Die KAB in Bayern wird 125

"Wir werden weiter unbequem bleiben"

"Lernen wir die Solidarität zu leben. Ohne die Solidarität ist unser Glaube tot", sagt Papst Franziskus. Vor 125 Jahren zeigte ein Münchner Pfarrer bereits großen Einsatz für Arbeiter. Auf ihn geht die Katholische Arbeitnehmer-Bewegung zurück.

Erzbischof Reinhard Kardinal Marx (KNA)
Erzbischof Reinhard Kardinal Marx / ( KNA )

Pfarrer Lorenz Huber (1862-1910) war ein weitblickender Mann. Am 12. Oktober 1891 gründete er mit Gleichgesinnten in München den ersten überregionalen Zusammenschluss katholischer Arbeitervereine. Das Jubiläum und damit ihren 125. Geburtstag beging die Katholische Arbeitnehmer-Bewegung (KAB) Bayern am Wochenende mit einem großen Fest, das sich auch Kardinal Reinhard Marx nicht entgehen ließ.

Kirche als Hoffnungsstimme für die Menschen

Der Vorsitzende der Deutschen Bischofskonferenz erinnerte dabei an die Bedeutung der katholischen Soziallehre für die Gegenwart. Sie sei ein "großer Schatz" und ein auf die jeweilige Situation angewandtes Evangelium. Die Kirche trete für "Recht und Gerechtigkeit in der modernen Gesellschaft, in der Industriegesellschaft, in der kapitalistischen Gesellschaft" ein. Dabei gelte es, immer wieder neu auf die Herausforderungen der jeweiligen Zeit zu reagieren, fügte der Münchner Erzbischof hinzu.

Heute seien dies unter anderem "die wachsende Ungleichheit, die Spaltung, die Finanzkrise, die eigentlich dazu hätte führen müssen, dass wir über den Kapitalismus hinausdenken". All dies müsse die Menschen beunruhigen. Die Kirche habe dabei einen Auftrag, "den wir nicht abgeben können", so Marx. Sie müsse stets die "Stimme der Hoffnung für alle Menschen" sein.

Fürsorge reicht nicht aus

Als Pionier des deutschen Sozialkatholizismus steht Huber nach dem Urteil von Historikern in einer Reihe mit "Gesellenvater" Adolph Kolping (1813-1865) und dem Mainzer "Arbeiterbischof" Wilhelm Emmanuel von Ketteler (1811-1877).

Den Pfarrer, der sein ererbtes Vermögen für den Bau von Eisenbahnerwohnungen einsetzt, treibt die Einsicht, dass Fürsorge und Selbsthilfe allein das Elend der Arbeiter im Zeitalter der Industrialisierung nicht ausreichend lindern können. Organisieren, politisch agieren, für Rechte kämpfen, lautet das Gebot der Stunde. Als Huber zur Tat schreitet, ist die erste Sozialenzyklika eines Papstes, "Rerum novarum" von Leo XIII., nur wenige Monate alt.

Bewegung wächst nicht von allein

Katholische Arbeitervereine gibt es in Deutschland seit 1849, der älteste Zusammenschluss ist der Sankt-Josephs-Arbeiter-Unterstützungsverein in Regensburg, der über eine eigene Unterstützungskasse seinen Mitglieder bei Krankheit, Arbeitslosigkeit und Invalidität unter die Arme greift. Doch es braucht Zeit, bis aus solchen Einzelinitiativen eine Bewegung heranwächst.

Zu unterschiedlich sind die Auffassungen über die Ziele einer katholischen Sozialreform: Soll man den Schwerpunkt nicht eher auf Bildung und sittlich-religiöse Ertüchtigung setzen? Sind Sozialisten und Gewerkschaften Verbündete oder Konkurrenten? Sind Streiks zur Durchsetzung von Arbeiterinteressen zulässig? An Differenzen über solche Fragen scheitert zunächst ein gesamtdeutscher Zusammenschluss. Dieser wird erst 1921 in Würzburg vollzogen.

1891, im Gründungsjahr, gehören dem süddeutschen Verband 5.000 Mitglieder an, 1903, im Jahr von Hubers Rücktritt als Präses, sind es bereits 80.000, inzwischen machen auch die Bistümer Freiburg und Rottenburg mit. Über einen von Huber in der katholischen Zentrumspartei gegründeten Wahlverein schafft es 1899 der erste katholische Arbeiter in den Bayerischen Landtag. Auch das 1894 eröffnete erste deutsche Arbeitsamt in München geht auf die Initiative des "bayerischen Ketteler" zurück.

Schon in der Weimarer Republik beteiligen sich Repräsentanten der katholischen Arbeiter an der Ausarbeitung von Sozialreformen. In der Bundesrepublik streiten sie mit Erfolg für die Einführung eines Kindergeldes, die Lohnfortzahlung im Krankheitsfall oder die Anrechnung von Erziehungszeiten auf die Rente.

Gutes Leben muss für alle möglich sein

Die KAB, die erst seit 1971 so heißt, berät nicht nur ihre eigenen Mitglieder in arbeits- und sozialrechtlichen Fragen. KAB-ler sind als Betriebsseelsorger und ehrenamtliche Richter an Arbeitsgerichten tätig. In einem Bündnis mit evangelischen Kollegen und Gewerkschaftern engagiert sich der Verband gegen eine Ausweitung der Sonntagsarbeit. Freihandelsabkommen wie CETA und TTIP sieht die KAB kritisch.

Mindestlohn, Leiharbeit, zunehmende Automatisierung - so schnell gehen der KAB die Themen nicht aus. Ein gutes Leben muss für alle möglich sein und nicht nur für wenige Privilegierte. Diese Überzeugung verbindet ihre rund 50.000 Mitglieder in Bayern. Im Kampf für soziale Gerechtigkeit werde die KAB daher weiter unbequem sein, kündigt ihr Landesvorstand an. Dies sei ja auch ein zentrales Anliegen von Papst Franziskus.

Christoph Renzikowski und Bernd Buchner


Quelle:
KNA