Wie die Caritas Hochwasseropfern nach der Katastrophe hilft

"Die Flut wird uns noch lange beschäftigen"

Eine bis dahin in Deutschland noch nicht gekannte Flutkatastrophe riss Menschen, Häuser und Landschaften mit sich. Noch immer stehen Menschen vor den Trümmern ihrer Existenz. Die Cartias rechnet, dass sie noch lange Hilfe leistet.

 © Jonas Güttler (dpa)
© Jonas Güttler ( dpa )

DOMRADIO.DE: Die Caritasverbände haben viel Geld gesammelt. Wieviel ist schon zusammengekommen?

Markus Harmann (Pressesprecher des Diözesan-Caritasverbands für das Erzbistum Köln): Das Geld kommt über das Hilfswerk Caritas International. Darüber sind mittlerweile um die 30 Millionen Euro zusammengekommen. Die Spendenbereitschaft und die Solidarität sind in dieser Flutkatastrophe enorm hoch. 

DOMRADIO.DE: Was ist bisher mit dem Geld passiert?

Harmann: Wir haben insgesamt mittlerweile mehr als 1,6 Millionen Euro an Flutopfer in den betroffenen Regionen hier im Erzbistum Köln ausgeschüttet. Also in Euskirchen, im Rhein-Erft oder Rhein-Sieg-Kreis oder im Nordteil des Erzbistums im Raum Wuppertal und Solingen. Wir haben mehr als 2.000 Anträge bekommen. Wir, das heißt die Verbände der Caritas im Erzbistum Köln, wozu zum Beispiel auch der Sozialdienst katholischer Frauen oder auch der Sozialdienst katholischer Männer gehören.

DOMRADIO.DE: Es sind ja so viele Gebiete betroffen und so viele Menschen, die Unterstützung brauchen. Wissen Sie, wie das Geld gerecht verteilt werden kann?

Harmann: Es ging und geht immer noch in dieser Phase um akute Hilfe oder Nothilfe. Das heißt, jemand benötigt für seine Küche eine neue Spülmaschine, einen neuen Tisch oder Kühlschrank. Es gibt die Möglichkeit, einen Antrag zu stellen über die Caritasverbände in den betroffenen Gebieten. Beispielsweise einen Antrag auf Soforthilfe über 200 Euro. Die Anträge gehen aber auch bis 5.000 Euro für einen Haushalt. Es geht darum, das Geld jetzt sehr schnell und sehr unbürokratisch auszuzahlen. Der Wiederaufbau setzt erst später ein. Zunächst ist mal die akute Nothilfe gefragt.

DOMRADIO.DE: Der Schock sitzt tief bei den Menschen. Ich habe mit einer Betroffenen gesprochen, die mir erzählte, das Wasser sei in Gedanken oder Träumen immer wieder da und das könne sie so gar nicht wirklich abschalten. Wie können Sie Menschen bei der Bewältigung dieser Eindrücke helfen?

Harmann: Das ist tatsächlich eine Herausforderung und ein Problem. Neben der finanziellen Nothilfe wird immer deutlicher, welche Traumata diese Flut bei den Menschen hinterlassen hat. Sie haben, sobald es regnet, die Sorge, dass dieser Regen nicht wieder aufhören und ihr Haus wieder unter Wasser stehen könnte.

Wir sind deshalb mit den Caritas- und den Fachverbänden dabei, Beratungsmöglichkeiten zu schaffen. Die gab es ja auch schon immer von der Caritas, aber in dieser Beratung geht es jetzt um Menschen, die immer wieder mit den Bildern dieser Flut konfrontiert werden, und darum, ihnen dabei zu helfen, in den Alltag zurückkehren zu können.

Schon die Antragsstellung kann in einer solchen Situation überfordern. Oder die Frage, woher nun Geld für den Wiederaufbau kommt: Vom Staat, von den Versicherungen oder doch von uns, vom Diözesan-Caritasverband oder von Caritas International?

