Frankreich ist das europäische Land mit den meisten Muslimen: Schätzungen zufolge sechs Millionen. Trotzdem tut sich das Land schwer, einen angemessenen Umgang mit der Religion Mohammeds zu finden. Das gesetzliche Verbot der Gesichtsverhüllung in der öffentlichkeit - gemeinhin Burkaverbot genannt - war das Ende einer langen Debatte und der Beginn einer langen juristischen Auseinandersetzung. Bis heute fühlen sich einige Musliminnen in Frankreich durch das Gesetz in ihrer Religionsfreiheit eingeschränkt. Am 13. Juli 2020 ist es zehn Jahre her, dass die Nationalversammlung das "Burkaverbot" verabschiedete. In Kraft trat es am 11. April 2011.
Frankreich war in der Europäischen Union eines der ersten Länder, das 2004 jegliche auffälligen religiösen Symbole wie das christliche Kreuz, die jüdische Kippa und das islamische Kopftuch in Schulen verbot. Seitdem zogen einige Länder nach: In Deutschland gilt ein Verschleierungsverbot beim Fahren eines Fahrzeugs im Straßenverkehr; in den Niederlanden und Bulgarien in Ämtern, Krankenhäusern und im Nahverkehr; in Dänemark besteht ein Vollverschleierungsverbot, und Österreich verbietet die Gesichtsverhüllung.
EGMR: Burkaverbot rechtmäßig
2010 folgte in Frankreich dann das "Burkaverbot". Damals gab es im Land etwa 2.000 Frauen, die einen traditionellen muslimischen Gesichtsschleier wie Burka oder Niqab trugen. Zuvor hatte eine Enquete-Kommission der Französischen Nationalversammlung dazu einen Bericht vorgelegt. Die Abgeordneten plädierten damals für ein Verbot des den ganzen Körper verhüllenden Kleidungsstücks in allen Bereichen öffentlicher Dienstleistungen - vom Personenverkehr über Postämter bis hin zu Krankenhäusern und Schulen. Wer Burka oder Niqab trägt, würde somit nicht mit einer Geldbuße belegt, sondern hätte die Konsequenzen dadurch zu tragen, dass die gewünschte Dienstleistung nicht möglich ist.
Juristen hatten Bauchschmerzen. Wie kann ein Gesetz zum Verbot von Burka oder Niqab die Grundrechte wie die Religionsfreiheit weiterhin wahren? Diese Frage beschäftigte seit Inkrafttreten des Gesetzes 2011 einige Gerichte. 2014 stufte der Europäische Menschenrechtsgerichtshof in Straßburg das "Burkaverbot" in Frankreich als rechtmäßig ein.
UN mischt sich ein
Im Oktober 2018 kritisierte der UN-Menschenrechtsausschuss das Verbot als "religiöse Diskriminierung" und als ein Hindernis für Frauen, ihre Religion frei auszudrücken. Anschließend bekräftigte Frankreichs Senat das Verbot der islamischen Burka erneut. Die geltende Rechtsordnung zur Vollverschleierung im öffentlichen Raum solle beibehalten werden, hieß es in einer Resolution. Die UN-Experten hatten auf die Beschwerden von zwei Frauen reagiert, die 2012 auf Grundlage des Gesetzes wegen dieser Art der Verhüllung verurteilt wurden. Das Gesetz habe ihr Recht verletzt, ihre religiöse Haltung zum Ausdruck zu bringen und könnte dazu führen, dass sie nicht mehr in die Öffentlichkeit gingen, erklärte der UN-Ausschuss.
Insgesamt sorgen Burka und Niqab immer wieder für Debatten in Frankreich. Im Februar 2019 machte ein Kopftuch für Joggerinnen Schlagzeilen, was eine Sportartikelkette auf den Markt bringen wollte. Im vergangenen Sommer wurde das Verbot sogenannter Burkinis in Schwimmbädern diskutiert.
Deutschland und ein Burkaverbot
Frankreichs Verhältnis zum Islam ist schwierig. Die rechtsextreme Partei Rassemblement National, dem früheren "Front National" von Marine Le Pen, ist in vielen Regionen weiterhin stark. Politiker dieser Partei nutzen die Stimmungsmache gegen Muslime. Frankreichs Präsident Emmanuel Macron, der angetreten war, das Verhältnis von Staat und Religion umzustrukturieren, tut sich schwer. In einer Debatte um ein Kopftuchverbot im vergangenen Herbst warnte Macron vor einer Stigmatisierung von Muslimen. "Ich denke, wir sollten uns nicht spalten lassen", sagte der Präsident.
Auch in Deutschland wird ein "Burkaverbot" immer wieder diskutiert. Immer mehr Bundesländer wollen prüfen, ob sie ein Verbot der Vollverschleierung in ihre Schulgesetze aufnehmen. Auch an den Hochschulen sind Nikab und Burka ein Thema. In Hamburg entschied das Oberlandesgericht Anfang Februar, dass eine 16 Jahre alte Berufsschülerin weiterhin mit Vollverschleierung in den Unterricht gehen darf. Für ein Verbot gebe es keine gesetzliche Grundlage, hieß es. Eine - nicht von allen Ministerien beantwortete - Umfrage der Katholischen Nachrichten-Agentur (KNA) aus dem Februar unter den Bundesländern zeigt einen Flickenteppich von Regelungen.