Die ersten Fachpraktiker für soziale Einrichtungen ausgebildet

Ein ganz neuer Beruf

Ein Erfolgsmodell im Erzbistum: Förder- und Hauptschüler mit Lernbeeinträchtigungen werden zu Fachpraktikern für soziale Einrichtungen ausgebildet. Nun erhielten die ersten Absolventen ihre Zeugnisse aus den Händen prominenter Unterstützer.

Autor/in:
Katharina Geiger
Auszubildende erhalten ihre Zeugnisse / © Katharina Geiger (DR)
Auszubildende erhalten ihre Zeugnisse / © Katharina Geiger ( DR )

ʺSo müssen sich die ersten Lokomotivführer gefühlt haben, nachdem es die ersten Lokomotiven gab und sie ihren Beruf antratenʺ, sagte der Kabarettist Jürgen Becker am Montag während der Zeugnisvergabe an elf Ausgebildete zu Fachpraktikern für soziale Einrichtungen. Nur dass die Lokführer inzwischen ihren Job verlieren würden, weil sie von Robotern und Maschinen, die die Züge steuern, ersetzt werden könnten.

Beruf mit Zukunftsperspektive

Das wäre für die Tätigkeit, die die elf Jugendlichen ausüben, nicht möglich. Sie kümmern sich künftig in Behinderten-, Alten- und Krankeneinrichtungen um die persönliche Ansprache der Patienten. Ein Beruf also mit hundert Prozent persönlicher Präsenz und hundertprozentiger Zukunftsperspektive. Ihre Aufgabe deckt das ab, wofür dem Fachpersonal in ihren Minuten genau getakteten Schichten die Zeit fehlt: Sie lesen und lachen mit kranken oder alten Menschen, führen Gespräche mit ihnen, begleiten sie zu Ausflügen oder erledigen Botengänge für sie.

Initiiert haben diese Chance für Förderschüler und -schülerinnen mit Lernbehinderung im Jahr 2014 der Chefarzt und Psychiater am Porzer Alexianer Krankenhaus, Dr. Manfred Lütz, und der Kölner Pfarrer Franz Meurer gemeinsam mit der IN VIA, dem katholischen Verband für Mädchen und Frauensozialarbeit in Köln. Sie wollten den unglaublichen Bedarf an Helfern in der Pflege und im Service mit dem großen Potenzial von Förderschülern zusammenbringen, die ʺideale Kümmererʺ sind, wie Pfarrer Meurer beteuert.

Abschluss auch mit schlechten Noten

Sie besitzen die Fähigkeit, beispielsweise demenziell Erkrankte zu betreuen. ʺDies ist eine Ausbildung, die nicht so theorielastig ist, wie sonst in Deutschland, sondern vor allem praxisorientiert istʺ, erklärt Manfred Lütz. ʺSodass jemand, der keine guten Klausuren schreiben kann, trotzdem einen Abschluss erreicht.ʺ Ihm sei wichtig, dass jemand nett ist, der ihn später einmal als dementer Mensch pflegt, nicht dass er gut in Mathe ist.

Ausgerechnet Mathe sei zwar eine ihrer Stärken, sagt Jenita Sulejmanovce, aber ebenso viel zählten Menschlichkeit, soziale Kompetenz und Kommunikationsfähigkeit, um diesen Beruf ausüben zu können. Ganz offiziell hat sie wie auch die anderen zehn Jugendlichen vor der Industrie- und Handelskammer Köln eine Prüfung abgelegt. Jetzt hat sie einen anerkannten Beruf, den vor ihr niemand hatte – Köln ist nämlich mit dieser Idee ein Vorreiter. Aber der Ausbildungsgang ʺFachpraktiker Service in sozialen Einrichtungenʺ ist sehr gefragt, weshalb bereits die Städte Bonn und Aachen das Modell übernahmen. Auch die IHK Düsseldorf und Koblenz wollen es zukünftig anbieten.

Fester Arbeitsplatz

Das Besondere jedoch ist nicht die Ausbildung selbst, sondern dass die jungen Menschen nach der Ausbildung übernommen werden. Sie erhalten einen festen Arbeitsplatz in ʺihrerʺ Einrichtung wie zum Beispiel im Alexianer Krankenhaus in Köln-Porz und im Malteser Krankenhaus St. Hildegardis. Viele große katholische Träger haben dieses Anliegen unterstützt. Trägern, die nicht im Vorfeld eine Übernahme der Auszubildenden versprachen, gestattete Manfred Lütz gar nicht erst die Arbeitskräfte.

Von 13 gestarteten Jugendlichen sind zwei innerhalb der Ausbildungszeit erkrankt, die allerdings eine zweite Chance bekommen. Mit einem zusätzlichen Ausbildungsjahr, das sie nun anhängen, werden auch sie ihren Beruf erlangen und sichern sich damit die Zukunft. ʺNiemand hat von sich aus aufgegebenʺ, hebt Pfarrer Meurer hervor.


Quelle:
DR