Für Andreas Hupke war es ein Schock gewesen, als er in den 1970er Jahren den Kölner Dom das erste Mal mit der neuen Domplatte sah. Der heutige Bürgermeister für den Bezirk Kölner Innenstadt hatte als Jugendlicher noch den Dom ganz anders erlebt: "Ich kann mich noch sehr gut an den Aufgang der Treppen zum Dom erinnern. Dadurch strahlte der Dom eine Wahnsinns-Würde aus, es war ein imposantes Gebäude." Doch die Domplatte hat der Kathedrale viel von ihrer Würde genommen, meint der evangelisch getaufte Bürgermeister. Er sagt zu Domplatte in der heutigen Gestalt: "Das war klar ein städtebaulicher Fehler!"
Das Auto unter dem Hauptaltar parken
Ähnlich kritisch sieht der langjährige Bürgermeister den starken Verkehr rund um den Dom, vor allem die breiten Straßen, die zum Dom führen. Und: "Man muss sich das mal klarmachen: die Domplatte ist vor allem deswegen gebaut worden, damit man zwei Tiefgaragen dort unterbringen konnte. Das ermöglicht den Autofahrern fast unter dem Altar zu parken. Und das geht einfach nicht." Der ehrenamtliche Politiker kommt sich beim Thema Domumgebung und Verkehr manchmal wie Don Quichotte beim Kampf gegen die Windmühlen vor. Die autoegerechte Innenstadt sei das Ideal der 1960er Jahre gewesen. Das heute zu ändern, sei sehr schwer. Die Innenstadt müsse aber der Kultur, den Menschen gehören und nicht dem Verkehr.
Bimmelbahn, Touristenbusse und die Kreuzblume
Bei Touristen sehr beliebt ist das Motiv der Kreuzblume – die steht auf dem Kardinal-Höffner-Platz am Rande der Domplatte mit Blick auf die Westfassade, dem Haupteingang des Domes. Doch dieser Bereich um die Kopie der Domspitzen gilt als besonders problematisch. Eine Bimmelbahn, Touristenbusse und Taxis verstopfen die Straße vor dem Kardinal-Höffner-Platz, eine Vielzahl von Straßenbelägen und unansehnliche Poller schmälern erheblich die Aufenthaltsqualität.
Vandalismus und Raketen auf den Dom
Die Verkehrssituation rund um den Dom stört auch den Kölner Dombaumeister. Peter Füssenich hat sein Büro im sogenannten Kurienhaus, direkt am Roncalliplatz, der an der Südseite des Dom liegt. Den Chef der Dombauhütte macht aber vor allem der Vandalismus an der Kathedrale zu schaffen. Immer wieder brechen Touristen oder sonstige Besucher Teile der Fassade ab. Die Folgen sind gravierend: "Wenn zum Beispiel eine kleine Fiale oder ein Figürchen an einem der Baldachine als Souvenir abgebrochen werden, dann dauert es mitunter ein Jahr, bis der Steinmetz den Schaden am Baldachin behoben hat", erklärt der Dombaumeister. Auch das Abfeuern von Raketen an Silvester sorgt immer wieder für Schäden. Das Phänomen sei aber nicht erst seit den schrecklichen Übergriffen auf Frauen beim Jahreswechsel 2015/16 aufgetreten, sagt Füssenich. Vor einigen Jahren hatte eine Rakete ein Fenster durchschlagen. Feuerwerk ist eigentlich rund um den Dom gar nicht zulässig: "Es gibt ja eine eindeutige gesetzliche Lage: Im Umfeld von Kirchen dürfen keine Raketen abgefeuert werden. Man müsste es nur durchsetzen." Ein weiteres Problem sind die Wildpinkler. Denn die verletzen nicht nur die Würde des Gotteshauses, sondern beschädigen auch die Fassade. Deswegen hat Dompropst Gerd Bachner einen temporären Bauzaun aufbauen lassen, um den Bereich an der Nordseite hin zum Hauptbahnhof nachts zu schützen. Eventuell muss der Dom weitergehend geschützt werden, sagt Füssenich: "Da sind wir in verschiedenen Überlegungen, ob man dort dauerhaft ein künstlerisch gestaltetes Gitter aufstellt, um die Portale zu schützen. Da sind wir derzeit in Gesprächen." Tagsüber soll ein möglicher Zaun natürlich geöffnet werden für die Besucher des Domes.
