DOMRADIO.DE: Warum scheint es in so einer Notlage jetzt schon wieder einen Machtstreit zwischen Trump und den Gouverneuren des Landes zu geben?
Prof. Dr. Godehard Brüntrup SJ (Jesuitenpater, USA-Experte, Professor an der Hochschule für Philosophie München): Trump muss natürlich sein Zögern gegenüber den Wählern aufholen. Es ist ja offensichtlich, dass er zu spät auf die Corona-Krise reagiert hat. Nun muss er sich als eine starke Führungspersönlichkeit präsentieren.
Dazu gehört auch das Säbelrasseln gegenüber den Gouverneuren. Aber er weiß natürlich, dass sie ihre eigenen Rechte haben. Die USA sind ein föderaler Staat – wie wir auch. Von daher hat seine Macht da eine Grenze.
DOMRADIO.DE: Es gab ja auch Kritik daran, dass das so lange gedauert hat bis sich Trump überhaupt in dieses Krisenmanagement eingeklinkt hat. Wie steht denn die Gesellschaft dazu? Schwindet der Rückhalt für Trump etwas, weil man jetzt sieht, dass die USA diese Corona-Krise wirklich alles andere als im Griff hat. Oder kommt das Bild des starken Präsidenten rüber?
Brüntrup: Ich glaube, die Schwäche des Gegners hilft dem US-Präsidenten. Von Joe Biden, dem Kandidaten der Demokraten, sieht man fast nichts in der Öffentlichkeit – und wenn er in der Öffentlichkeit auftritt, dann kommt er manchmal etwas tatterig und senil rüber, was natürlich Trump ausnutzt.
Das führt dazu, dass er jetzt allein die Rolle des starken Mannes übernehmen kann. Hätte er einen starken, dynamischen Gegner, wären jetzt alle Flanken offen, um ihn zu schwächen. Aber seine Stärke momentan ist die Schwäche der Demokraten.
DOMRADIO.DE: Trump hat nun die Kürzungen von Zahlungen an die Weltgesundheitsorganisation bekannt gegeben. Wie waren da die Reaktionen?
Brüntrup: Es gibt in den USA eine alte Hassliebe zur UN. Man sagt, wir finanzieren da viele nicht demokratisch-gewählte Vertreter aus irgendwelchen Diktaturen, die sich ein schönes Leben in New York machen und viele Spesen verbrauchen. Mit dem jetzigen Chef der Weltgesundheitsorganisation (WHO), der ja den Diktator Mugabe zum Sonderbotschafter der WHO machen wollte, hat man sowieso kein gutes Verhältnis.
Und jetzt möchte man natürlich die WHO ein bisschen zum Sündenbock machen, weil sie so lange, und das stimmt natürlich auch, gezögert hat, diese Krise als eine weltweite Pandemie anzuerkennen und auch wenig Druck auf China ausgeübt hat. Amerika wird, wie immer in diesen Fragen, mit dem Säbel rasseln, das Geld zurückhalten – und nach einiger Zeit kommt es dann doch. Das wird auch hier wieder so sein.
DOMRADIO.DE: Auf der anderen Seite wird jetzt auch deutlich, dass der US-Präsident das Ganze sehr unterschätzt hat. Am Anfang hatte er das Coronavirus noch heruntergespielt. Jetzt hat er aber selber 500 Mitarbeiter seiner Hotels entlassen müssen. Ist das ein bisschen Genugtuung für seine Gegner?
Brüntrup: Die Gegner hätten hier wunderbare Argumente. Es liegt auf der Hand, dass Trump wochenlang das Virus und seine verheerende Wirkung unterschätzt hat. Aber sie nutzen das nicht richtig aus. Er stellt das mittlerweile in der Öffentlichkeit so dar, dass er immer schon gesehen habe, wie gefährlich das war. Und die Medien geben ihm die Bühne, wo er diese Geschichten erzählen kann.
Man hat immer das Gefühl, dass alle Kritik an ihm wie an einer Teflonpfanne abgleitet. Eigentlich, muss man klar sagen, hat er die Krise sechs bis acht Wochen lang verschlafen. Trotzdem scheint ihm das wenig zu schaden, wenn man seine Beliebtheitswerte anschaut.
DOMRADIO.DE: Donald Trump erwägt nun, das Parlament in eine erzwungene Auszeit zu schicken. Trump hat im Zuge einer solchen Zwangspause für das Parlament ins Spiel gebracht, freie Stellen in seiner Regierung schnell ohne den Kongress besetzen zu können, heißt es. Was ist da dran und wie schätzen Sie diesen Zug ein?
Brüntrup: Es ist kompliziert. Zunächst mal haben sich die beiden Häuser selber mehr oder minder zurückgezogen und machen nur noch "pro forma" Scheinsitzungen, damit der Präsident nicht die ganze Macht bekommt. Wegen der Corona-Krise kommen die Repräsentanten und Senatoren gar nicht mehr in die Sitzungen. Da wird eine kleine Scheinsitzung veranstaltet, damit man nicht offiziell aufhört, denn dann hätte der Präsident mehr Macht.
So kriegt er aber auf der anderen Seite auch nicht die Mehrheiten oder die Beschlüsse, seine Leute durchzusetzen. Es ist ein Machtspiel zwischen zwischen beiden Seiten. Interessant an diesem Machtspiel zwischen den Häusern und dem Präsidenten ist, dass sich auch die eigene Partei, die Republikaner, hier gegen ihn stellt. Und sie sagen: So geht es nicht. Du kannst dich nicht einfach über den Senat hinwegsetzen. Das ist schon ein interessantes Zeichen, denn es war bisher meistens nicht der Fall, dass sich seine eigene Partei gegen ihn gestellt hat.
DOMRADIO.DE: Gibt es Kritik auch von Seiten der Kirchen oder anderer Religionsgemeinschaften an diesem Corona-Krisenmanagement von Trump?
Brüntrup: Die Kirchen äußern sich, soweit ich das sehe, nicht direkt zu dem Corona-Krisenmanagement von Trump. Die Kirchen haben natürlich sehr viel damit zu tun, sich damit zu beschäftigen, wie sie unter den gegenwärtigen Bedingungen Seelsorge und Gottesdienste noch aufrechterhalten können. Sie fragen sich: Wie können wir unserem Auftrag nachkommen?
Da gibt es viele Verhandlungen mit den einzelnen Gouverneuren auf der Ebene der individuellen Bundesstaaten, die sich damit befassen, wie man noch den kirchlichen Dienst aufrechterhalten kann. Mit Trump, glaube ich, gibt es momentan wenig zu verhandeln vonseiten der Kirche. Es ist wirklich eher eine Sache der Bundesstaaten.