DOMRADIO.DE: Wer wird denn da ins so genannte "NesT" aufgenommen? Was für Flüchtlinge oder Familien sind das?
Sabine Frömel (Engagementförderin der Aktion neue Nachbarn): Da geht es um besonders schutzbedürftige Flüchtlinge, die von der UNHCR ausgewählt werden, die unter besonders schweren Bedingungen leben. Das sind Geflüchtete, die nicht mehr in ihr Heimatland zurück können, und aber auch keine Möglichkeit in dem jetzigen Erstaufnahmeland haben. Und somit brauchen Sie eine Möglichkeit und können über dieses Programm dann nach Deutschland einreisen und erhalten dort direkt den Aufenthaltstitel und alle Dinge, die dazugehören.
DOMRADIO.DE: Und unter anderem, wenn sie Glück haben, ein fünfköpfiges Mentoren-Team. Warum braucht man dafür gleich fünf Leute?
Frömel: Wer in so einem Team schon mal gearbeitet hat bzw. wer schon mal mit geflüchteten Menschen zusammengearbeitet hat, weiß, dass es viele, viele Themen gibt, die dort dann aufkommen. Es geht um die Integration, um die gesellschaftliche Teilhabe.
Unser Team setzt sich zusammen aus alten Hasen und Neueinsteigern. Und die wissen dann ganz genau, wo man ansetzen muss. Es geht hier um die Integration in den Kindergärten, in die Sprachkurse, zur Vermittlung und Vernetzung von Vereinen dort vor Ort. Und es beginnt mit kleinen Sachen wie der Mülltrennung. Und es hört auf bei Behördengängen. Und das muss auch alles gestemmt werden. Das Tolle ist dabei, wenn man zu fünft ist, dann kann man sich austauschen. Man ist nicht alleine. 2015 waren viele Menschen unterwegs und haben gesagt "wir wollen helfen", es haben ganz viele geholfen, und jetzt ist es so, dass viele auch einfach nicht mehr können. Arbeitet man im Team, kann man sich austauschen. Der eine ist bei uns für das Rechtliche zuständig, der andere übernimmt kleinere Sachen. Und der nächste hilft zum Beispiel bei der Kinderbetreuung. Es sind ganz verschiedene unterschiedliche Aufgaben. Die Menschen haben unterschiedliche Fähigkeiten und können sich unterschiedlich einbringen.
DOMRADIO.DE: Komplett ehrenamtlich?
Frömel: Ja, alle sind ehrenamtlich tätig.
DOMRADIO.DE: Und Sie wiederum betreuen diese Mentoren. Inwiefern?
Frömel: Es geht zum Beispiel darum, einen Unterstützungsplan zu schreiben, es müssen viele Dinge müssen geregelt werden, es gibt regelmäßige Teamtreffen. Und wenn vielleicht das eine oder andere mal hakt, dafür bin ich immer Ansprechpartnerin.
DOMRADIO.DE: Wann kommen denn die ersten Flüchtlinge zu Ihnen nach Pulheim-Brauweiler?
Frömel: Wir werden uns bewerben, am 14. September haben wir die Basis Schulung und dann werden die Geflüchteten Anfang Januar kommen, hoffen wir.
DOMRADIO.DE: Sie sind aber jetzt schon fleißig bei der Arbeit. Was gibt es da zu tun?
Frömel: Es sind viele Dinge zu organisieren. Eine besondere Herausforderung ist, eine Wohnung zu finden. Das ist das Schwierigste. Sie können sich vorstellen, wie die Reaktion eines Vermieters ausfällt, wenn man sagt: "Ab Januar kommt eine Familie. Wir wissen noch nicht wie viele genau und wir wissen auch nicht aus welchem Land"... Also muss man irgendwie gucken, wie man das am besten hinbekommt. Und das ist das Schwierigste. Wir im Kirchengemeindeverband Brauweiler haben jetzt Glück, dass der Kirchenvorstand uns eine Wohnung extra für diese "NesT"-familie kauft, so dass wir diese Sorge erst mal weg haben.
DOMRADIO.DE: Hat man dann in irgendeiner Weise Einfluss darauf wer dann kommt?
Frömel: Man kann die Personenzahl festlegen. Wir haben uns jetzt für eine Familie entschieden, und wir haben gesagt, wir nehmen einen Erwachsenen und drei Kinder oder ein Elternpaar und zwei Kinder.
DOMRADIO.DE: Das ganze Projekt wird ja auch vom Erzbistum Köln und von der Caritas gefördert. Inwiefern?
Frömel: Die fünf Mentoren haben für ein Jahr ihre ideelle Unterstützung zugesagt. Und dann müssen sie aber noch ein Konto für die Kaltmiete einrichten. Das heißt für zwei Jahre muss die Kaltmiete vorhanden sein. Und da sind wir in der glücklichen Lage im Erzbistum, dass dieser Fonds aus Aktion Neue Nachbarn übernimmt.
DOMRADIO.DE: Sie sind Engagement-Förderin. Sie sind aber alle Ehrenamtler bei sich in der Gemeinde, warum macht eine Kirchengemeinde überhaupt so etwas?
Frömel: Ich finde bei einer Kirchengemeinde ist das eigentlich gar keine Frage. Die müssen es einfach machen, das ist unser Glaube, das ist unser Auftrag. Aber unsere Ehrenamtlicher, die dort unterwegs sind, sind gerade nicht alle aus der Kirchengemeinde. Und das ist das Schöne daran, dass es einfach nur humanitäre Hilfe ist und dass es Menschen gibt, die Menschen wieder in den Mittelpunkt stellen. Wir sind ganz unterschiedliche Personen, sowohl Männer als auch Frauen, junge wie alte mit unterschiedliche Fähigkeiten.
DOMRADIO.DE: Und da mischen sich dann Leute, die in der Kirche sind und auch die, die davor stehen oder vorbeigehen...
Frömel: Genau, das ist das Tolle daran.
DOMRADIO.DE: Wir hören immer wieder, dass Parteimitglieder der AfD sich lautstark äußern und sagen "Flüchtlingspolitik in Deutschland läuft schief, wir brauchen keine Flüchtlinge". Was würden Sie denen sagen?
Frömel: Die würde ich ganz recht herzlich zum Baklavaessen einladen, an einem großen Tisch, und einladen die Menschen kennenzulernen.
Das Interview führte Heike Sicconi.