Die Fußwaschung an Gründonnerstag

Peinlich berührt oder berührende Erfahrung

In den meisten katholischen Gemeinden gehört es zur Gründonnerstagsliturgie, dass der Priester zwölf Gemeindemitgliedern die Füße wäscht. Viele Katholiken kostet es aber Überwindung, das Angebot der Fußwaschung anzunehmen.

Autor/in:
Angelika Prauß
Pfarrer Jörg Harth wäscht einem Gemeindemitglied die Füße - in Sankt Rochus und Augustinus in Bonn (KNA)
Pfarrer Jörg Harth wäscht einem Gemeindemitglied die Füße - in Sankt Rochus und Augustinus in Bonn / ( KNA )

"Freiwillige für die Fußwaschung gesucht!" Mit diesem vermeintlich einfachen Aufruf überraschte der Bonner Pfarrer Jörg Harth wenige Wochen vor Ostern seine Gemeinde. Anders als in früheren Jahren sollen dieses Mal einfache Pfarreiangehörige, die zur Kerngemeinde gehören, diese Gelegenheit bekommen. Doch die Suche nach den zwölf Freiwilligen gestaltet sich zunächst schwierig. Denn diese liturgische Handlung, die an die Liebesgeste Jesu an seinen Jüngern im Abendmahlssaal erinnert, hat es offenbar in sich.

In den meisten katholischen Gemeinden gehört es zur Gründonnerstagsliturgie, dass der Priester zwölf Gemeindemitgliedern die Füße wäscht. Traditionell werden Männer dafür gewählt, weiß auch Harth. Aber nachdem Papst Franziskus es inzwischen auch anders mit der Auswahl gehalten habe - 2013 wusch er Strafgefangenen die Füße, darunter auch zwei Frauen; ein Jahr später behinderten Menschen -, fühlt sich der Bonner Seelsorger bestärkt. Erst kurz vor der Feier des Letzten Abendmahls hatte er die zwölf Freiwilligen gefunden - vom Zweitklässler bis zum Senior. Menschen, "die viel für die Gemeinde tun, auch wenn sie keine Posten haben". Sich die Füße vom Pfarrer waschen zu lassen, versteht Hart nicht als "Auszeichnung"; vielmehr sei es die Chance, eine besondere Erfahrung zu machen.

Scheu vor der Fußwaschung

Regelmäßige Kirchgänger kennen zwar das dienende Ritual, das Jesus vor über 2.000 Jahren den Aposteln erwiesen hat. Aber dass es nun der Gemeindepriester an ihnen selbst vollziehen könnte - für viele undenkbar; sie zögern, das Angebot anzunehmen. Für sie ist dieser besondere Ehrfurchtserweis mitunter vor allem eins - peinlich. 

Auch der Bonner Seelsorger beobachtet eine "gewisse Scheu und Überwindung", weil das Waschen der Füße durchaus eine gewisse Intimität bedeute. Gemeindemitglied Petra Ronniger hat sich dennoch getraut. "Irgendwie hat es mich gereizt, das war etwas Spannendes und Neues." Es sei etwas anderes, als an Gründonnerstag in der Kirche dabei nur zuzuschauen. Für die gläubige Frau war es "ein komisches Gefühl" vor der Gemeinde zu sitzen und sich von einem Menschen, "zu dem man sonst eher aufblickt", die Füße waschen zu lassen. Dem Pfarrer ihre nackten Füße zu zeigen, sei ihr peinlich gewesen. Sie habe sie vorher extra noch gewaschen, saubere Socken angezogen und Schuhspray verwendet - "damit nichts müffelt", erinnert sich die Bonnerin schmunzelnd.

Füße sind aus der Wahrnehmung verschwunden

"Füße sind 'ih'", weiß die Vizepräsidentin des Zentralverbandes der Podologen und Fußpfleger Deutschlands, Annett Ullrich. Sie fremden Menschen zu zeigen, sei mit einem "ganz großen Schamgefühl" behaftet, weiß die Expertin. Denn im Alltag seien sie meist mit Strümpfen und Schuhen bedeckt. Deshalb sei der Anblick von Füßen "aus der Wahrnehmung der Menschen verschwunden". Das erlebt sie auch bei ihren Patienten. "Viele, die zum ersten Mal zur Fußpflege kommen, schämen sich, weil ihre Füße so schlecht aussehen." Auch Fußdeformationen, Hornhaut oder Hühneraugen trügen dazu bei, "dass man seine Füße nicht gerne zeigt". Für die Podologin ist die liturgische Handlung an Gründonnerstag deshalb nicht nur eine Erinnerung daran, "was Jesus seinen Mitmenschen Gutes getan hat"; sie könne auch eine Gelegenheit sein, Füße wieder "auf Augenhöhe" wahrzunehmen.

Auch für Seelsorger ist die Fußwaschung eine Herausforderung, wie Pfarrer Harth bemerkt. Bei der Liturgie vor der Gemeinde zu stehen sei etwas ganz anderes, als vor Menschen auf die Knie zu gehen und sich vor ihnen zu verneigen. "Das sind nicht alles Freunde - da ist die Gemeinde, wie sie ist: Menschen, die einem näher sind, und andere, mit denen ich mich schwertue", gibt Harth offen zu. "Von 'Überwindung' zu sprechen, wäre ein zu starker Ausdruck - aber es ist schon eine andere Art der Begegnung."

Für den vielbeschäftigten Seelsorger ist die Fußwaschung auch eine Anfrage an sein Amtsverständnis. Auch als Priester sei er aufgerufen, Menschen zu dienen - Dienst sei für ihn mehr, als die Gemeinde zu verwalten. Auch deshalb ist für Harth die Handlung an Gründonnerstag "ein starkes Zeichen".

 

Quelle:
KNA