Die Entwicklung Südostasiens nach dem Tsunami

"Spendenbereitschaft wie nie zuvor"

Zehn Jahre nach dem schweren Tsunami in Südostasien zieht Michael Heuer von der Hilfsorganisation terre des hommes im domradio.de-Interview eine positive Bilanz.

Nach dem Tsunami 2004 in Indonesien (dpa)
Nach dem Tsunami 2004 in Indonesien / ( dpa )

domradio.de: Der Tsunami hat viele Anrainerstaaten im Indischen Ozean getroffen - vor allem acht asiatische Länder waren betroffen. Wenn man so etwas wie eine Bilanz überhaupt ziehen kann: wie geht es den Menschen heute?

Heuer: Wir hatten uns damals auf zwei Regionen konzentriert. Das war in Indonesien die Region Aceh und in Indien der Bundesstaat Tamil Nadu. In den anderen Ländern sind wir nicht tätig gewesen. Aber in den Bereichen, in denen wir aktiv waren, können wir eine positive Bilanz ziehen. Wobei die Verhältnisse in beiden Regionen unterschiedlich sind. Dewsegen wurden auch verschiedene Erfahrungen gemacht.

domradio.de: Welche konkreten Erfahrungen wurden da gemacht?

Heuer: In Indien sind wir schon seit vielen Jahren tätig und haben dort Partnerorganisationen. Das ist in einer Notsituation unglaublich hilfreich und wichtig, weil sie sofort Ansprechpartner haben, die die Region und die Bedingungen dort kennen. Die Provinz Aceh war von einem langjährigen Bürgerkrieg geprägt. Durch diese militärische Situation gibt es heute dort nicht so eine Struktur an Partnern, wie man sie in Indien kennt, d.h. in der Situation, in der sie jemanden brauchen, der etwas koordiniert, wird die Situation schwieriger.

Darum war das anfangs in Aceh nicht einfach, überhaupt Partner zu finden, die in der Lage waren, diese Hilfsmaßnahmen umzusetzen. In Indien war das wesentlich leichter. Dort gab es auch nicht das Problem, dass die ganze Infrastruktur zerstört war, sondern hauptsächlich an den Künstenregionen Schäden entstanden sind. Das machte die Sache bezüglich der Infrastruktur einfacher. 

domradio.de: Die Zerstörungen waren gewaltig, die Spenden und der Wille zum Wiederaufbau waren aber auch groß. Wie beurteilen Sie die Hilfemaßnahmen aus heutiger Sicht? 

Heuer: Was die langfristigen Perspektiven angeht, können wir eine positive Bilanz ziehen, weil wir in den Regionen auch nach dem Tsunami, teilweise noch bis heute, tätig sind. Es haben sich außerdem durch diese Katastrophe Prozesse entwickelt. Zum Beispiel hat sich die Rolle der Frauen und Kinder verändert. Sie sind heute an Aufbaumaßnahmen beteiligt, wenn es um Küstenschutz geht. Das hat es alles vor dem Tsunami nicht gegeben. Bezüglich der Infrastruktur haben wir geholfen, wieder Dörfer aufzubauen. Das sind Sachen, die heute weiterhin existieren und für die Menschen eine positive Wirkung haben.

domradio.de: Ein Problem im Gefolge der Katastrophe war, dass viele Spenden zweckgebunden waren und andere Katastrophen es gar nicht mehr in die Medien schafften. Welche Lehren kann man aus der Tsunami-Katastrophe für die Hilfsorganisationen ziehen? 

Heuer: Das ist immer schwer vorherzusehen. Die Situation beim Tsunami war natürlich so, dass es Weihnachten passierte und damit eine unheimliche Medienresonanz hatte. Deswegen war die Hilfsbereitschaft auch so groß. Alle Organisationen standen vor der Situation, dass sie plötzlich sehr viele Spenden bekommen haben und dann ist auch immer die Erwartung da, dass diese Spenden in Hilfsmaßnahmen umgesetzt werden. Für einen Laien ist das nicht immer verständlich, wenn das nicht alles sofort passieren kann.

Das ist ein großes Problem für alle Hilfsorganisationen, wenn solche Sitautionen wie bei dem Tsunami entstehen. Wobei man sagen muss, dass der Tsunami eine einmalige Situation in der Bundesrepublik gewesen ist und ich mich nicht erinnern kann, dass wir vorher eine ähnlich große Spendenbereitschaft hatten. 

domradio.de: Das war eine Katastrophe, die streng genommen ganz weit weg von Deutschland war. Dennoch war eine sehr große Hilfsbereitschaft da. Haben Sie das Gefühl, dass seit dieser Zeit die Sensibilität von fernen Katastrophen gestiegen ist? 

Heuer: Ob sie nun gesteigen ist, weiß ich nicht. Ich könnte mir das durchaus vorstellen, wenn ähnliche Situationen wieder passieren, dass die Hilfsbereitschaft genauso groß ist. Ich würde jetzt nicht irgendeine Tendenz ablesen können, dass es mehr positive oder negative Ergebnisse gibt oder die Spendenbereitschaft sich in eine Richtung verändert hat. Das kommt auf die jeweilige Katastrophe an, es kommt auf die Situation an und auf die mediale Begleitung, weil leider nicht alle Katastrophen, die wir auf der Welt haben, im Fernsehen gezeigt werden. Es gibt andere Konflikte, bei denen die Medien massiv präsent sind und das ist dann im Bewusstsein der Menschen viel stärker verankert. Aber ich würde dazu keine eindeutige Tendenz beziehungsweise Aussage treffen wollen.

Das Gespräch führte Mathias Peter. Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Weder domradio.de noch das Erzbistum Köln machen sich Äußerungen der Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen zu eigen


2014 in Aceh, Indonesien (dpa)
2014 in Aceh, Indonesien / ( dpa )

Nach dem Tsunami 2004 in Aceh, Indonesien (dpa)
Nach dem Tsunami 2004 in Aceh, Indonesien / ( dpa )

2014 in Aceh, Indonesien (dpa)
2014 in Aceh, Indonesien / ( dpa )
Quelle:
DR