DOMRADIO.DE: "Maria, schweige nicht", heißt die Aktion, die gestern gestartet ist. Wozu haben Sie denn nicht geschwiegen?
Dorothee Sandherr-Klemp (Geistliche Beirätin im Katholischen Deutschen Frauenbund): Wir haben gestern nicht geschwiegen zur real existierenden Ungleichheit in der Kirche, wir wollen aber vor allem einen Prozess in Gang setzen. Mit der Aktion "Maria 2.0", die ja eine große Bekanntheit und Popularität erreicht hat, teilen wir voll und ganz das Anliegen echter Geschwisterlichkeit in der Kirche, die wirklich bitter nottut. Wir sind ein großer Frauenverband, der sich seit 1903 für gleichberechtigte Teilhabe einsetzt. Und wir wollen jetzt mit den Möglichkeiten unseres Verbandes und aus dem Verband heraus positive Signale setzen.
Ein Grundgedanke im Christentum ist, dass Männer und Frauen in der Taufe gleich sind. Das ist sozusagen die DNA der Bibel, das ist die christliche DNA. Und als Zeichen dieser Gleichheit haben wir gestern dazu aufgerufen, im Gottesdienst Weiß zu tragen: ein weißes Kleidungsstück, einen weißen Schal oder ein weißes Accessoire. Und das ist erst der Beginn. Wir wollen an jedem ersten Sonntag im Monat mit einem weißen Accessoire in die Kirche gehen, um sichtbar zu werden. Wir verstehen das wirklich als eine Art Graswurzelbewegung.
DOMRADIO.DE: Eine wichtige Forderung ist diese ernsthaft geschwisterliche Kirche. Haben Sie das denn auch im Gottesdienst thematisieren können?
Sandherr-Klemp: Ich denke tatsächlich, dass das auch in Zukunft möglich sein wird, es im Gottesdienst zu thematisieren. Ich habe zum Beispiel von Kirchen gehört, in denen unser Donnerstagsgebet als Meditation eingesetzt wurde, um unsere Botschaft deutlich zu machen. In meiner Gemeinde ist eine ganze Reihe von Menschen mit weißer Kleidung oder mit einem weißen Accessoire gekommen und wir haben die Zeit nach dem Gottesdienst genutzt, um miteinander ins Gespräch zu kommen. Einfach weil wir als Gruppe sichtbar waren, aufgefallen sind.
DOMRADIO.DE: Was sind die zentralen Forderungen?
Sandherr-Klemp: Im Oktober 2018 hat die Bundesdeligiertenversammlung des deutschen katholischen Frauenbundes einstimmig die Weihe aller Getauften und Gefirmten gefordert – Zugang zu allen Weiheämtern. Es wird zu einer Überlebensfrage der Kirche, Frauen und Männer in gleicher Weise in geistliche Verantwortung zu nehmen, in gleicher Weise zu beteiligen. Und da erhoffe und erwarte ich auch, dass unsere Bischöfe hier vorangehen werden. Der erste Schritt ist die Weihe der Frauen ins Diakonat, zu Diakoninnen.
Natürlich hören wir auch die Stimmen, die nach den katastrophalen Zahlen der Kirchenstatistik – 30 Prozent mehr Austritte – sagen, Veränderungen bringen nichts, Reformen bringen nichts. Nein, ich glaube, dass ganz viele Menschen, Frauen und Männer, Kleriker und Laien auf dem Weg sind und verstanden haben, dass die Kirche sich wirklich bewegen muss.
DOMRADIO.DE: Der Berliner Erzbischof Heiner Koch hat mit Verweisen auf die evangelische Kirche gesagt, auch Kirchenreformen bringen die Masse nicht zurück. Aber Sie strahlen trotzdem diese Zuversicht aus.
Sandherr-Klemp: Ich finde diesen Verweis auf die evangelische Kirche außerordentlich problematisch. Die Kirchenbindung ist da immer anders gewesen. Man muss sagen, die katholische Kirche hatte wirklich die Pole-Position, war volkskirchlich aufgestellt, hatte vitale Gemeinden – das muss man erst mal an die Wand fahren. Viele Menschen fühlen sich von der Kirche verlassen. Der sexuelle Missbrauch, der Machtmissbrauch, der geistliche Missbrauch – das sind alles Faktoren, die ganz negativ zu Buche schlagen.
DOMRADIO.DE: Aber es wird ja auch theologisch gegen Weiheämter für Frauen argumentiert.
Sandherr-Klemp: Wenn wir an das gestrige Evangelium von Maria und Martha denken: In der patriarchalen Umwelt Jesu war es völlig unüblich, war es skandalös, dass Frauen am theologischen Diskurs beteiligt waren. Jesus ermutigt Maria, genau das zu tun. Und da müssen wir den Umgang Jesu mit Frauen einfach einmal ernst nehmen.
Das Interview führte Andreas Lange.