Die USA geben in den Vereinten Nationen auch unter Obama den Ton an

Die freundliche Führungsmacht

Am Hauptsitz der Vereinten Nationen in New York läuft die jährliche Generaldebatte der Vollversammlung. Eröffnet wurde das Treffen der Staats- und Regierungschefs mit Reden von UN-Generalsekretär Ban Ki-Moon und US-Präsident Barack Obama. Der machte den Führungsanspruch seines Landes deutlich.

Autor/in:
Jan Dirk Herbermann
 (DR)

Barack Obama führte das Wort. Den Oberkörper nach vorne gebeugt redete er auf seine Zuhörer ein. Neben dem US-Präsidenten saß UN-Generalsekretär Ban Ki Moon. Der Südkoreaner nickte höflich, sagte aber kein Wort. Auch die Staats- und Regierungschefs am Mittagstisch im UN-Glaspalast in New York lauschten schweigend. Nach wenigen Minuten stand Obama abrupt auf und verließ alleine den Tisch.



Die Szene während der UN-Vollversammlung am Donnerstag steht für das Auftreten der USA bei den Vereinten Nationen unter Obama: verbindlich im Ton, locker, aber immer dominant - und wenn nötig allein. In diesem Punkt unterscheidet sich die Obama-Regierung nicht von der seines Vorgängers George W. Bush.



In seiner Rede vor der Vollversammlung sagte Obama, die Vereinten Nationen könnten nach wie vor eine bedeutende Rolle spielen. Generalsekretär Ban nickte zufrieden. Doch dann zählte der US-Präsident die Politikfelder auf, aus denen sich die UN besser heraushalten sollten: die Lösung des Nahostkonflikts und die Steuerung der Weltwirtschaft.



Zur globalen Finanzarchitektur sagte Obama sogar: "Wir haben die G-20 zum Fixpunkt der internationalen Kooperation gemacht." Der Zusammenschluss der 20 großen Wirtschaftsmächte, und nicht die UN, sollen eine neue Wirtschaftskrise verhindern.



In den oberen Etagen der Weltorganisation hat man die bedrohliche Lage erkannt. Der neue Präsident der UN-Vollversammlung, der Schweizer Joseph Deiss, warnte: "Es besteht die Gefahr, dass die UN durch das Auftauchen anderer Akteure auf der internationalen Szene an den Rand gedrängt werden." Die UN müssten sich endlich der Herausforderung durch neue Gruppierungen stellen.



Um eine Marginalisierung der Weltorganisation zu vereiteln, verlangt Deiss eine mutige Reform der wichtigsten UN-Organe: Ganz oben auf der Liste stehen der Sicherheitsrat und die Generalversammlung. Zudem müsse man die Wirksamkeit neuer Gremien wie des UN-Menschenrechtsrates ernsthaft überprüfen.



Schon seit Jahren fordern Politiker, UN-Vertreter wie der frühere Generalsekretär Kofi Annan und unabhängige Experten einen Umbau der UN. Besonders das Schaltzentrum Sicherheitsrat müsse umgebaut werden. Die Machtverteilung im Rat spiegelt nach Auffassung Annans die Machtverhältnisse von 1945 wider. Indien, Brasilien, Japan und Deutschland dringen auf eine Reform, und alle vier haben einen ständigen Sitz in dem UN-Gremium im Visier.



Berlin strebt zunächst einen nichtständigen Sitz in den Jahren 2011 und 2012 an. Von dort aus könne man besser für eine Reform kämpfen, so das Kalkül der Bundesregierung. Gute Chancen für einen nichtständigen Sitz sieht der frühere deutsche UN-Botschafter Gunter Pleuger: Es sei einfach sinnvoll, "dass ein großer Staat, der auch viele Ressourcen für die Umsetzung der Sicherheitsratsentscheidungen zur Verfügung stellt, mit in diesem Gremium ist."



Mit diesem Argument wirbt Berlin auch für einen ständigen Rats-Sitz - bislang allerdings ohne Erfolg. Auch die weitreichenden Befugnisse der Vetomächte überstanden bisher jegliche Reformbemühungen. Hauptbremser waren und sind die USA. Präsident Obama klammerte das Thema Umbau des Rates in seiner Rede denn auch komplett aus. "Die USA, aber auch die anderen Vetomächte Frankreich, Großbritannien, China und Russland sind natürlich nicht daran interessiert, Macht und Prestige aufzugeben", analysiert ein Diplomat.



Je länger aber die "Großen Fünf" sich einer Reform verweigern, desto mehr verlieren die UN an Legitimität und Einfluss. UN-Mitarbeiter spotten bereits: Die aufwendige Modernisierung des Hauptsitzes in Manhattan wird eher abgeschlossen sein, als dass sich die Mitglieder auch nur ansatzweise auf eine Reform einigen können. Die Renovierung dauert bis 2016.