Filmporträt über Jerusalems emeritierten Patriarchen Sabbah

"Die Rettung Israels ist der Frieden mit den Palästinensern"

Für viele palästinensische Christen bleibt er eine Stimme der Hoffnung. Mit "Patriarch des Volkes" zeichnen zwei Filmemacher ein Porträt des streitbaren Lateinischen Patriarchen von Jerusalem emeritus Michel Sabbah.

Autor/in:
Andrea Krogmann
Michel Sabbah, emeritierter Lateinischer Patriarch von Jerusalem / © Corinne Simon (KNA)
Michel Sabbah, emeritierter Lateinischer Patriarch von Jerusalem / © Corinne Simon ( KNA )

"Die Menschen haben ein Recht auf Freiheit, ein Recht auf Aufstand." Dies sei 1988, frisch im Amt des Lateinischen Patriarchen von Jerusalem, eine der ersten Antworten auf Journalistenfragen gewesen, erinnert sich Michel Sabbah im Film "Der Patriarch des Volkes".

Am Freitagabend war das arabische Werk im Rahmen der weltweiten ökumenischen Woche für Frieden in Israel und Palästina des Weltkirchenrates erstmals in der Akademie der Diözese Rottenburg-Stuttgart in Hohenheim sowie online mit deutschen Untertiteln zu sehen.

Film und anschließendes Gespräch mit Sabbah zeigten: Der Emeritus ist seiner Position an der Seite des palästinensischen Volkes bis heute treu geblieben, "nicht weil ich Palästinenser bin, sondern weil ich Mensch und Christ bin".

Für viele palästinensische Christen weiterhin eine wichtige Stimme

Sabbah ist der erste Araber und der erste Palästinenser, der das Amt des Lateinischen Patriarchen von Jerusalem innehaben sollte. Er sei "kein Politiker, kein Krieger, kein Kämpfer, sondern ein christlicher Geistlicher", stellt er zu Beginn des filmischen Porträts klar.

In Sabbahs Bistumsgebiet fallen Israel, die palästinensischen Gebiete, Jordanien und Zypern, in seine Amtszeit (1987 bis 2008) die beiden Palästinenseraufstände (Intifadas), die Oslo-Abkommen, die Rückkehr von Palästinenserführer Jassir Arafat nach Palästina und dessen Tod.

Ein gerechter Frieden und eine Lösung des Nahostkonflikts blieben dem 1933 in Nazareth geborenen Katholiken über seine Amtszeit hinaus bis heute verwehrt.

Auch wenn Sabbah in den letzten Jahren viele Interviewanfragen ablehnte, ist er für viele palästinensische Christen weiterhin eine wichtige Stimme geblieben. "Uns Palästinensern mangelt es an Führungspersönlichkeiten. Patriarch Sabbah ist mit seiner Hingabe für unsere Sache und seiner universellen Botschaft beispielhaft: Er stand ein für unseren Schmerz und erhebt weiterhin seine Stimme", sagte Filmproduzentin Lily Habasch. Damit stehe Sabbah für ein anhaltendes Erbe und eine andauernde Botschaft der Hoffnung.

In knapp 30 Minuten versucht Habasch mit ihrem Regisseur Mohammed Alatar ihr Vorbild einzufangen. Historische Medienaufnahmen wechseln mit Interviewszenen. Die ruhige musikalische Untermalung und ein stoischer, beinahe teilnahmsloser Sabbah stehen dabei im Kontrast zu den klaren Aussagen von Filmemachern und Protagonist: Nur wenn auch die Palästinenser gerettet werden, werde Israel gerettet sein.

Der Weg zu einem dauerhaften, sicheren Platz Israels in der Nahostregion führe zwangsläufig über einen Frieden mit den Palästinensern. Bis jetzt jedoch habe Israel den falschen Weg gewählt - jenen der Besatzung, des Hasses, des Krieges und der militärischen Überlegenheit. Und der Rest der Welt lasse die Palästinenser allein.

Ein Recht auf Aufstand

Obwohl in Farbe, lassen die Szenen den Eindruck eines schwarz-weißen Bildes des Konflikts zurück. Leere und verfallende palästinensische Häuser mahnen an die konfliktbedingt abgewanderten Christen, israelische Soldaten jagen Palästinenser durch die Altstadt Jerusalems oder drängen palästinensische Frauen an errichteten Sperren unsanft zurück.

Den Vorwurf der einseitigen Schuldzuweisung lässt der Palästinenser in der anschließenden Diskussion nicht gelten. Wer Frieden und Krieg in der Hand habe, müsse Frieden sagen - ob es nun Israel sei oder die internationale Gemeinschaft, die entsprechenden Druck auf Israel ausüben müsse. "Von den Palästinensern Frieden zu verlangen und ihnen gleichzeitig zu sagen 'Ihr bekommt nichts', ist keine Lösung", so Sabbah.

Die Menschen haben ein Recht auf Aufstand, sagte Sabbah 1988 inmitten der ersten Intifada zu Journalisten. Bei welchem Gewaltniveau die Legitimität des Aufstands endet, dazu antwortete der Geistliche 33 Jahre später ausweichend. "Gewalt ist die Tochter der Ungerechtigkeit, mit Gerechtigkeit wird die Gewalt verschwinden."

Die Welt müsse mutig sein und längst beschlossene Resolutionen umsetzen, fordert das frühere Oberhaupt der lateinischen Katholiken im Heiligen Land in Film und Diskussion. Das heiße auch, ein wahrer Freund Israels zu sein und starke Worte gegen das auszusprechen, was Israel gegenwärtig tue. "Andernfalls verurteilt Ihr Israel dazu, eines Tages nicht mehr zu existieren", so Sabbah. Denn: "Was ungerecht ist, wird nicht bleiben."

Information der Redaktion: Der Film im arabischsprachigen Original mit englischen Untertiteln unter https://www.youtube.com/watch?v=AuSuuaCHQPQ


Quelle:
KNA