Der Wahlkampf zur Bundestagswahl 2025 ist in vollem Gange. Für "Die Linke" steht dabei viel auf dem Spiel. Nach jahrelangen Umfragetiefs und der Abspaltung von Sahra Wagenknechts "BSW" kämpft die Partei ums politische Überleben. Doch in den vergangenen Wochen gab es eine überraschende Entwicklung: "Die Linke" verzeichnete einen massiven Mitgliederzuwachs. Innerhalb von nur zwei Wochen traten mehr als 11.000 neue Mitglieder ein, sodass die Partei erstmals seit über einem Jahrzehnt wieder über 71.000 Mitglieder zählt. Als Grund für diesen Anstieg wird insbesondere die Empörung über die jüngste Abstimmung im Bundestag genannt, bei der die Union gemeinsam mit der AfD für eine Verschärfung der Migrationspolitik gestimmt hatte.

Während "Die Linke" sich mit ihrem wirtschafts- und sozialpolitischen Programm als klare Gegenkraft zu den Regierungsparteien und der AfD positioniert, stellt sich die Frage, welche Haltung sie in religionspolitischen Fragen vertritt. Im Gespräch mit DOMRADIO.DE erklärte die religionspolitische Sprecherin der Linken, Petra Pau, dass ihre Partei eine klare Vorstellung davon hat, wie das Verhältnis von Staat und Religion in Deutschland gestaltet werden sollte.
Die Forderung nach einer konsequenten Trennung von Staat und Kirche
Für "Die Linke" ist die vollständige Trennung von Staat und Kirche ein zentrales Anliegen. "Die Trennung von Staat und Kirche ist kein Angriff auf Religion, sondern ein Freiheitsgewinn für alle – für Gläubige genauso wie für Nicht-Gläubige", sagte Pau. Die Partei setzt sich dafür ein, dass die historischen Staatsleistungen an die Kirchen, die auf Enteignungen aus dem 19. Jahrhundert zurückgehen, abgeschafft werden. Jährlich fließen derzeit rund 600 Millionen Euro aus staatlichen Mitteln an die Kirchen, ein Zustand, den "Die Linke" als nicht mehr zeitgemäß betrachtet. Um die verfassungsrechtlich gebotene Ablösung dieser Zahlungen voranzutreiben, fordert die Partei ein Grundsätzegesetz, das die Verhandlungen zwischen Staat und Kirche über eine endgültige Regelung in die Wege leiten soll.
Auch das kirchliche Arbeitsrecht steht auf der Reformagenda der Linken. Derzeit gelten für kirchliche Einrichtungen Sonderregelungen, die es ihnen ermöglichen, Angestellten aufgrund ihrer Lebensführung, etwa einer Wiederverheiratung nach Scheidung oder ihrer sexuellen Orientierung, zu kündigen. "Es ist nicht mehr vermittelbar, dass Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer in kirchlichen Einrichtungen nicht die gleichen Rechte haben wie in jedem anderen Betrieb", sagte Pau. Die Partei fordert daher, dass das allgemeine Arbeitsrecht, einschließlich des Betriebsverfassungsgesetzes, uneingeschränkt auch für kirchliche Einrichtungen gilt.
Ein weiteres Thema, das "Die Linke" kritisch sieht, ist die Erhebung der Kirchensteuer durch die staatlichen Finanzämter. In Zukunft sollen Kirchen und Religionsgemeinschaften ihre Beiträge selbst einziehen, ohne dass staatliche Stellen daran beteiligt sind.
Anerkennung religiöser Vielfalt
Trotz der Forderung nach einer klaren Trennung von Staat und Kirche betont "Die Linke" die Bedeutung der Religionsfreiheit. "Es geht uns nicht darum, Religionen zu bekämpfen, sondern darum, sicherzustellen, dass alle Glaubensrichtungen und Weltanschauungen gleich behandelt werden", so Pau weiter. In diesem Zusammenhang spricht sich die Partei für die Einführung gesetzlich geschützter jüdischer und muslimischer Feiertage aus. Jom Kippur oder das Zuckerfest sollten nach Ansicht der Linken ebenso gesetzlich anerkannt werden wie christliche Feiertage. "Das wäre nicht nur ein Zeichen des Respekts gegenüber den religiösen Realitäten in Deutschland, sondern auch ein wichtiger Schritt hin zu einer wirklichen Gleichbehandlung", betonte Pau.

