Die spirituelle Dimension des Whiskys

"Wasser des Lebens"

Was hat der Whisky mit der Kirche zu tun? In seinen Ursprüngen viel, sagt Pfarrer Wolfgang F. Rothe aus München. Der sogenannte Whisky-Vikar spricht im DOMRADIO.DE-Interview über die spirituelle Faszination des klösterlichen Produkts.

 (DR)

DOMRADIO.DE: Aus welchen Zutaten wird Whisky eigentlich hergestellt?

Wolfgang F. Rothe (Pfarrer und Autor): Er besteht eigentlich nur aus drei Zutaten: Wasser, gemälzter Gerste und Hefe. Was dann noch als wichtigste und im übertragenen Sinne auch spirituelle Zutat hinzukommen muss, ist die Zeit. Es ist ein ganz ursprüngliches Produkt, das wir da im Glas haben.  

DOMRADIO.DE: Inwiefern hat der Whisky denn eine spirituelle Dimension?

Rothe: Wahrscheinlich ist der Whisky das einzige Produkt, was ein ureigenes Produkt von Kirche und Kloster ist. Whisky wurde nämlich in Irland oder in Schottland von Mönchen erfunden. Das kam so, dass in den Krankenstationen der Klöster, die es in Irland und Schottland in großer Zahl gab, hochprozentiger Alkohol benötigt wurde, zur Herstellung medizinischer Tinkturen. Am Anfang, als diese Klöster vom 6. Jahrhundert an entstanden, musste man diesen hochprozentigen Alkohol sehr aufwendig herstellen, indem man Wein vom Festland importierte. Was einerseits sehr teuer war und andererseits nicht immer gelang, weil bis der Wein dann in Schottland ankam, war er verdorben. Irgendwann ist ein findiger Mönch auf die Idee gekommen, dass das Ganze auch mit destilliertem Bier funktioniert - und damit war der Whisky erfunden.    

DOMRADIO.DE: Wann war das genau?

Rothe: Das weiß man nicht genau, aber es war auf jeden Fall ein jahrhundertlanger Prozess, der im Laufe der Zeit immer mehr verfeinert und verbessert wurde. Wir haben leider aus den Klöstern sehr wenig Dokumente überliefert, weil ausnahmslos alle schottischen Klöster im Zuge der Reformation zerstört wurden und damit eben auch die Bibliotheken und Unterlagen, die uns darüber Auskunft geben könnten. Die älteste erhaltende urkundliche Erwähnung schottischen Whiskys, die geht tatsächlich auf einen Benediktinermönch zurück, namens John Cor. Er hat im Jahr 1494, relativ spät, weil es den Whisky auch schon früher gab, aber er hat damals eine größere Menge Gerstenmalz gekauft und versteuert und deswegen findet sich diese Notiz in den Steuerunterlagen der königlich schottischen Steuerbehörde.  

DOMRADIO.DE: Sie haben gerade ein neues Buch veröffentlicht, das heißt "Wasser des Lebens", wo sie die Faszination der Natur vor Ort mit der Faszination des Whiskys thematisieren. Wie hängt das alles zusammen?   

Rothe: Das hängt sehr eng zusammen. Whisky ist ein Produkt, was man als die Essenz der schottischen Landschaft, des schottischen Klimas, der Geschichte, der Kultur und nicht zuletzt auch der Spiritualität betrachten kann. All das fließt in die Whisky-Kultur ein. Das kann man ganz einfach daran erleben, dass ein Whisky, der zum Beispiel in der Nähe des Meeres hergestellt und gelagert wurde, in aller Regel leichte Salznoten aufweist, während ein Whisky, der irgendwo im Landesinneren gelagert wurde, diese Noten nicht hat. Also die Landschaft, der Ort, von dem so ein Whisky stammt, der hat großen Einfluss auf den Charakter und den Geschmack eines solchen Getränks.

DOMRADIO.DE: Können sie einen Whisky besonders empfehlen, mit dem man sich ein Stück Schottland nach Hause holen kann?

Rothe: Da gibt es unendlich viele Möglichkeiten. Es gibt in Schottland über hundert Destillerien und momentan sind an die zwanzig weiteren in Planung. Es gibt bestimmte Destillerien, die seit langer Zeit etabliert sind und deren Whiskys man auch in Deutschland fast überall bekommen kann, zum Beispiel Whiskeys der Destillerie Glenfiddich oder Glenfarclas.

Wenn man einen Whisky verkostet, dann reichen zwei Fingerhüte voll, weil jeder einzelne Tropfen bereits vollen Genuss zu vermitteln versteht und den kann man nur erleben, wenn man mit der nötigen Achtsamkeit, der nötigen Zeit, der nötigen Aufmerksamkeit an diesen Whisky herangeht. Man sollte ihn mit allen fünf Sinnen genießen. Wenn man so will, sogar noch der sogenannte sechste Sinn dazu: die Intuition, das Gefühl und das Herz.

Das Gespräch führte Renardo Schlegelmilch.


Quelle:
DR