Die Zeit vor und an Ostern gilt ähnlich wie Weihnachten sowohl für Laien- wie Profichöre als eine Hochzeit des Singens: zahllose Konzerte und Gottesdienste stehen normalerweise an, dafür wird fleißig geprobt und gesungen.

Doch mit dem Lockdown am 22. März 2020 waren alle Planungen obsolet geworden. Von jetzt auf gleich hagelte es Absagen für Konzerte, Gottesdienste und sonstige Auftritte. Das betraf den Kirchenchor mit 60 Mitgliedern ebenso wie Profichöre oder Berufssänger. Neun Monate konnte beispielsweise der Tenor Simon Bode wegen Corona nicht auftreten, erzählte er im September 2021 im Domradio-Interview. Während es für die Berufssängerinnen und Sänger schnell existenzbedrohend wurde, war es auch für die vielen ehrenamtlichen Chöre eine sehr schwere Zeit. Denn bald war klar: besonders beim Singen werden Aerosole ausgestoßen, die das Corona-Virus verbreiteten. Damit war Chorgesang erst mal nicht mehr möglich.

Der Kölner Domkapellmeister Eberhard Metternich, der im Sommer 2025 nach 38 Dienstjahren in den Ruhestand gehen wird, erinnert sich noch genau an die Ankündigung des Lockdowns: "Das hatte für uns unmittelbare Konsequenzen, denn wir hätten an dem Wochenende mit dem Domchor in der Oper gesungen und ein Konzert in der Philharmonie gehabt – mit den Mozartmessen, die wir vorher auf CD aufgenommen hatten. Es war genau dieses Wochenende, an dem zwei Zielpunkte für uns erreicht worden wären, die dann eben abgesagt werden mussten."
Ob am Kölner Dom oder in Pfarreien wie beispielsweise in Bensberg, wo ein festlicher und lang geplanter Gottesdienst mit allen Chören kurzfristig abgesagt werden musste; mit dem Lockdown verloren die Chöre nicht nur die Gelegenheit zu singen, sondern auch die Gemeinschaft, die vor allem für Laienchöre meist genauso wichtig ist wie die Musik selbst.
Digitale Proben und viele Videos
Über Monate war an Proben oder Auftritte gar nicht zu denken. Die Chorleiterinnen und Chorleiter versuchten auf verschiedenen Wegen Kontakt zu halten, doch mit dem Fortdauern der Pandemie fiel das mancherorts immer schwerer.

Das Erzbistum Köln stellte mehrere Server zur Verfügung, damit mit einer speziellen Software wenigstens Proben über den digitalen Weg möglich war. Singen über Zoom oder Teams war aufgrund der zeitlichen Verzögerung kaum möglich. Mit der Software Jamulus konnten Chormitglieder auch mit wenig technischer Ausrüstung zumindest digital wieder gemeinsam singen.
Sehr kreativ zeigten sich viele Chöre darin, einzeln Lieder einzusingen und daraus einen gemeinsamen, virtuellen Chor entstehen zu lassen, der dann als Video auf Youtube veröffentlicht wurde.
Doch all die digitalen Formen konnten das "echte" Singen in der Gruppe und das soziale Miteinander nur mäßig ersetzen. Als dann mit Abstand oder Masken Singen wieder möglich war, scheiterten viele Chöre an zu kleinen Probensälen – die vorgeschriebenen Abstände waren oft nicht einzuhalten. Der Jugendchor St. Stephan in Köln kam auf die Idee, in einem Kölner Parkhaus zu üben – mit hervorragender Akustik, erinnert sich der Leiter Michael Kokott. Das klang fast wie im Kölner Dom, erzählt er mit einem Schmunzeln gegenüber DOMRADIO.DE.
Mühsamer Kampf ums Singen mit Abstand
Andere Kirchenchöre probten in der Kirche, weil da mehr Platz war als im Pfarrheim. Doch der Kampf ums Singen in Präsenz war mühsam, auch auf der politischen Ebene, erinnert sich Domkapellmeister Eberhard Metternich.

Die Domkapellmeister der fünf Bistümer in Nordrhein-Westfalen hätten sogar beim damaligen Ministerpräsidenten Armin Laschet vorgesprochen, um bessere Probenmöglichkeiten zu erwirken, erzählt Metternich. Jede neue Pandemie-Entwicklung bedeutete damals viel Aufwand für die Chöre: "Wenn ich mir überlege, wie viele Stunden ich zugebracht habe, um jede neue Corona-Schutzverordnung durchzulesen und klären musste: Was kann man jetzt machen und was ist jetzt erlaubt und was geht jetzt nicht? Das hat eine Zeit aufgefressen, die ich heute zum Teil als vergeudete Zeit betrachte."

Im zweiten Halbjahr 2021 und Anfang 2022 kehrten die meisten Chöre nach und nach wieder vorsichtig in die Präsenz-Proben zurück, häufig mit je aktuellen Corona-Tests und immer noch mit Abstand.
Chöre haben Mitglieder verloren
Auch wenn mittlerweile Proben wie vor der Pandemie wieder möglich sind, kämpfen die Chöre mit den Folgen. Ältere Chormitglieder hätten mit dem Singen ganz aufgehört, Kinder- und Jugendchöre hätten ganze Jahrgänge verloren, berichtete schon im Jahr 2022 der damalige Kölner Erzdiözesankirchenmusikdirektor Richard Mailänder. Um rund 30 Prozent seien die Mitgliederzahlen gesunken, schätzte Mailänder damals. Vor allem für kleinere Kirchenchöre mit älteren Mitgliedern war die Pandemie für den Fortbestand des Chores eine große Herausforderung.

Auch fünf Jahre nach dem ersten Lockdown sind die Nachwirkungen zu spüren. Etwa ein Viertel der Mitglieder hat beispielsweise der Jugendchor St. Stephan in Köln verloren, meint Chorleiter Michael Kokott. Dabei habe sein Chor Corona noch vergleichsweise gut überstanden. Ähnliches weiß Domkapellmeister Eberhard Metternich von seinem Knabenchor am Kölner Dom zu berichten: "Bei uns hat Corona natürlich zu einem gewissen Einbruch geführt, den wir jetzt noch spüren, auch fünf Jahre später."

Und so ist es kein Wunder, dass wohl die allermeisten Sängerinnen und Sänger eher ungern auf die Corona-Jahre zurückblicken. Eberhard Metternich weiß in der Rückschau zu schätzen, dass beispielsweise das Domkapitel ein sehr großes Extra-Podest in der Nordquerhaus des Kölner Domes einbauen ließ, damit die Chöre am Dom schon recht früh unter Einhaltung der Abstände wieder im Gottesdienst singen konnten. Und ihm ist der Wert der Musik für Zuhörer nochmals besonders deutlich geworden: "Mir geht es darum, dass die Menschen durch die Musik berührt werden und etwas mitnehmen, dass ihnen bei ihren persönlichen Sorgen helfen kann."