Am Anfang der Wahlperiode schien alles noch ganz einfach: Bundesgesundheitsminister Hermann Gröhe (CDU) und andere Unionspolitiker forderten ein Verbot von Organisationen, die Sterbehilfe anbieten. Schnell kamen auch SPD-Vertreter dazu, die die Meinung teilten. Doch je weiter die Politiker ins Detail gingen, desto komplizierter schien eine gesetzliche Regelung, die schon unter der schwarz-gelben Regierung nicht gelungen war. Inzwischen zeichnen sich im Bundestag drei Meinungen ab: Neben Sterbehilfegegnern und -befürwortern versuchen andere einen gemäßigten Mittelweg. Es kündigt sich eine spannende Debatte im Parlament an.
Im Zentrum der Regelung stehen Sterbehilfevereine wie der des ehemaligen Hamburger Justizsenators Roger Kusch. Organisationen wie diese stellen Menschen, die sich selbst töten wollen, das erforderliche Mittel zur Verfügung. Weil sie nicht selbst Hand anlegen, sind ihre Aktivitäten legal. Beihilfe zum Suizid wird in Deutschland nicht bestraft, weil die Haupttat - die Selbsttötung - nicht strafbar ist.
Stärkung der Hospizarbeit und Palliativmedizin
Teile der Union wollen aber zumindest versuchen, organisierte Sterbehilfe auf diesem Weg zu unterbinden. "Wir brauchen ein wirksames Verbot, das nach allen bisherigen Prüfungen nicht ohne Präzisierungen im Strafrecht auskommt", sagt der CDU-Abgeordnete Michael Brand. "Drei Bereiche müssen geregelt werden: Vereine, die mit dem Tod Geld verdienen wollen, außerdem die derzeit aktive Einzelpersonen, die in der Tat durchs Land reisen und mit der Verabreichung einer tödlichen Dosis glauben Gutes zu tun, und auch diejenigen Ärzte, die Sterbehilfe in organisierter Form anbieten." Gleichzeitig plädiert Brand für eine Stärkung der Hospizarbeit und Palliativmedizin.
Am striktem Kurs beim Verbot, wie es Brand fordert, der für seine Fraktion die Debatte koordinieren soll, reiben sich inzwischen andere. Bundestagsvizepräsident Peter Hintze (CDU) sagte in dieser Woche in einem Zeitungsinterview, er halte es für geboten, dass Menschen selbst entscheiden dürfen, ob sie in einer ausweglosen Situation entsprechende Hilfe in Anspruch nehmen wollen.
Arztlich assistierter Suizid als Sonderfall
Und auch in der SPD gibt es verbreitete Skepsis gegenüber einem strikten Verbot, das nicht nur Sterbehilfevereine, sondern auch Ärzte umfasst. Die Abgeordneten Carola Reimann und Burkhard Lischka sprachen sich dafür aus, für Ärzte Freiräume zu erhalten.
Der ärztlich assistierte Suizid ist dabei ein Sonderfall innerhalb der Debatte. Gesetzlich ist für Ärzte wie für jeden anderen auch die Suizidbeihilfe erlaubt. Die Bundesärztekammer hat dies jedoch in der Musterberufsordnung verboten. Nicht alle Ärzte sind damit
einverstanden: 2012 gab das Berliner Verwaltungsgerichts einem Mediziner recht, der der Auffassung war, das Verbot könne nicht uneingeschränkt gelten.
Bei der Kirchenbeauftragten der SPD-Fraktion, Kerstin Griese, stößt es auf Ablehnung, den Ärzten jeglichen Freiraum zu geben und alles selbst regeln zu lassen. "Das halte ich für eine zu große Öffnung hin zur aktiven Sterbehilfe", sagt sie. Sie plädierte für einen Weg in der Mitte "zwischen strafrechtlichem Verbot und völliger Liberalisierung".
Josef Girshovich, Autor und Mitarbeiter des CDU-Bundestagsabgeordneten Jan-Marco Luczak, verfolgt die Debatte hinter den Kulissen des Parlaments. Kürzlich veröffentlichte er ein Essay mit einem Plädoyer gegen Sterbehilfe. "Nach meiner Überzeugung steht das Leben über der Würde des Menschen", sagt er. Er lehne Selbsttötung ab. Andererseits sagt Girshovich: "Das bedeutet aber nicht, dass wir dies anderen vorschreiben dürfen. Wir können es nur vorleben."
Fraktionsübergreifende Konferenz zu dem Thema
Wann die Pläne im Bundestag konkret werden, ist noch nicht absehbar. Nach Angaben von Michael Brand ist für den späten Herbst eine fraktionsübergreifende Konferenz zu dem Thema geplant. Erst danach könnten sich Gruppen formieren und konkrete Anträge formuliert werden. Mit der Abstimmung über ein Gesetz rechnet Brand erst in einem Jahr.
Der Linkspartei-Politiker Harald Weinberg plädiert indes für genügend Zeit. Es gelte: "Erst einmal genau hinschauen und evaluieren und keine Schnellschüsse", sagt er. Dies betreffe die Frage von Sterbehilfevereinen und die nach dem ärztlich assistierten Suizid.
Jetzt sei erst einmal die Zeit, Erfahrungen damit aus anderen Ländern auszuwerten.