Von außen wirkt sie unscheinbar, von innen wie ein Vorgeschmack auf das Paradies - die Sixtinische Kapelle gilt als die wichtigste der Welt. Weil dort seit Jahrhunderten Päpste gewählt werden und wegen ihrer atemberaubenden Wand- und Deckenmalereien.
Meister wie Perugino, Botticelli und vor allem Michelangelo verwandelten den Sakralraum vor über 500 Jahren in einen Festsaal der Renaissance-Kunst. Wie hätten sie am Dienstagabend den Moment empfunden, als die neue Lichtinstallation des Innenraums nach dreijähriger Arbeit erstmals der Öffentlichkeit präsentiert wurde und die Gemälde in einer bisher nie gesehenen Farbfülle und Präzision erstrahlte?
Bisher waren die Besucher der Vatikanischen Museen nicht selten enttäuscht von der dämmrigen Atmosphäre in der Sixtina. Michelangelos millionenfach nachgedruckte "Erschaffung Adams", auf dem Gott den Menschen mit einem Fingertipp zum Leben erweckt, wirkte da beinahe auf jedem Tischset leuchtender als das Original. Das intensive Lapislazuli-Blau der Hintergründe, das dem Raum seinen ätherischen Charakter gibt, erschien an trüben Tagen eher dezent. Denn das gefährdende Sonnenlicht wird durch Spezialfenster gedrosselt und die alte Beleuchtung reichte nicht aus, um dem ganz gerecht zu werden, was mancher für das größte Kunstwerk des Planeten hält.
Zehnmal so hell wie vorher
Nun baden die Fresken im Licht von 7.000 versteckt eingebauten LED-Leuchten, zehnmal so hell wie vorher. Und dabei ist der Stromverbrauch um bis zu 90 Prozent geringer, heißt es beim Hersteller OSRAM. Das deutsche Unternehmen gehört zu den Sponsoren des auch von der EU geförderten Millionenprojekts. Die Substanz der Kunstwerke, so Pressesprecher Christian Bölling, wird darunter nicht leiden, weil LED-Licht keine UV-Strahlen enthält. "Die Restauratoren haben die entsprechenden Farbpigmente nachgemischt und ein Jahr lang mit der zweitausendfachen Helligkeit bestrahlt. Das Ergebnis zeigte null Veränderung." Damit dürften die Birnchen jetzt theoretisch mindestens 20 Jahrhunderte lang scheinen, ohne die Malereien zu beschädigen.
Auch die Klimaanlage und Heizung der Sixtina wurden runderneuert. Schließlich schieben sich mittlerweile bis zu 20.000 Menschen pro Tag am Ende ihrer Museumstour durch die Kapelle, rund sechs Millionen sind es im Jahr. Das erfordert eine genaue Regulierung der Luftfeuchtigkeit und Staubfilterung. Außerdem darf die Raumtemperatur auch in den kühlen römischen Wintern nicht unter 20 Grad sinken, um die Konservierung der Fresken zu garantieren. Insgesamt sei die Effizienz der Technologie jetzt zwei- bis dreimal so groß wie bisher, verspricht der US-Hersteller Carrier. Auch die "Kirchenstille" bleibe während des Betriebs gewahrt.
Antonio Paolucci, der Direktor der Vatikanischen Museen, zeigte sich bei der Präsentation der neuen Beleuchtung vor den Journalisten begeistert. Auch die Wandgemälde von Meistern wie Sandro Botticelli, Pietro Perugino oder Domenico Ghirlandaio, die Szenen aus dem Leben Jesu und Mose zeigen, erschienen nun in ganz neuem Licht und stünden nicht mehr im Schatten der Deckenfresken Michelangelos. "Jetzt kommen die 2.500 bedeutendsten Quadratmeter der italienischen Renaissance wieder voll zur Geltung."
Michelangelo hatte die Szenen aus dem Alten Testament wie den Sündenfall, die Vertreibung aus dem Paradies und die Sintflut zwischen 1508 und 1512 im Auftrag von Papst Julius II. geschaffen.
Dauerhafter als jede Jubiläumsausstellung
Pünktlich zum 450. Todestag des Malergenies werde es nun Licht, freute sich Paolucci. Damit ehre der Vatikan seinen vielleicht größten Künstler dauerhafter als mit jeder Jubiläumsausstellung.
Ohne die Sixtinische gesehen zu haben, könne man sich keinen Begriff davon machen, was der Mensch vermag, schwärmte Goethe einst lange vor dem Zeitalter der LED-Leuchte. Spätestens Anfang Januar, zum Fest "Taufe des Herrn", wird auch Papst Franziskus die Sixtina im neuen Lichtgewand sehen. An diesem Tag taufen die Päpste traditionell Neugeborene in der Kapelle. Bis dahin wird sich auch zeigen, ob der Besucherstrom gerade in den Abendstunden noch zunehmen wird.