Neue Historische Mitte
Ebenfalls in der Planungsphase ist die sogenannte Historische Mitte. Die Stadt prüft derzeit noch die Realisierbarkeit. Das Kurienhaus, in dem der Dombaumeister und die Verwaltung des Domes und das Dombauarchiv untergebracht sind, ist marode – ebenso wie das dahinter liegende Verwaltungsgebäude des Römisch-Germanischen Museums. Außerdem muss das Kölnische Stadtmuseum dringend renoviert werden. Deswegen gibt es Überlegungen, an dieser Stelle ein komplett neues Gebäude zu errichten, das von Kirche und Stadt gebaut wird. Die geplante Bündelung der drei Institutionen Römisch-Germanisches Museum, Kölnische Stadtmuseum und Kirche soll die zweitausendjährige Geschichte der Stadt Köln sowie des Kölner Doms an historischer Stelle dokumentieren – im Moment läuft ein Architektenwettbewerb, dessen Ergebnisse im Herbst präsentiert werden sollen. "Ich bin schon sehr auf die Resultate gespannt", sagt Füssenich, der selber Architekt ist und überzeugt ist, dass durch einen qualitätsvollen Neubau die Domumgebung aufgewertet wird.
Roncalliplatz soll Ort zum Verweilen werden
Auch Michael Hoffmann als Präsident des Zentral-Dombauvereins (ZDV) freut sich über die Pläne für die Historische Mitte. Er hat aber noch weitergehende Ideen für diesen Bereich, vor allem für den Roncalliplatz. Er würde am liebsten einen fast durchgehenden Gebäuderiegel in Verbindung mit dem Domhotel und dem Neubau errichten lassen. Dadurch könnte eine Art Piazza mit Außengastronomie an der Südseite des Domes entstehen. "Man könnte da eine tolle Atmosphäre vor allem im Sommer auch durch etwas mehr Grün schaffen", ist Hoffmann überzeugt.
Ostseite mit Baptisterium als Beispiel für gelungene Neugestaltung
Im Zuge der Übergriffe in der Silvesternacht wurde die Beleuchtung an der Domplatte verbessert und die Präsenz der Polizei erhöht. Doch vor allem die Neugestaltung der Ostseite, der Rückseite des Domes findet das einhellige Lob von Bürgermeister Hupke, Dombaumeister Füssenich und ZDV-Präsident Michael Hoffmann. Der Tunnel vom Hauptbahnhof hin zur Philharmonie wurde verkürzt und sehr hell renoviert, vor allem der Bereich um das Baptisterium, einer frühchristlichen Taufstelle aus dem 6. Jahrhundert unterhalb des Domes, wurde komplett neu gestaltet. "Es war ein doch sehr vernachlässigter Bereich, durch den man sich kaum noch getraut hat. Nun ist es ein sehr offener und heller Stadtraum", lobt Dombaumeister Füssenich. Lange 14 Jahre hat es gedauert bis die Ostseite neu gestaltet wurde. Die Bauarbeiten sind kurz vor dem Abschluss. Auch ZDV-Präsident Hoffmann hadert mit der Langsamkeit von Politik und Verwaltung in Köln – doch immerhin tut sich mittlerweile etwas um den Dom.
Absenken der Domplatte technisch möglich
"Gebt dem Dom die Füße zurück!" – diese Forderung hört Dombaumeister Füssenich immer wieder. Gemeint ist, dass man nicht mehr wie seit Fertigstellung der Domplatte ebenerdig in den Dom gehen kann, sondern ein paar Stufen erklimmen muss. "Das können wir aber nicht alleine entscheiden. Das ist natürlich so, dass wir uns da auch mit der Stadt Köln zusammensetzen müssen, erklärt Füssenich. Er glaubt, dass es aus technischer Sicht kein Problem sei, dem Dom zwei, drei Stufen wiederzugeben. "Wir müssen nur aufpassen, dass der Dom barrierefrei bleibt", mahnt der Dombaumeister.
Verkehrsberuhigung, Sauberkeit und eine qualitätsvolle Architektur – von der Politik, Gesellschaft und Kirche gibt es klare Vorstellungen, wie das Domumfeld aufgewertet werden kann. Nur das schleppende Tempo der Entscheidungen lässt so manchen Beteiligten etwas verzweifeln. Einen so weitreichenden städtebaulichen Eingriff wie seinerzeit Konrad Adenauer kurz nach dem Zweiten Weltkrieg fordert übrigens im Moment so gut wie niemand: der langjährige Oberbürgermeister von Köln und erster Bundeskanzler der Bundesrepublik hatte für eine besser Domwirkung glatt die Verlegung des Hauptbahnhofs vorgeschlagen.