DOMRADIO.DE: Wie geht es jetzt in vielen Ensembles nach der langen Corona-Zwangspause weiter? Was bekommen Sie mit?
Marius Schwemmer (Präsident des Allgemeinen Cäcilienverbandes in Deutschland): Es ist ganz unterschiedlich. Es haben viele im Frühjahr das Proben wieder begonnen, unter Auflagen, in kleineren Besetzungen, soweit es ging.
Es ist aber auch so, dass wir vor einem Jahr im Sommer schon gehofft haben, dass es im Herbst wieder groß losgehen kann und haben zwischen der ersten und zweiten Pandemiewelle eine Umfrage gestartet und da mitbekommen, dass nur bei der Hälfte der teilnehmenden Chöre in diesem Befragungszeitraum überhaupt wieder physisch geprobt werden konnte.
Jetzt ist im Frühsommer, Frühjahr eine umfangreiche Erhebung der Situation der Chöre im deutschsprachigen Raum erschienen, die gezeigt hat, dass fast jeder achte der dort erfassten 588 Kinder- und Jugendchöre momentan gar keine aktiven Mitglieder hat und im Durchschnitt bei diesen befragten Kinder- und Jugendchören momentan nur 65 Prozent der normalen aktiven Mitglieder dabei sind.
Es ist gleichzeitig aber die Sehnsucht nach dem gemeinsamen Musizieren wieder da. Und so ist es unser Anliegen, in diesen herausfordernden Zeiten den Chören alles für ein verantwortbares und verantwortliches Musizieren an die Hand zu geben und sie da zu unterstützen.
DOMRADIO.DE: Viele Erwachsenenchöre sind ja mittlerweile vollständig geimpft. Können die denn wieder proben wie früher? Oder ist das dann auch nochmal unterschiedlich von Bundesland zu Bundesland?
Schwemmer: Generell gilt immer die Verordnung des Bundeslandes und dann nochmal der jeweiligen Diözesen, die sich natürlich daran orientieren, was die Bundesländer vorgeben.
Wir haben auch letztes Jahr bereits schon ein Hygienekonzept herausgegeben, in dem diese ganzen Auflagen und auch die wissenschaftlichen Erkenntnisse zusammengefasst sind und auf die Praxis heruntergebrochen worden sind und an denen sich auch die meisten Diözesen orientiert haben.
Unter diesen Auflagen ist dann das Musizieren schon wieder möglich, aber eben nur in diesem beschränkten Raum.
DOMRADIO.DE: Ihr Verband bietet jetzt ein besonderes Testkonzept für alle Chöre an, damit der Probenbetrieb nach den Sommerferien trotz Corona sicher ablaufen kann. Erzählen Sie mal, wie sieht das aus?
Schwemmer: Wir haben zusammen mit dem Pueri Cantores-Verband ein freiwilliges Angebot als zweiten Baustein neben dem Hygienekonzept ins Leben gerufen, eine Test-Strategie, die in den Herbst- und Wintermonaten die Infrastuktur vor Ort schaffen soll, damit Proben und Auftritte, also gottesdienstliche Veranstaltungen oder vielleicht sogar Konzerte, dann erleichtert werden können.
Damit kommen die Testzentren an den Ort des Chores. Man hört ja vom Rückgang der Testzentren oder dem Auslaufen der Bürgertests ab dem 11. Oktober. Da werden sich dann wahrscheinlich auch die Testanbieter zurückziehen.
Und so wollen wir eben Testzentren zum Chor bringen und auch eine Chancengleichheit für den ländlichen Raum schaffen, bei dem in manchen Gebieten bis jetzt die Testzentren auch nicht so weit verbreitet waren, damit in heterogenen Gruppen mit Geimpften, Genesenen, nicht Genesenen oder auch im Kinder- und Jugendchor-Bereich neben den Hygienestandards wieder gut geprobt werden kann.
DOMRADIO.DE: Aber wenn die Bürgertests dann nicht mehr kostenlos sind, bedeutet das, dass Sie Ende Oktober diese Tests bezahlen werden?
Schwemmer: Das werden wir schauen. Wir sind da bei der Ausbildung der Tester mit einem professionellen Dienstleister zusammen. Es ist auch noch nicht ganz klar, wie sich das gestalten wird, wenn die Bürgertests auslaufen. Es sollen ja dann bei Kindern, bei Schülern und bei Schwangeren Ausnahmen gemacht werden. Da sind wir in Verhandlungen, wie das dann in unserem Bereich sein wird. Da sind wir dran.
Aber wir wollen auf jeden Fall jetzt die Infrastruktur schaffen, damit - wie auch immer das dann gestaltet werden kann - auf jeden Fall die Möglichkeit dazu besteht, sich testen zu lassen.
DOMRADIO.DE: Große Chöre konnten jetzt lange nicht auftreten. Gibt es denn trotz Coronakrise im Bereich der Kirchenmusik neue Entwicklungen, die Ihnen vielleicht auch Hoffnung machen?
Schwemmer: Es gibt neue Entwicklungen im Bereich des Repertoires. Das hat sich ein bisschen geändert, da wurde viel Neues wiederentdeckt. Auch das Proben in Kleingruppen hat dazu geführt, dass man individueller mit dem Chorsängerinnen und Chorsängern proben konnte, sie auch stimmbildnerisch betreuen konnte.
Es hatte schon auch in gewissen Bereichen seinen Vorteil. Aber es fehlt natürlich die große Gemeinschaft des Musizierens bei großen Ensembles.
Das Interview führte Tobias Fricke.