an und wurden in Hotels untergebracht. So auch der Sohn der Deutschen, der mit seiner Familie in der Hafenstadt Pescara unterkam. Ihre beiden jüngeren Söhne im Alter von 14 und 16 Jahren seien freiwillig mit ihr in der Notunterkunft geblieben. "Ich kann hier helfen, deshalb bleibe ich", sagt Eich.

Gerade an diesem Morgen war sie im Altenheim eingesprungen, hatte pflegebedürftige Bewohner gewaschen. Im Zeltlager will sie, wenn der Fluss der Hilfsgüter allmählich versiegt, als gelernte Köchin die Essensversorgung mit in die Hand nehmen. Das Leben im Zelt sei so gut, wie es den Umständen entsprechend sein könne, sagt Eich. Das Schlimmste sei die Angst: "Bei jedem vorbeifahrenden Bus zucke ich zusammen und denke: Jetzt geht es wieder los."