Gefühlt, regieren die Eisheiligen schon seit Wochen. Nach dem wärmsten jemals gemessenen März haben sie im April das Regiment übernommen und für Nachtfröste und erhebliche Schäden an Pflanzen gesorgt.
Doch das ist nur die gefühlte Wahrheit: Denn eigentlich, so Andreas Friedrich vom Deutschen Wetterdienst in Offenbach, sind Nachtfröste im April etwas völlig Normales. Dass sie diesmal so große Schäden angerichtet haben, lag daran, dass die Natur im März zehn bis zwölf Tage voraus war. "Dann hat sie auf die Bremse getreten. Jetzt sind wir beim Pflanzenwachstum wieder im mittleren Entwicklungsstadium."
Kälte an den Namenstagen
Und jetzt kommen auch noch die Eisheiligen, mit denen per Definition nur die späten Nachtfröste im Mai gemeint sind. Pünktlich. Allerdings nur für eine Nacht, denn dann wird ihnen der Zahn gezogen. In der Nacht von Dienstag auf Mittwoch kann es noch einmal Luft- und Bodenfrost geben, so Friedrichs Prognose. "Wir bekommen dann kalte und trockene Luft aus dem Norden - eine typische Eisheiligen-Wetterlage." Dann allerdings ist der Zauber auch schon vorbei: Von Donnerstag bis Samstag kann es Temperaturen von 20 Grad geben.
Als "Eisheilige" werden die Heiligen bezeichnet, deren Namenstage die katholische Kirche zwischen dem 11. und 15. Mai feiert. Mammertus (11. Mai) war im fünften Jahrhundert Bischof im französischen Vienne. Pankratius (12. Mai) wurde ein Jahrhundert früher in Rom als Märtyrer hingerichtet, und Servatius (13. Mai) war im vierten Jahrhundert Bischof im belgischen Tongern. Mit dem am 14. Mai gefeierten heiligen Bonifatius ist nicht der als "Apostel der Deutschen" bekannte angelsächsische Benediktinermönch gemeint, sondern ein gleichnamiger sizilianischer Märtyrer aus dem vierten Jahrhundert. Die einzige Frau unter den Eisheiligen, die Mailänderin Sophia (15. Mai), im Volksmund als «kalte Sophie» bekannt, starb im zweiten Jahrhundert in Rom als Märtyrerin.
"Schweisheilige"
Eigentlich haben die besagten Heiligen nichts mit dem Wetter zu tun. Der Name "Eisheilige" rührt daher, dass häufig an ihren Namenstagen eine Wetterperiode mit Zufuhr arktischer Meeresluft einsetzt, die als kritisch für die Landwirtschaft gilt. Hintergrund ist, dass sich im Mai der europäische Kontinent deutlich schneller aufheizt als das umgebende Meer. An der Grenze von Warm und Kalt entstehen Tiefdruckgebiete, die polare Kaltluft bis Mitteleuropa bringen können. Dann droht der letzte Frost und damit eine große Gefahr für die Ernte.
Nach Angaben der Wetterforscher sind die Eisheiligen ihrem Ruf in den letzten zwei Jahrzehnten allerdings immer seltener gerecht geworden: Die Kaltlufteinbrüche kamen deutlich früher. Fröste traten dabei jedoch seltener auf. Gelegentlich wurden die Eisheiligen bei Temperaturen über 25 Grad Celsius sogar zu "Schweißheiligen", wie RTL-Chefmeteorologe Christian Häckl sagt. Neuere Untersuchungen des Deutschen Wetterdienstes zeigen, dass die Häufigkeit von Kaltlufteinbrüchen Mitte Mai vor allem im süddeutschen Raum deutlich unter 50 Prozent liegt. Viele Experten führen die Veränderungen auch auf den Klimawandel zurück.
Schafskälte und Siebenschläfertag
Neben den "Eisheiligen" gibt es noch andere Witterungsereignisse, die im Jahreslauf relativ regelmäßig eintreten: etwa die Schafskälte um den 10. Juni oder der Siebenschläfertag am 27. Juni. Verkompliziert wird die Berechnung solcher Wetterphänomene allerdings durch die Gregorianische Kalenderreform von 1582, in deren Folge mehrere Tage aus dem Kalender gestrichen wurden. Der Tag der "Kalten Sophie" (15. Mai) lag vor der Reform auf dem Tag, der heute dem 22. Mai entspricht.
Als Zäsur zwischen dem "Winterfrost" und den sommerlich warmen Tagen fanden die Eisheiligen schon im 15. Jahrhundert im «Heiligen Namenbuch» des Konrad Dankrotzheim Erwähnung: "Pancratius und dann noch wol drie und die jungfrowe Sante Sophhie - darnach let sich der sumer an."