Wie libanesische Medien weiter berichteten, sicherte der zweite Mann des Vatikan bei mehreren Begegnungen mit Politikern und Religionsführern dem Land Solidarität zu.
Treffen mit Staatspräsident Aoun
Zu Beginn seines zweiten Besuchstages am Freitag traf Parolin mit Staatspräsident Michel Aoun zusammen. Dabei betonte er die Auffassung des Vatikan, der Libanon sei in seiner religiösen und gesellschaftlichen Vielfalt idealerweise ein Vorbild und Stabilitätsfaktor für die ganze Region. Aoun seinerseits sicherte mit Blick auf die verheerende Explosion vor einem Monat zu, "dass allen, die verantwortlich oder fahrlässig gehandelt haben, Gerechtigkeit widerfahren wird". Dies sei das Recht der Libanesen.
Anschließend besuchte Kardinal Parolin den Ort der Explosionskatastrophe vom 4. August im Hafen von Beirut sowie das Denkmal der Auswanderer. Dort gedachte Parolin sowohl der Opfer der Explosion wie auch der Emigranten. Insbesondere die christliche Gemeinschaft im Libanon leidet seit Jahrzehnten unter Abwanderung, vor allem junge Christen sehen wenig Zukunft in ihrem Land.
Vor einem Gespräch und Mittagessen mit dem Oberhaupt der größten christlichen Gruppe, dem maronitischen Patriarchen Kardinal Bechara Rai, traf Parolin mit Überlebenden der Explosion und Angehörigen von Opfern zusammen. Zudem besuchte er Krankenhäuser im zerstörten Stadtteil Ashrafieh.
Gebets- und Solidaritätstag mit dem Libanon
Anlass der kurzfristig bekanntgegebenen Reise ist ein vom Papst am Mittwoch ausgerufener Gebets- und Solidaritätstag mit dem Libanon an diesem Freitag. Dazu wiederholte Parolin mehrfach die Aufforderung von Franziskus an die internationale Gemeinschaft, den "Libanon nicht allein zu lassen". Sein Besuch erfolge nicht zufällig nach dem des französischen Staatspräsidenten, so Parolin. Emmanuel Macron hatte den Libanon bereits in den Tagen zuvor besucht und dabei ebenfalls gründliche Reformen wie auch internationale Unterstützung angemahnt.
Bei einem Treffen mit christlichen und muslimischen Vertretern in der Georgs-Kathedrale von Beirut am Donnerstagabend hatte Parolin gesagt: "Wenn wir an Ihrer Seite stehen, finden wir den Mut, gemeinsam zu schreien: Genug!" Das erlittene Leid könne "die Entschlossenheit stärken, in Frieden und Würde zusammenzuleben und eine bessere Regierungsführung anzustreben, der es um Verantwortung, Transparenz und Rechenschaftspflicht geht".
Gemeinsam könne man Gewalt und Autoritarismus überwinden. Dafür müssten traditionelle Parteien wie neue politische Bewegungen vor allem gezielt junge Menschen fördern und in die Verantwortung einbeziehen. Niemand aber dürfe "die Träume der Jugend manipulieren", warnte der Kardinal mit Blick auf Extremisten.
Bei einer Messe später im Wallfahrtsort Harissa ging Parolin explizit auf die Wut und Ungeduld junger Menschen ein. Diese reagierten inzwischen allergisch darauf, wenn jemand die sprichwörtliche Resilienz der Libanesen lobe. Vielfach bedeute dies ein Ablenken von "Straffreiheit" und "schuldig gebliebener Rechenschaft".