Die Herrschaft der Deutschen in Namibia

Operation "Sargdeckel"

Deutsch-Südwestafrika wurde im Ersten Weltkrieg als Kolonie aufgeben - das war am Donnerstag vor 100 Jahren. Während der Kolonialherrschaft wurden dort Angehörige der Völker der Herero und Nami verfolgt und umgebracht.

Autor/in:
Joachim Heinz
Gedenkstein für die Opfer der deutschen Kolonialherrschaft im heutigen Namibia auf dem Garnisonsfriedhof in Berlin am 7.7.15 (dpa)
Gedenkstein für die Opfer der deutschen Kolonialherrschaft im heutigen Namibia auf dem Garnisonsfriedhof in Berlin am 7.7.15 / ( dpa )

Die Operation mit dem passenden Namen "Sargdeckel" sollte das Schicksal von Deutsch-Südwestafrika im Ersten Weltkrieg besiegeln. Statt wie ursprünglich vorgesehen im namibischen Niemandsland die südafrikanischen Unionstruppen am weiteren Vorrücken zu hindern, mussten sich die deutschen Verteidiger auf ihren Ochsenkarren der erdrückenden Übermacht aus Panzerwagen und schwerer Artillerie geschlagen geben. Am 9. Juli 1915, vor 100 Jahren, unterzeichnete der letzte Gouverneur Theodor Seitz schließlich die Kapitulation. Die Geschichte der ersten deutschen Kolonie endete mit Kanonendonner - genau so, wie sie am 7. August 1884 begonnen hatte

Damals waren es allerdings Salutschüsse auf Kaiser Wilhelm I., die in der Meeresbucht von Angra Pequena widerhallten. Auf Betreiben des Bremer Tabakhändlers Adolf Lüderitz wurde die dünn besiedelte Region an der afrikanischen Atlantikküste samt Hinterland "bis zu einer Ausdehnung von 20 geografischen Meilen landeinwärts" mit militärischem Pomp "unter den Schutz und die Oberherrlichkeit Seiner Majestät" gestellt. Bereits eineinhalb Jahre zuvor hatte Lüderitz' Mittelsmann Heinrich Vogelsang in einem windigen Geschäft mit dem Nama-Häuptling Joseph Fredericks die territoriale Grundlage für das deutsche "Schutzgebiet" gelegt.

Erwarteter Wohlstand blieb aus

Während Fredericks lediglich die englische Meile, umgerechnet rund 1,6 Kilometer, als Maßstab kannte, legte Vogelsang bei den Vertragsgesprächen die deutsche Einheit von 7,4 Kilometer zugrunde und erwarb auf diese Weise ein Gebiet, das sogar die Landfläche des Reiches übertraf. Ein Faktum, das der dolmetschende Missionar der evangelischen Rheinischen Mission den afrikanischen Verhandlungspartnern wohlweislich verschwieg. Entschädigt wurde der Nama-Häuptling schließlich mit insgesamt 600 Pfund Sterling und 260 Gewehren. Leichtes Spiel für Lüderitz, der es nicht zuletzt im illegalen Waffenhandel zu beträchtlichem Reichtum gebracht hatte.

Der von den neuen Siedlern aus dem fernen Europa erhoffte Wohlstand ließ freilich auf sich warten. Der Anbau von Kulturpflanzen erwies sich als wenig lohnend; eine Rinderpest führte 1897 zu einer wirtschaftlichen und sozialen Krise. Hinzu kam, dass sich die Kolonialherren in immer neuen kostspieligen militärischen Auseinandersetzungen mit den beiden größten Bevölkerungsgruppen, den Nama und den Herero, verzettelten.

Die Konflikte kulminierten in einem grausamen Vernichtungskrieg, bei dem zwischen 1904 und 1908 Zehntausende Angehörige beider Völker ums Leben kamen. Die Deutschen tun sich schwer mit diesem düsteren Erbe. Eine offizielle Entschuldigung oder gar eine Entschädigung hat es bis heute nicht gegeben. Bundestagspräsident Norbert Lammert (CDU) hat die Massaker deutscher Truppen an der einheimischen Bevölkerung als "Völkermord" bezeichnet. "An den heutigen Maßstäben des Völkerrechts gemessen war die Niederschlagung des Herero-Aufstands ein Völkermord", schrieb Lammert in einem Beitrag zum 100. Jahrestag des Endes der deutschen Kolonie für die Wochenzeitung "Die Zeit". Der Krieg der deutschen Truppen sei eine "Rassekrieg" gewesen.

Vorübergehende Blütezeit

In Deutsch-Südwestafrika witterten manche Siedler nach den blutigen Kämpfen das ganz große Geschäft. Diamantenfunde im Hinterland von Angra Pequena, inzwischen in Lüderitzbucht umbenannt, sorgten für eine vorübergehende Blütezeit der Kolonie. Kolmanskuppe heißt der Ort unweit der ersten Schürfstätten, der wohl am besten den Wahnwitz jener kurzen Phase verdeutlicht. Noch heute ist die seit den 1950er Jahren verlassene Geisterstadt inmitten der Namib-Wüste dank des trockenen Klimas nahezu unversehrt erhalten.

Mit schier unglaublicher Geschwindigkeit stampften hier ab 1908 die Kolonisten eine Mustersiedlung aus dem staubigen Boden - inklusive Kegelbahn, Kraftwerk und Krankenhaus mit dem ersten Röntgenapparat des südlichen Afrika. Auch der kostengünstige Abbau des begehrten Minerals wurde dank deutscher Organisationskunst umgehend geregelt. Weil die arbeitsfähigen Herero und Nama kurz zuvor fast alle ausgerottet worden waren, warben die Minenbetreiber kurzerhand Wanderarbeiter unter anderem aus dem weiter nördlich gelegenen Ovambo-Gebiet an. Die Zwölf-Stunden-Schichten an sieben Tagen in der Woche forderten ihren Tribut: In den Minen bei Kolmanskuppe soll unterschiedlichen Angaben zufolge ungefähr jeder zehnte Arbeiter an Erschöpfung gestorben sein.


Quelle:
KNA , dpa