Warum Deutsche gerne ins belgische Banneux pilgern

Die kleine Schwester von Lourdes

Am Michaelstag am kommenden Wochenende pilgern viele hundert Menschen aus dem Erzbistum Köln ins belgische Banneux. Der Rektor des Wallfahrtsorts, Leo Palm, über die Botschaft des Ortes und seine Bedeutung für die Deutschen.

Heiligenstation mit Muttergottes in Banneux / © Alexander Brüggemann (KNA)
Heiligenstation mit Muttergottes in Banneux / © Alexander Brüggemann ( KNA )

DOMRADIO.DE: Den Wallfahrtsort Lourdes kennt ja jeder. Banneux ist nicht ganz so bekannt. Was ist denn das Besondere an Banneux?

Leo Palm (Rektor von Banneux): Ich sage immer, Banneux ist eigentlich die kleine Schwester von Lourdes. Und wie so oft ist die kleine Schwester weniger berühmt als die große. Aber, wenn man sich den Wallfahrtsort und die Botschaft etwas näher anschaut, kommt man zu der Feststellung: Ja, eigentlich ist die Botschaft praktisch dieselbe, vielleicht nur im Kleinformat. 

DOMRADIO.DE: Und wie lautet die Botschaft?

Palm: Dass die Mutter Gottes eine Quelle für sich vorbehalten hat. Sie bittet alle Nationen, zu dieser Quelle zu pilgern und die Hände ins Wasser zu tauchen. Wahrscheinlich will sie uns dadurch an unsere Taufe erinnern. Sie gibt den Kranken einen Ehrenplatz. Ich denke, diese Charakteristika zeigen doch schon, dass zwischen Banneux und Lourdes eigentlich eine Verwandtschaft besteht.

DOMRADIO.DE: Es gibt ja auch eine besondere Beziehung zwischen Banneux und Köln. Wie ist die denn entstanden?

Palm: Ich würde sagen, es gibt eine besondere Beziehung zwischen Banneux und eigentlich ganz Deutschland. Die Muttergottes hat gesagt, die Quelle sei für alle Nationen. Das sagt sie konkret im Januar 1933, also zu dem Zeitpunkt, als Adolf Hitler die Macht ergreift. Man hat so ein bisschen das Gefühl, die Muttergottes hält dagegen - gegen diese nationalistische Ideologie, die zum Zweiten Weltkrieg geführt hat.

Nach dem Krieg hat einer der Kapläne, die hier arbeiteten, sich gesagt: Eigentlich liegt Banneux ganz in der Nähe aller Grenzen. Deutschland ist nicht weit weg. Frankreich ist in der Nähe, die Niederlande und Luxemburg. Und wenn die Muttergottes schon gesagt hat, sie erwarte alle Nationen an der Quelle, dann müsste doch Richtung Deutschland eine besondere Einladung ergehen. Dieser Kaplan hat sich dann an Bundeskanzler Adenauer gewandt und wurde prompt nach Bonn eingeladen. Dort hat er dann dem Kanzler erzählt, was Banneux ist.

Kanzler Adenauer war wirklich angetan von dem, was er hörte und hatte plötzlich einen Gedanken: In Rhöndorf, in dem Dorf wo er während des Krieges praktisch im Exil gewesen ist, weil man ihn ja als Bürgermeister von Köln verjagt hatte, steht eine kleine Kapelle. Dort wurde während des ganzen Zweiten Weltkriegs jeden Tag Rosenkranz gebetet für alle Kriegsgefangenen, gleich welcher Nation. Dem Kanzler ist unmittelbar aufgefallen, dass diese Vorgehensweise in Rhöndorf doch eigentlich dem entspricht, was die Muttergottes in Banneux erhofft. Denn sie sagt: Betet viel. Sie hat zwar die Anliegen nicht benannt, aber nach dem Krieg war natürlich eines der Anliegen, dass in Europa Versöhnung, Frieden und vielleicht sogar Freundschaft zwischen den Ländern und den Nationen entstehen könnten.

DOMRADIO.DE: Also, das ist auch der Grund, warum Banneux eigentlich für den europäischen Frieden steht?

Palm: Genau. Die Michaelskapelle hat auch noch einen zweiten Schutzpatron, nämlich die Heilige Johanna von Orleans. Das war ein ausdrücklicher Wunsch von Kanzler Adenauer. Denn wir wissen ja, dass er einen besonderen Draht zu Frankreich hatte und auch davon ausging, wenn sich Frankreich und Deutschland nicht versöhnen, wird es in Europa wohl nie Frieden geben. Schließlich hatten diese zwei Nationen innerhalb von hundert Jahren dreimal Krieg geführt. 

DOMRADIO.DE: Der Michaelstag ist ganz besonders der Tag der Deutschen in Banneux. Warum denn?

Palm: Wir sind natürlich froh, dass die ganze Pilgersaison über viele Deutsche nach Banneux pilgern. Aber der Michaelstag wurde wirklich zum Tag der Deutschen, weil die Michaelskapelle am Michaelstag 1960 eingeweiht worden ist. Damals waren über 15.000 Pilger vor Ort. Gleichzeitig war am Mont Saint Michel in Frankreich auch ein Pilgertag, ein Gebet für die Versöhnung in Europa. Dieser Michaelstag 1960 hat dann wirklich Geschichte geschrieben. Seitdem gibt es in Banneux alljährlich diesen Michaelstag. Wir laden dann einen Bischof oder Weihbischof aus Deutschland ein. Eine besondere Einladung ergeht auch an alle Pilger, und bisher sind wir sehr froh, dass die Pilger dieser Einladung nachkommen.

DOMRADIO.DE: Wie viele Pilger kommen denn ungefähr?

Palm: Natürlich ist die Zahl rückläufig, aber wenn es gut geht, erwarten wir 2.000 bis 2.500 Pilger.

Das Interview führte Heike Sicconi.


Quelle:
DR