Wühlt sich durch unsere Schuhregale rechts und links vom Eingang, die eigentlich wegen Überfüllung geschlossen werden müssten: Schuhe für alle Gelegenheiten, alte, neue, große, kleine quellen in den Miniflur. Dazwischen hat jemand Tüten für den Hund gequetscht. Und Sohlen aus Gummistiefeln schmiegen sich in inniger Verfilzung an ewig verloren geglaubte Handschuhe. Ih. Bah. Pfui!
"Da bin ich schon mindestens fünf Mal alles durch", seufzt die Große. Ich betrachte konzentriert den Garten. Mein Brummschädel überhört die sprechend-stummen Appelle, übersieht die auffordernd-bittenden Blicke. Schaust du mal? Du findest doch immer das, was wir suchen.
Gar nicht so selten ist das tatsächlich so. Aber heute ist mein Kopf zu, Grippeviren haben sich eingeschleust. Außerdem flötet mir meine Gereiztheit sirenenhaft "irgendwann müssen doch auch Teenagerhirne mal alleine funktionieren" ins Ohr. Mein Gewissen, das sich gerade grau einfärben wollte, wird im selben Moment wieder blütenweiß.
Dabei sind die Schuhe ziemlich wichtig. Auf einer Wichtigkeitsskala von Null bis Zehn, so 9,9 Periode: die Große braucht sie für ein Orchesterprojekt. Lichtkünstler wollen die Klänge von Bruckners Neunten ganz in weiß filmen. Ganz heißt ganz. Wer keine weißen Schuhe habe, müsse welche zum umspritzen mitbringen. Diese hatten wir auch schon bereitgestellt. Und jetzt sind sie weg.
Sonntagmorgen. Ich räume auf, die Große packt. "Hast du die Schuhe gefunden?" frage ich ausgeschlafen, die Grippeviren sind weiter gezogen. "Oh", die Augen der Großen werden zu Wagenrädern. Da hat wohl jemand was vergessen. Entspannt rücke ich die Schuhregale von der Wand. Der Spalt dahinter ist ein Schlund. Die Orchesterschuhe hat er auch gefressen.
Ich wundere mich: Schließlich ist alles noch haargenau so wie 24 Stunden vorher. An der Unordnung hat sich nichts geändert. Definitiv. Wohl an meiner Laune. