Die Steinmetze haben 2.000, teils mannshohe Sandsteine auf jeden noch so kleinen Riss geprüft - und wo nötig ausgebessert oder ersetzt. Sie haben Fugen mit einer Gesamtlänge von 4,5 Kilometern erneuert und dabei High-Tech-Klebstoffe entwickelt und mit Jahrhunderte alter Handwerkskunst kombiniert. In die Generalsanierung des Freiburger Wahrzeichens Münsterturm sind seit 2005 insgesamt rund acht Millionen Euro geflossen. Ein großer Teil stammt aus Spenden.
Nach elf Jahren geht das Mammutprojekt nun auf die Zielgerade. Die Restaurierungsarbeiten in den oberen zwei Dritteln des Turmhelms sind so gut wie abgeschlossen. Ab Mitte Juli werden große Teile der aufwendigen Gerüstkonstruktion abgebaut. Von der 116 Meter hohen Spitze bis auf rund 80 Meter Höhe wird der Turm dann erstmals seit Jahren wieder gerüstfrei sein. Wenn alles gut geht, kann die Generalsanierung dann bis Ende nächsten Jahres komplett abgeschlossen sein. "Danach müssen wir uns aber noch um den Übergang nach unten kümmern und Bereiche angehen, die von der jetzigen Gerüstkonstruktion verdeckt sind", sagt Münsterbaumeisterin Yvonne Faller. Ungern will sie sich auf ein klares Abschlussdatum festlegen. Zu viele Überraschungen barg die Renovierung der vergangenen Jahre.
Stein bei Sturm gelöst
Begonnen hatten die Sanierungsarbeiten am Turm des Freiburger Wahrzeichens 2005, nachdem sich in einer Sturmnacht ein größerer Stein gelöst hatte. Bei der Überprüfung des Sandsteinturms entdeckten die Experten dann schwere Erosionsschäden. Immer wieder standen die Steinmetze vor schwierigen Herausforderungen. Zwischenzeitlich befürchteten sie, dass die gesamte Stabilität des Turms in Gefahr sein könnte. Zur Debatte stand, den Turm mit umlaufenden, großen Metallbändern zu sichern. "Zum Glück konnten wir diese drastischen Eingriff verhindern und eine jetzt von unten nicht sichtbare Speziallösung finden", sagt Projektleiter Thomas Laubscher.
Vor 700 Jahren gaben die gotischen Baumeister der nur 43 Zentimeter schmalen Turmkonstruktion durch einen im Inneren der Sandsteine verlaufenden Metallgürtel Stabilität. Mit dem sogenannten Ringanker. "Weil wir im Laufe der Sanierung einige der tragenden Ecksteine austauschen mussten, konnten wir nun erstmals direkt auf diese mittelalterlichen Metallbänder schauen", so Laubscher.
Grünes Licht für Statik
Und anders als zunächst befürchtet, zeigten sich auch nach Jahrhunderten kaum Schäden. "Es ist fast unglaublich, wie gut das Metall erhalten ist. Gleichzeitig weiß aber niemand, ob nicht ein paar Meter neben der Stelle, die wir nun überprüfen konnten, der Zustand genauso gut ist." Nach aufwendigen statischen Berechnungen - unter anderem wurden zwei detailgetreue Modelle des Turms im Windkanal auf ihre Stabilität und Kräfteableitung getestet - erhielten die Experten grünes Licht für eine minimalinvasive statische Stabilisierung.
"Statt von unten zu erkennende Metallringe, haben wir einige der statisch entscheidenden Ecksteine nun durch Titan-Verspannungen verstärkt", erklärt Laubscher. Das sind matt schimmernde, taschenbuchgroße High-Tech-Platten, die mit einer Gewindestange verbunden die Turmmauern von außen und innen zusammenhalten.
Bergwacht sucht Schäden
Wenn alles fertig ist, sollen die sanierten Steine für das nächste halbe Jahrhundert halten, mindestens. Doch auch wenn das Gerüst dann endlich weg sein wird, bleibt der Zustand des mittelalterlichen Patienten immer im Blick der Münsterbauhütte. So wird die Bergwacht regelmäßig auf den Turm klettern, um nach Schäden zu suchen.
Besonders heikle Stellen werden mit Bewegungssensoren überwacht. "Ganz fertig werden wir nie sein", sagt Laubscher. Nach dem Turm wartet schon die Sanierung des Chors. Das dortige Gerüst steht schon.