Auslandsseelsorger über die Corona-Krise in Italien

"Die Situation ist wirklich verrückt"

Franz Xaver Brandmayr ist Rektor der deutschsprachigen Anima-Kirchengemeinde in Rom und des dortigen Priesterkollegs. Im Interview erläutert er, warum er die italienische Sperrzonen-Regelung wegen des Corona-Virus für überzogen hält.

Leerer Petersdom / © Stefano Dal Pozzolo (KNA)
Leerer Petersdom / © Stefano Dal Pozzolo ( KNA )

KNA: Herr Brandmayr, was sagen Sie zum Umgang Italiens mit der Coronavirus-Pandemie?

Franz Xaver Brandmayr (Rektor der deutschsprachigen Anima-Kirchengemeinde in Rom und des dortigen Priesterkollegs): Es kommen hier zwei Dinge zusammen: ein völlig desolates Gesundheitssystem, das muss man einfach so sagen, und eine anfängliche Sorglosigkeit. Jetzt versucht man, die Dinge mit ungeheurer Wucht wieder in den Griff zu bekommen. Aber das ist ebenso unangemessen. Man kann nicht ein ganzes Land in die Häuser verbannen.

Die Idee, alles zu kontrollieren, ist ein Wahnsinn. Letztlich ist die Angst das Virus, das sich so am allermeisten verbreitet.

KNA: Welche konkreten Auswirkungen haben die neuen Seuchenschutzregeln für Ihre Arbeit?

Brandmayr: Zunächst ist die Lage für die Studenten und Doktoranden in unserem Kolleg problematisch. Universitäten und Bibliotheken sind geschlossen. Dennoch sind die Leute hier im Haus sehr besonnen. In die Heimatländer will niemand zurückreisen, weil sich viele dort in Quarantäne begeben müssten. Gerade bekam ich die Nachricht, dass mein Nachfolger, der einige Tage bei uns war, sich in Österreich in Quarantäne begeben muss. Die Situation ist also wirklich verrückt.

Meine Sorge ist, dass den Menschen zu Hause die Decke auf den Kopf fällt und es zu sozialen Unruhen kommt.

KNA: Wie gehen Sie mit dem Verbot öffentlicher Gottesdienste um? Das muss für Sie doch eine gewaltige Einschränkung sein.

Brandmayr: Ich habe folgende Regelung getroffen: Die Mitbrüder können an den Seitenaltären private Messen lesen. Wenn dann jemand kommt und kommunizieren will, wird man ihn nicht abweisen. Ich selbst übernehme die 18-Uhr-Messe und sage anfangs, dass es ein privater Gottesdienst ist. Es kann mich aber niemand hindern, laut zu sprechen. Wer dabei sein will, kann das gerne tun. Ich werde niemanden fortschicken oder die Kommunion verweigern. Da hört für mich der Spaß auf. Auch die Beichte nehmen wir weiterhin ab.

KNA: Wie viele Menschen sind denn zurzeit um 18 Uhr bei Ihnen in der Kirche?

Brandmayr: Beim letzten Mal waren es um die 20.

KNA: Wie viele sind es an gewöhnlichen Abenden?

Brandmayr: Normalerweise sind es in diesen Monaten weniger. Es schwankt aber sehr. Wenn eine große Pilgergruppe da ist, können es auch mal 300 Personen sein. Der Pilgerstrom ist jedoch wegen der Corona-Krise völlig abgeebbt.

KNA: War es Ihrer Meinung nach ein Fehler der Italienischen Bischofskonferenz, das Gottesdienstverbot der Regierung mitzutragen?

Brandmayr: Ich finde schon. Das sehen auch höchste Kleriker aus der Kurie so, die in diesen Zeiten an der Seite der Gläubigen stehen wollen. Ein Priester muss etwas riskieren. Das ist unsere Aufgabe. Meines Erachtens sollte jeweils der Pfarrer vor Ort entscheiden. Der weiß mit seinem Gemeinderat am besten, wie mit der Situation umzugehen ist. Nun gibt es viele Gemeinden, in denen besteht überhaupt keine Gefahr. Und trotzdem dürfen die Leute nicht in die Messe gehen. Das ist doch lächerlich.

Von Alexander Pitz 


Quelle:
KNA
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