Auch im Bildungsbereich sieht die Partei Handlungsbedarf. Der konfessionelle Religionsunterricht sollte ihrer Meinung nach durch einen gemeinsamen Ethikunterricht ersetzt werden, der allen Schülerinnen und Schülern offensteht und ein grundlegendes Wissen über die verschiedenen Religionen und Weltanschauungen vermittelt. "Wir wollen, dass Kinder in der Schule nicht nur ihre eigene religiöse Tradition kennenlernen, sondern auch andere Glaubensrichtungen verstehen. Das ist essenziell für den gesellschaftlichen Zusammenhalt", betonte Pau.
Sozialismus und Christentum – ein Widerspruch?
"Die Linke" sieht sich nicht als Gegnerin der Kirchen, sondern als mögliche Bündnispartnerin, wenn es um gesellschaftliche Fragen geht. Insbesondere in den Bereichen soziale Gerechtigkeit, Flüchtlingshilfe und Klimaschutz sieht Pau viele Gemeinsamkeiten zwischen linken politischen Zielen und christlichen Werten. "Ob jemand seine Überzeugungen aus dem Kapital von Karl Marx oder aus der christlichen Soziallehre schöpft, ist unerheblich. Was zählt, ist der gemeinsame Einsatz für eine gerechte Gesellschaft", so Pau.
Die Partei würdigt ausdrücklich das Engagement der Kirchen gegen Rechtsextremismus und menschenfeindliche Ideologien. Gleichzeitig warnt sie jedoch vor der politischen Instrumentalisierung von Religion. "Gerade rechtspopulistische Strömungen versuchen immer wieder, Religion für ihre Zwecke zu missbrauchen. Das ist eine gefährliche Entwicklung, gegen die wir uns gemeinsam wehren müssen", erklärte Pau weiter.
Konfliktpunkte mit den Kirchen
Obwohl "Die Linke" in vielen gesellschaftlichen Fragen auf Gemeinsamkeiten mit den Kirchen verweist, gibt es auch deutliche Konfliktlinien. Eine dieser Differenzen betrifft die Militärseelsorge. "Die Linke" fordert, dass die Seelsorge in der Bundeswehr nicht mehr von den Kirchen organisiert, sondern von unabhängigen Stellen übernommen wird. "Wir wollen eine Betreuung, die wirklich unabhängig ist und allen Soldatinnen und Soldaten offensteht, unabhängig von ihrer religiösen oder weltanschaulichen Überzeugung", sagte Pau.
Auch bei der Frage des Schwangerschaftsabbruchs geht die Partei auf Konfrontationskurs zur katholischen Kirche. "Die Linke" setzt sich für eine ersatzlose Streichung des Paragrafen 218 StGB ein, der Schwangerschaftsabbrüche in Deutschland weiterhin unter Strafe stellt. Eine vollständige Entkriminalisierung von Abtreibungen sei notwendig, um die Selbstbestimmung von Frauen zu gewährleisten, so die Partei.

Ein weiterer Punkt, der in der kirchlichen Debatte auf Widerstand stoßen könnte, ist die Forderung der Linken nach einer vollständigen Gleichstellung aller Partnerschaftsformen. Die Partei tritt nicht nur für die "Ehe für alle" ein, sondern fordert auch die Anerkennung alternativer Beziehungsmodelle, die über die traditionelle Zweierbeziehung hinausgehen.
Klare Haltung gegen Diskriminierung
Ein zentrales Anliegen der Linken ist der Schutz vor religiös motivierter Diskriminierung. Angesichts der Zunahme von Antisemitismus und Islamfeindlichkeit fordert die Partei mehr Bildungsangebote, um Vorurteile abzubauen. "Wir müssen stärker aufklären, um zu verhindern, dass menschenfeindliche Ideologien unsere Gesellschaft spalten", sagte Pau. "Die Linke" plädiert für die Einführung eines Beauftragten gegen antimuslimischen Rassismus und unterstützt Initiativen, die sich für den Schutz religiöser Minderheiten einsetzen.