DOMRADIO.DE: Das fängt ja schon mit ganz praktischen Dingen an, wenn der Computer nicht mehr vorhanden ist, wenn kein Laptop mehr da ist, wenn man keine Geräte mehr hat, kann man vielleicht nicht online gehen und kann sich heute auch nicht mehr so informieren, wie man es vielleicht gewohnt ist, oder?

Harmann: So ist es, und das war vor allen Dingen in den ersten Tagen und auch Wochen nach der Flut der Fall, dass die Menschen in der Region gar nicht erreichbar waren und zunächst gar nicht wussten, an wen sie sich wenden konnten. Das hat sich mittlerweile ein bisschen gebessert, die Menschen wissen jetzt, an wen sie sich wenden können. Es gibt viele Informationsstellen, die darüber aufklären, wo man Hilfe bekommt. Dazu können möglicherweise demnächst auch Koordinationsbüros von uns gehören.

Wir sind gerade in den Regionen mit anderen Institutionen auch aus dem katholischen Umfeld, wie den Maltesern, abgestimmt, dabei, zu gucken, wo wir Büros einrichten, wo die Hilfe sozusagen sehr viel direkter geleistet werden kann und wo es  auch nicht nur um die finanzielle Hilfe geht, sondern auch darum, eine passende Beratung zu finden.

DOMRADIO.DE: Menschen zeigen enorme Hilfsbereitschaft und Solidarität. Die Bereitschaft war von Anfang an unglaublich hoch. Es kommen auch immer noch freiwillige Helferinnen und Helfer aus dem ganzen Land und helfen da, wo es nötig ist. Das wird auch noch eine Weile so bleiben. Da müssen alle Beteiligten einen langen Atem haben. Was glauben Sie, wie lange Sie das Thema noch beschäftigen wird?

Harmann: Das wird uns, und das wollen wir mit diesen Büros ja auch zum Ausdruck bringen, noch sehr lange beschäftigen. Selbst wenn die ersten Schäden beseitigt sind und die Leute wieder zurückkehren in ihre Wohnungen und Häuser, wird das Thema Flut noch sehr präsent bleiben - vor allen Dingen in den Büros.

Wir merken es selbst, weil auch Einrichtungen der Caritas betroffen waren. Geschäftsstellen waren nicht einsatzfähig, weil das Erdgeschoss unter Wasser stand. In Leverkusen musste ein komplettes Altenheim evakuiert werden. In Bad Münstereifel ist ein Pflegedienst nicht mehr funktionsfähig, einfach weil die Räume nicht mehr zu nutzen sind. Sehr viele Menschen und sehr viele Stellen haben noch länger mit den Auswirkungen der Flut zu kämpfen.

Deshalb ist es wichtig, einfach am Ball zu bleiben, auch mit finanzieller Hilfe. Das Geld, das uns von Caritas International und durch Spenden zur Verfügung gestellt wird, geht 1:1 an die Betroffenen. Da wird keine Summe abgezweigt für die Verwaltung. Wenngleich wir natürlich auch Arbeit damit haben, weil wir Anträge bearbeiten oder Spendenquittungen ausstellen.

Das Interview führte Dagmar Peters.

Studie: Hochwasserkatastrophen durch Klimawandel wahrscheinlicher

Der Klimawandel erhöht laut einer Studie die Wahrscheinlichkeit extremer Regenfälle und damit von Hochwasserkatastrophen, wie sie im Juli in Rheinland-Pfalz und Nordrhein-Westfalen mindestens 180 Menschen das Leben gekostet haben. Zu diesem Ergebnis kommt ein internationales Team von Wissenschaftlern unter anderem des Deutschen Wetterdiensts (DWD) in einer am 24. August veröffentlichten Untersuchung.

Die Flutkatastrophe im Sommer hat auch Kirchen und die kirchliche Arbeit getroffen / © Henning Schoon (KNA)
Die Flutkatastrophe im Sommer hat auch Kirchen und die kirchliche Arbeit getroffen / © Henning Schoon ( KNA )
Quelle:
DR