Der viel kritisierte Verzicht auf Gottesdienste etwa sei notwendig gewesen, "um authentisch zu bleiben, die eigene Identität zu bewahren", schrieb der Sekretär der Bischofskonferenz, Hans Langendörfer, in einem Beitrag für die Zeitschrift "Stimmen der Zeit" (Juni): "Denn eine Kirche, die Leben und Gesundheit gefährdet, verrät ihre eigene Mission. Wie alle Freiheit ist auch die Freiheit des Glaubens an Verantwortung gebunden. Eine Freiheit losgelöst von ihrem Inhalt - der Förderung menschlicher Verantwortung - hat sich selbst aufgegeben."
Natürlich seien die vergangenen Wochen "schmerzlich" gewesen, ergänzte der Jesuitenpater. Denn Kirche müsse gerade in der Krise den Menschen nahe sein und ihnen aus dem Glauben heraus Hilfe und Orientierung geben. Sie müsse Kranke und Sterbende trösten und ermutigen und ihnen Hoffnung vermitteln. Doch "der Gesundheitsschutz zog der Religionsfreiheit - einem hohen Verfassungsgut - enge Grenzen, wie auch anderen Grundrechten".
"Relevanz des Glaubens"
Dabei reiche es aber auch nicht, pauschal von der "Systemrelevanz" der Kirchen zu reden und ihretwegen Gottesdienstmöglichkeiten zu verlangen, so Langendörfer.
Es gebe eine Relevanz des Glaubens für das System menschlichen Zusammenlebens: "Auch wenn in diesen Wochen wirklich große Debattenbeiträge und intellektuelle Klärungen aus den Kirchen eher selten waren - oder sich im religiösen Pluralismus und in den Medien anders als früher weniger gut durchsetzen konnten. Im Wesentlichen aber geht es um das Thema kirchliche Identität: Kirchen sind glaubwürdig, wenn sie ihre Aktivitäten stark an der Verantwortung (auch) für den Lebens- und Gesundheitsschutz orientieren."
Das Leben sei "nicht das höchste Gut, aber doch ein sehr fundamentales, das in Prozessen der Abwägung entsprechendes Gewicht hat". Auch bei den fortbestehenden Auflagen für das gottesdienstliche Leben sei beides im Spiel: Freiheit und Verantwortung der Gläubigen und ihrer Kirchen.
"Substanzielles Minus"
Langendörfer äußerte sich auch zu einem zu erwartenden deutlichen Rückgang des Kirchensteueraufkommens. Erste Schätzungen sagten ein "substanzielles Minus" voraus, analysierte der Sekretär der Bischofskonferenz. Es sei absehbar, dass die Kirchen vor einem "schwierigen, vermutlich bitteren Abwägungsprozess stehen, was Priorität hat und was ganz oder teilweise auslaufen sollte".
Langendörfer forderte, "Verteilungskämpfe" öffentlich und transparent zu führen. Bereits begonnene Debatten über Strukturveränderungen in der Kirche beschleunigten sich nun.
Finanzprobleme in vielen kirchlichen Klinken und Pflegeeinrichtungen
Der Sekretär der Bischofskonferenz verwies darauf, dass etwa viele kirchliche Kliniken und Pflegeeinrichtungen Finanzprobleme hätten. Zugleich habe die Corona-Krise eine "existenzielle Bedeutung" von sozialen Diensten und Einrichtungen sowie von Seelsorge- und kirchlichen Beratungsangeboten deutlich gemacht.
Entschieden wandte er sich gegen "überproportionale Kürzungen" der Mittel für internationale Hilfsprojekte zugunsten regionaler kirchlicher Programme. "Ähnliches gilt für etwaige Hilfen für die Kirchen in europäischen Ländern vor allem im Süden Europas." Langendörfer warf die Frage auf, ob es zusätzliche Spendensammlungen geben soll.