Die ersten 100 Tage des neuen Augsburger Bischofs Konrad Zdarsa

Der Mann aus der Diaspora

Die meisten Interviews hat der neue Augsburger Bischof Konrad Zdarsa zuletzt abgelehnt - aus einer gewissen Medienscheu heraus, wie er zugibt. Wie ein Politiker lud er aber nun zu einer Bilanz über seine ersten 100 Tage im Amt. Natürlich musste er ausgiebig Fragen zu seinem umstrittenen Vorgänger Walter Mixa beantworten - was er geduldig tat.

Autor/in:
Christoph Renzikowski
 (DR)

Der Mann aus Ostdeutschland überraschte am Montag (31.01.2011) vor den Journalisten aber auch mit unkonventionellen Ansichten zu anderen kirchlichen Problemen. Noch fremdelt er in Bayerisch-Schwaben. Da ist der große Apparat des Ordinariats, eine Diözese mit 1.000 Pfarreien, die er auch in mehreren Jahren noch nicht alle besucht haben wird, selbst die Geografie ist gewöhnungsbedürftig. "Gestern habe ich bei einem Blick in den Atlas erst gemerkt, wie weit südlich und damit nahe an Italien und Österreich das Bistum liegt", sagt er. Und die vielen Konferenzen und Gremien. Dabei schwingt hörbar Skepsis mit, ob dieser Aufwand wirklich Ertrag bringt - für die Mission der Kirche, die Verkündigung des Evangeliums.



Es gibt Worte im kirchlichen Sprachgebrauch, auf die reagiert Zdarsa allergisch, etwa "ergebnisoffener Dialog" oder "angestammte Pfarrei". Wie könne man in Kirchenpapieren ständig vom pilgernden Gottesvolk reden und dann nicht bereit sein, fünf Kilometer bis zur Sonntagsmesse zu fahren? Der Rede vom Priestermangel hält er die Unbeweglichkeit mancher Gläubiger entgegen - nicht im Sinne einer Anklage, aber einer Anfrage an die eigene Bereitschaft, etwas für den Glauben zu investieren.



Auf Tuchfühlung zu den Gläubigen

Was die "saturierten Christen" in Westdeutschland von der Diaspora lernen könnten, will ein Journalist wissen. "Entschiedenheit", lautet die prompte Antwort des Bischofs. Es sei "schon ein Zeugnis" gewesen, wenn in den Schlafstädten in Gera oder Chemnitz am Sonntagmorgen zwei oder drei Familien zur Kirche aufgebrochen seien - und, das lässt Zdarsa aber nur indirekt anklingen, dabei deutlich mehr als fünf Kilometer auf sich genommen hätten.



Der neue Bischof sucht die Tuchfühlung zu den Gläubigen seiner Diözese. Vom Gespräch von Mensch zu Mensch hält er mehr als von schriftlichen Verlautbarungen. Gerade unter Christen müsse "die Chemie" stimmen. Er freut sich, wenn die Kirche voll ist, wenn er kommt und zugleich die neue Orgel eingeweiht wird. Aber er weiß, dass das längst nicht immer so ist, auch nicht im katholischen Bayern.



Mehr als der Priestermangel beschäftigen Zdarsa die nur noch spärlich besuchten Kirchen. Er stellt sich die Frage, ob es sinnvoll ist, wenn Pfarrer von einer Messe mit etwa 40 Gläubigen zur nächsten hetzen, die etwa den gleichen Zulauf hat. Wenn er sich "mehr Substanz" in der Liturgie wünscht, meint der Bischof nicht nur eine würdevolle, auch ästhetisch ansprechende Gottesdienstgestaltung, sondern volle Bänke. Zahlenmäßige Konzentration statt Zerstreuung. Im Prinzip, so sagt er, wäre es das kraftvollste Zeichen, wenn sich alle Christen in einer Stadt zum Gottesdienst versammelten.



Und der Vorgänger?

Was die Aufarbeitung der durch seinen zurückgetretenen Vorgänger ausgelösten Turbulenzen angeht, sieht sich Zdarsa nicht in der ersten Reihe. Es sei nicht an ihm "als einem der aus der Ferne kommt", in dieses Problem einzusteigen. Am liebsten wäre es ihm wohl, die Sache würde ihm abgenommen. So könnte seine Bemerkung verstanden werden, wonach es gut wäre, fände sich für Mixa "in dieser großen Weltkirche eine Aufgabe, durch die er aus diesem leidvollen Gegenüber, das sicher noch eine Weile andauern wird, herausgenommen würde". Kurz danach stellt Zdarsa aber auch in Frage, ob ein Ruhestandsgeistlicher noch einen großen öffentlichen Wirkungskreis benötige.



Er selbst hält weiter Abstand zum Vorgänger. Es gab das eine oder andere Telefonat, einen Briefwechsel - mehr nicht. Die Mixa zur Last gelegten und bis heute nicht vollständig aufgeklärten Vorwürfe waren kein Thema. Von sich aus, so viel ist klar, wird Zdarsa darauf nicht zu sprechen kommen.