Wiener Dompfarrer verteidigt Impfaktion im Stephansdom

"Die Nachfrage gibt uns recht"

Sollten Menschen in einer Kirche gegen Corona geimpft werden? Seit Donnerstag bietet der Wiener Stephansdom genau das an. Gegen Kritik an der Aktion wehrt sich Dompfarrer Toni Faber und sieht die Aktion im Sinne Jesu Christi.

Toni Faber (r) und Kardinal Christoph Schönborn bei der Eröffnung der Corona-Impfstelle im Stephansdom / © Herbert Neubauer/APA (dpa)
Toni Faber (r) und Kardinal Christoph Schönborn bei der Eröffnung der Corona-Impfstelle im Stephansdom / © Herbert Neubauer/APA ( dpa )

DOMRADIO.DE: Wie lief der erste Tag?

Toni Faber (Dompfarrer am Wiener Stephansdom): Ich war einige Stunden vor Ort und habe mir das genau angesehen. Da haben sich Menschenschlangen gebildet. Viele haben sich aufrichtig bei mir bedankt, dass sie jetzt im Dom geimpft werden können und sind sehr, sehr froh über dieses Angebot. Gleichzeitig darf ich auch nicht verschweigen, dass es fast ebenso viele Telefonate oder Briefe gegeben hat, die mich und den Kardinal und die Kirche im Besonderen dafür beschimpfen, als hätten wir einen heiligen Ort entweiht.

Kardinal Christoph Schönborn hat aber festgelegt: Es ist ein sehr, sehr guter Ort, wenn wir die Seitenkapelle des Doms auch in Zusammenarbeit mit der Stadt Wien, mit dem Bürgermeister und dem Gesundheisstadtrat den Menschen zur Verfügung stellen. Die Nachfrage gibt uns recht. Es wird angenommen, Menschen haben auch auf diesen Anstoß gewartet.

DOMRADIO.DE: Wie sieht es denn genau im Dom aus? Stehen da jetzt Menschenschlangen im Mittelgang Richtung Altar?

Faber: Nein. Wir haben sonst unter normalen Bedingungen sechs Millionen Besucherinnen und Besucher pro Jahr im Dom. Das sind jetzt natürlich viel, viel weniger. Touristen kommen schon. Aber für alle, die in Österreich hauptgemeldet sind, in Wien gemeldet sind, die sich ausweisen können, steht hier sehr niederschwellig eine Information bereit. Sie müssen ein Formular ausfüllen, werden kurz beraten und dann ist im Seitenschiff ein abgegrenzter Bereich, wo nur Impfwillige eingeladen werden und sie vorbereitet und beraten werden, Formulare ausfüllen und dann noch zum Impfen kommen können.

Nachher müssen sie auch noch zehn Minuten oder eine Viertelstunde abwarten, damit beobachtet werden kann, ob es eine Immunreaktion gibt. Aber bei den über 100, die jetzt bereits in den ersten Stunden geimpft worden sind, gab es keine Probleme, keine Aufregung und keine Aussagen, dass der Stephansdom neu geweiht werden müsse, weil eine Impfstation ihn entweihen würde. Also ich bin sehr zufrieden und hoffe auf die nächsten Tage.

DOMRADIO.DE: Kann man sagen, dass es durchaus mit der Bibel und mit den Ideen von Jesus Christus vereinbar ist, dass man in einer Kirche gegen dieses Virus impft?

Faber: Ich glaube, wenn der Sabbat für den Menschen da ist und nicht der Mensch für den Sabbat, dann ist das eine klare Extrapolation, dass man sagt: Wenn Menschen durch eine Impfung, durch die Überwindung der Pandemie Heil geschenkt werden kann, dann nutzen wir jede Gelegenheit. Und ob das die Quadratmeter in der Seitenkapelle sind oder ob das eine Impfbox neben der Kathedrale wäre, es ist dem Heil der Seele und dem Menschen dienend, wenn jeder einzelne, der dort geimpft wird, dem näherkommt.

DOMRADIO.DE: Der Stephansdom ist auch ein Touristenmagnet. Können die sich da auch impfen lassen?

Faber: Nein, es ist bewusst eingeschränkt auf diejenigen, die in Österreich wohnhaft sind. Aber ich muss gestehen, dass ich einen lieben Freund dabei hatte, der hatte Besuch aus Kroatien und hat diesen Besuch jetzt wohnhaft und sogar gemeldet. Und der hat mir gebeichtet, dass der jetzt auch gleich mitkommt und die Gelegenheit gesucht hat, geimpft zu werden. Der ist auch drangekommen.

DOMRADIO.DE: Woher wissen die Menschen, dass sie sich jetzt auch in der Kirche impfen lassen können?

Faber: Es ist medial groß getrommelt worden bei der Presse-Präsentation. Es ist in allen Zeitungen, im Radio und Fernsehen gewesen und an der Außenseite des Domes sind Plakate angebracht. Im Seitenschiff vier ist die Station. Also jeder, der mit offenen Augen in den Dom geht, nimmt wahr: Hier ist auch die Gelegenheit zum Impfen. Hier soll Menschen geholfen werden.

DOMRADIO.DE: Sie machen das ja nicht nur als Kirchenaktion, sondern in enger Zusammenarbeit mit der Stadt. Wie ist das eigentlich alles organisiert? Wo kommen die Ärzte her?

Faber: Die Stadt Wien hat mit den Rettungs- und Hilfsorganisationen ein gutes Einvernehmen. Bei uns ist es so, dass der Malteser Hospitaldienst mit Unterstützung der Johanniter diese Abwägung macht auf der Basis der Logistik, wie die Stadt Wien das vorbereitet hat. Und das klappt gut. Die Vakzine sind da, ein Kühlschrank ist jetzt da, die technische Ausstattung ist da, Paravents (Stellwwände, Sichtschutz, d. Red.) sind aufgestellt, damit jeder in seiner Privatsphäre geimpft werden und sich dann kurz erholen kann.

Also das ist sehr, sehr gut vorbereitet und ich bin sehr froh, dass wir da wieder mal ein Zeichen gesetzt haben. Der Bürgermeister von Wien und der Gesundheitsstadtrat ziehen mit dem Kardinal an einem Seil in dieselbe Richtung.

DOMRADIO.DE: Diese Woche ist es losgegangen. Sie bieten dieses Angebot nun Donnerstag bis Sonntag, erst einmal an zwei langen Wochenenden. Denken Sie schon über eine mögliche weitere Verlängerung nach?

Faber: Es läuft sehr gut und wir sind schon bei weit über 100, die heute dran sind. Wir haben als Kapazität ungefähr 200 bis 250 Personen pro Tag bis 21 Uhr zu impfen. Und wenn es dieses Wochenende durchgehend so bleibt, werden wir dieses Angebot sicherlich auch ausweiten können.

Das Interview führte Uta Vorbrodt.


Quelle:
DR
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