Die Päpstliche Filmothek wird 50 Jahre alt

Kinohelden für die Ewigkeit

Der Zauberer von Oz schlummert im Vatikan, und gleich in der Nähe träumt Ben Hur sein großes Wagenrennen. Vittorio De Sicas Fahrraddiebe sind hier unsterblich und Richard Attenboroughs Gandhi. Seit 50 Jahren sammelt die Päpstliche Filmothek, was vor dem Vergessen und Verlorengehen bewahrt werden soll.

Autor/in:
Burkhard Jürgens
 (DR)

Mit seiner Verfügung vom 16. November 1959 wollte Papst Johannes XXIII. eine alte Tradition für ein neues Medium fortsetzen: Wie es der Heilige Stuhl seit Jahrhunderten mit anderen Kunstwerken tat, sollte eine Vatikanische Filmothek auch auf Zelluloid die wichtigsten Dokumente der Geschichte und Kultur sammeln. Vorzugsweise solche, die zum Leben der Kirche Beziehung haben, jedenfalls aber «Werke von hohem künstlerischen und menschlichen Wert».

Inzwischen umfasst der Bestand 7.800 Filme. Sie ruhen in den Kellern des Palazzo San Carlo hinter dem Petersdom, sorgsam klimatisiert bei konstanten 16 Grad und 30 Prozent Luftfeuchtigkeit. Weder spielt eine Rolle, was ihre Regisseure glaubten, noch, welchen Grad von Heiligkeit sie erlangten: Stanley Kubrick mit seinem Faible für die dunklen Seiten des Menschen findet sich neben dem Moralisten Krzysztof Kieslowski, der beharrliche Gotteszweifler Ingmar Bergman neben Pier Paolo Pasolini, den seine Kritiker damals mit Blasphemieklagen überzogen.

Zwar besitzt die Filmothek, die dem Päpstlichen Medienrat zugeordnet ist, auch einen jüngst renovierten professionellen Vorführsaal mit 50 Plätzen. In erster Linie dient die Einrichtung aber nicht als privates «Cinema Paradiso» für die Päpste. Benedikt XVI. war in den viereinhalb Jahren seit seiner Wahl nur zwei mal zu Gast, berichtet Archivleiterin Claudia Di Giovanni.

Ein Schwerpunkt der Filmstelle liegt in der Dokumentation: Allein vom Zweiten Vatikanischen Konzil (1962-1965) lagern hier 150 Stunden Material. Zu den jüngsten Erwerbungen gehören 70 Rollen über Einsätze des Päpstlichen Flüchtlingshilfswerks zwischen 1944 und 1970. Vollständig verwahrt das Archiv die Aufnahmen des Weltkriegs-Papstes Pius XII. (1939-1958) - einschließlich seines als Friedenspropaganda gedachten Films «Pastor Angelicus» (1942). Das älteste Stück der Sammlung hat gleichermaßen kirchen- wie kinohistorischen Rang: Es zeigt Leo XIII. (1878-1903) in den Vatikanischen Gärten 1896, nur wenige Monate nachdem die Bilder bei den Brüdern Lumiere in Paris laufen gelernt hatten.

Mehr und mehr wird die Filmothek, die auch Mitglied der Internationalen Föderation der Filmarchive (FIAF) ist, als
Beratungs- und Forschungszentrum zu Fragen um Kirche und Film angefragt. Eine enge Kooperation besteht laut Di Giovanni mit dem italienischen Staatsfernsehen RAI. Auch internationalen Produktionsfirmen hilft das Archiv bei Recherchen nach altem Material oder bei Fragen zu historischen Inszenierungen.

Selbst wenn Benedikt XVI. kein ausgesprochener Kinofan ist, stammt von ihm vielleicht die tiefste Legitimation für das vatikanische Filmarchiv - ein Wort von Dostojewski, das er bei verschiedenen Gelegenheiten zitierte: Dass die Schönheit die Welt retten werde.

So hat «Die Hölle» ausgerechnet im Vatikan überlebt: eine Stummfilm-Bearbeitung von Dantes «Inferno» aus dem Jahr 1911. Lange galt das 15-Minuten-Drama von Arturo Busnengo und Giuseppe Berardi als verschollen, bis Di Giovanni eine restaurierbare Fassung in der päpstlichen Filmsammlung entdeckte. Die Hilfe eines deutschen Chemiekonzerns bewahrte die Verdammten Dantes vor der ewigen Verderbnis.

In einem seiner letzten Interviews sagte Ingmar Bergman, wenn er in den Himmel komme, erwarte er dort ein Filmarchiv. Seinen eigenen Film «Das siebente Siegel» haben die Päpste schon mal unter ihre Zelluloid-Juwelen aufgenommen. Für die Ewigkeit.