Was glauben Sie, wie viele Jugendliche zumindest manchmal beten? 75 Prozent der Jugendlichen! Mich hat diese Zahl wirklich überrascht. Denn gleichzeitig bezeichnen sich nur etwa 20 Prozent bei uns in Deutschland als "religiös". Die aktuelle Studie zeigt also: Viele Jugendliche lehnen alles Religiöse – also Religion und Kirche ab. Aber sie bezeichnen sich dennoch in der Mehrheit als "gläubig" und beten mehr oder weniger regelmäßig.
Für uns als Kirche ergeben sich daraus zwei klare Botschaften. Vielleicht zuerst die nicht so gute Nachricht: Mit der Kirche, mit uns Priestern und Bischöfen, mit unseren Gottesdiensten – ja mit unserer Kirchensprache können Jugendliche immer weniger etwas anfangen. Aber die gute Nachricht: Die jungen Menschen sind deshalb nicht mehrheitlich vom Glauben abgefallen. Sie glauben an Gott und beten.
Mir macht das Mut! Denn die Jugendlichen erleben auch heute Gottes Gegenwart und Nähe. Und wenn sie beten, dann sind sie mit Gott im Gespräch. Hier können wir als Kirche ansetzen und besser werden. Wir müssen uns bemühen, die Sprache, die Fragen, die Sorgen und die Nöte der Jugend besser zu verstehen. Jugendliche stellen sich heute wie damals ganz verstärkt die Sinnfrage: Was ist der Sinn meines Lebens? Wozu bin ich auf Erden? Was ist für mich der richtige Weg? Hier haben wir Christen eine jahrtausendlange Erfahrung, die wir weitergeben können. Es muss uns nur gelingen, von dieser seit Urzeiten erprobten Weggemeinschaft mit Gott besser zu erzählen. Denn diese Weggemeinschaft ist eine unendliche Liebesgeschichte. Sie erzählt von der nie aufhörenden Liebe Gottes zu uns Menschen! Darauf aber dürfen sich Jung und Alt gleichermaßen verlassen!
Ihr Rainer Woelki
Erzbischof von Köln