Die russischen Christen in der bayerischen Landeshauptstadt halten Schmorells Andenken schon lange in Ehren. In dessen 50. Todesjahr 1993 geschehen kurz hintereinander Dinge, die Erzpriester Nikolai Artemoff heute als göttliche Fügung ansieht: Ein Halbbruder Schmorells übergibt der Gemeinde unbekannte Dokumente und Briefe; in einem Moskauer Geheimarchiv tauchen Schmorells verschollene Prozessakten auf; nach mehreren erfolglosen Versuchen findet sich in München endlich ein Grundstück zum Bau einer eigenen Kirche - nur wenige hundert Meter entfernt von Schmorells Grab und der Stätte seines Todes.
In seiner Kirche wächst die Überzeugung, dass der junge Mann als tief im Glauben verwurzelter Christ Widerstand gegen das Nazi-Regime leistete und dafür den Tod auf sich nahm. Historiker bestätigen diese Sicht im Wesentlichen. So war dem Studenten der sonntägliche Kirchgang sehr wichtig. Kurz vor seiner Enthauptung bestellte er einen russischen Priester in die Todeszelle nach Stadelheim, um zu beichten.
Zu den sogenannten Neumärtyrern der Russisch-Orthodoxen Kirche zählten bisher nur Glaubenszeugen des 20. Jahrhunderts, die unter den Sowjets ihr Leben ließen. Schmorell ist der erste unter ihnen, der nicht dem Kommunismus zum Opfer fiel. Auf der Ikonostase in der Münchner Kathedralkirche, die den heiligen Neumärtyrern und Bekennern Russlands geweiht ist, ist er schon abgebildet - in weißem Gewand und mit einem Kreuz in der Hand, aber noch ohne Heiligenschein. "Der wird jetzt nachgemalt", sagt Artemoff.
Ein führender Kopf der Gruppe
Bei der Widerstandsgruppe "Weiße Rose" denken viele nur an die Geschwister Scholl. Dabei war Schmorell zusammen mit Hans Scholl ihr führender Kopf. Die beiden schreiben 1942 die ersten vier Flugblätter, Schmorell besorgt Schreibmaschine und Vervielfältigungsapparat. Auf Schmorell geht eine wichtige Passage im zweiten Flugblatt zurück, das den hunderttausendfachen Judenmord in Polen als "das fürchterlichste Verbrechen an der Würde des Menschen" anprangert: Zum ersten Mal machen Nazigegner in Deutschland den Holocaust öffentlich.
Schmorell stammt aus der südrussischen Stadt Orenburg. Früh stirbt seine Mutter, die Tochter eines russischen Priesters, an Typhus. 1921 flieht die Familie vor den Revolutionswirren nach München. Sein Vater, ein Arzt mit ostpreußischen Wurzeln, eröffnet eine Praxis. Alexander wird deutscher Staatsbürger, aber die Familie spricht weiter russisch miteinander.
Erst vor einem halben Jahr hat die Münchner Historikerin Christiane Moll 158 Briefe von Schmorell wissenschaftlich ediert und mit der bisher einzigen biografischen Abhandlung in deutscher Sprache versehen. Moll zeichnet darin das Porträt eines expressiven Charakters mit melancholischen Zügen, mit einer großen Sehnsucht nach seiner russischen Heimat, einer schwärmerischen Liebe zur älteren verheirateten Schwester seines Jugendfreundes Christoph Probst.
Mit 25 Jahren der Tod unter dem Fallbeil
"Alexander konnte andere Menschen mitreißen, er war wahnsinnig hilfsbereit und scheute kein Risiko", sagt die Forscherin. Nach der Festnahme der Geschwister Scholl im Februar 1943 will sich ihr Mitverschwörer nach Österreich absetzen, aber die Flucht misslingt.
"Im Angesicht des Todes hat er sein Schicksal angenommen, im Gefühl, eine Mission erfüllt und der Wahrheit gedient zu haben", sagt Moll. Am 13. Juli 1943 stirbt der 25-Jährige unter dem Fallbeil.
Sein Abschiedsbrief an die Eltern endet mit den Zeilen: "In wenigen Stunden werde ich im besseren Leben sein, bei meiner Mutter und ich werde Euch nicht vergessen, werde bei Gott um Trost und Ruhe für Euch bitten. Und werde auf Euch warten! Eins vor allem lege ich Euch ans Herz: Vergeßt Gott nicht!!!"
Die Russisch-Orthodoxe Kirche spricht Alexander Schmorell heilig
Ikone des Widerstands
Am Sonntag wird ein Mitglied der "Weißen Rose" heiliggesprochen. Die Russisch-Orthodoxe Auslandskirche verherrlicht Alexander Schmorell als einen ihrer Märtyrer. Im Mittelpunkt der Feier in München steht die neue Ikone des 1943 von den Nazis hingerichteten Deutsch-Russen.
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