Die Felsenkirchen von Lalibela im Hochland von Äthiopien

Eine Stätte für die Ewigkeit

Die Felsenkirchen von Lalibela zählen zu den Hauptattraktionen jeder Reise nach Äthiopien. Die steinernen Glaubensmonumente gehören seit 1978 zum Unesco-Weltkulturerbe.

Felsenkirche Bet Giyorgis in Lalibela / © Miriam Alster (KNA)
Felsenkirche Bet Giyorgis in Lalibela / © Miriam Alster ( KNA )

Das Städtchen wirkt unscheinbar und staubig. Doch was der Besucher beim Umherwandern entdeckt, wird er nie mehr vergessen können: Kirchen aus rostrotem Tuffstein, dazu ein Labyrinth aus Tunneln, Korridoren, Felsdurchbrüchen und Brücken, die allesamt nur den Zweck haben, die antiken Gotteshäuser miteinander zu verbinden. Es ist pure Magie, die den Fremden erwartet.

Und spätestens jetzt wird er den portugiesischen Priester Francisco Alvarez verstehen, der Anfang des 16. Jahrhunderts folgende Sätze niederschrieb: "Es ist mir genug, weiter über diese Denkmäler zu schreiben, denn wahrscheinlich wird mir niemand glauben."

Das Wunder von Äthiopien

Mit diesen Zeilen wollte er das Wunder von Äthiopien in Europa bekanntmachen. Das 1978 von der Unesco als Weltkulturerbe anerkannte Labyrinth von Lalibela zählt bis heute zu den Highlights jeder Äthiopien-Reise. Das Einzigartige: In Lalibela wurden die Kirchen aus dem Fels gehauen. Sie tragen Namen wie Bete Maryam, Bete Golgota oder Bete Gyorgis. Letztere ist die jüngste und durch ihr griechisches Kreuz auf dem Dach ein besonders beliebtes Fotomotiv der Touristen. Bete bedeutet auf Amharisch "Haus" oder "Kirche".

2.500 Meter über dem Meeresspiegel wollte König Lalibela im 12. Jahrhundert eine Stätte für die Ewigkeit schaffen. In 23 Jahren ließ er elf Felsenkirchen errichten. Manche Quellen sprechen von 40.000 Menschen, die damals im roten, weichen Tuffstein meißelten – Tag und Nacht.

Das heilige Jerusalem

Die in Stein gehauenen Kirchen werden heute in die östliche, die westliche und die nördliche Gruppe aufgeteilt. Die im Osten gelegenen Kirchen sollen das heilige Jerusalem verkörpern. "Es gibt zwei Überlieferungen", sagt Fremdenführer Girma Derbie: "Zum einen soll der König den Wunsch gehabt haben, Jerusalem zu besuchen und dort begraben zu werden. Daraufhin ist ihm Gott im Traum erschienen und hat ihn aufgefordert, in Äthiopien zu bleiben und ein neues Jerusalem zu errichten."

Die zweite Legende besagt, dass Gott den König im Traum nach Jerusalem geführt, ihm die Geheimnisse der Heiligen Stätten enthüllt und ihn schließlich aufgefordert habe, in seiner Heimat ein Abbild davon zu bauen. Und es gibt tatsächlich Parallelen: der kleine Fluss Yordanos, der nur in der Regenzeit Wasser führt, die Plätze Golgatha und Sinai sowie Gräber, die Adam und Jesus gewidmet sind.

Der Heilige Georg

Das elfte Gotteshaus Bet Giyorgis (Georgskirche) ragt als das vollkommenste Gebäude aus der westlichen Gruppe. Es hat die Form eines Tempelkreuzes, das tief in den ebenerdigen Felsen gemeißelt wurde. Sein Grundriss hat die Gestalt dreier verschachtelter Kreuze.

Nach Vollendung der zehnten Felskirche in Lalibela soll der Heilige Georg dem König im Schlaf aufgefordert haben, ihm ein Gotteshaus zu errichten. So sei die Georgskirche entstanden.

Magische Kräfte: Goldkreuz von Lalibela

Im Mittelpunkt der nördlichen Gruppe steht die Kirche Bet Medhane Alem, die die größte monolithische Kirche der Erde sein soll. Sie diente als Vorlage für die Kirche St. Maria von Zion in Axum. Hier wird auch das Goldkreuz von Lalibela verwahrt, dem magische Kräfte nachgesagt werden. Krankheiten sollen durch bloße Berührung des Kreuzes geheilt worden sein. Und ganz in der Nähe steht die wohl älteste Kirche in Lalibela, Bet Maryam, die mit Bet Medhane Alem verbunden ist.

In Lalibela haben die in Fels gehauenen Kirchen unterschiedliche Formen. So gibt es einige, deren Räume nicht nur in die Fassade der Felswand getrieben wurden, sondern deren Block anschließend freigestellt wurde. "Sie stehen dann in einer Grube, auf die wir hinabsehen können", erläutert der 33-Jährige Derbie und meint: "Wir haben zweifellos die schönsten Kirchen in dieser Bauweise".

Riesiger Aufwand

Sicher ist, dass die Errichtung mit riesigem Aufwand verbunden war. Der Bauplan musste bis ins kleinste Detail vorliegen. Jede Säule, Treppe und Wölbung wurde im Gestein modelliert. Zuerst wurde der Bau von oben nach unten konstruiert, dann der den Hof bildende Schacht ausgehoben und später das Gebäude ausgehöhlt.

Besucher erkennen noch heute die in Fels geschlagene oder aufgemalte Dekoration. Sie wurde direkt auf den Stein aufgetragen, im 16. Jahrhundert auch auf eine Putzschicht. Noch spätere Malereien entstanden auf Leinwand.

Neu-Jerusalem als Pilgerort

Lalibela wird auch Neu-Jerusalem genannt und war im 12. und 13. Jahrhundert die Hauptstadt des Königreiches Äthiopien. Heute hat der Ort 20.000 Einwohner. "98 Prozent sind orthodoxe Christen", erläutert der Museumsangestellte Tadesse Alemu. Besonders feierlich sei es an Weihnachten, das hier am 7. Januar gefeiert wird. "Dann kommen mehr als 10.000 Pilger aus dem ganzen Land. Einige von ihnen laufen bis zu drei Wochen, um dabei sein zu können." In der Umgebung der Kirchen werden große Schlaflager eingerichtet.

"Jeder ist willkommen", betont Alemu und schwärmt weiter: "Damals mussten es Engel gewesen sein, die in der Nacht mit doppelter Leistung an den Kirchen arbeiteten." Nur ihnen sei es zu verdanken, dass sämtliche Gotteshäuser in nur 23 Jahren fertiggestellt werden konnten. Aber auch der König selbst sei dabei nicht untätig gewesen.

Unermüdlich soll er für die Vollendung gebetet haben. Nach der Fertigstellung wurde er von der äthiopischen Kirche seliggesprochen.


Felsenkirche Bet Giyorgis in Lalibela / © Miriam Alster (KNA)
Felsenkirche Bet Giyorgis in Lalibela / © Miriam Alster ( KNA )

Gebet in Felsenkirche in Lalibela / © Miriam Alster (KNA)
Gebet in Felsenkirche in Lalibela / © Miriam Alster ( KNA )

Felsenkirche Bet Maryam in Lalibela / © Miriam Alster (KNA)
Felsenkirche Bet Maryam in Lalibela / © Miriam Alster ( KNA )

Gebet in Felsenkirche in Lalibela / © Miriam Alster (KNA)
Gebet in Felsenkirche in Lalibela / © Miriam Alster ( KNA )
Quelle:
KNA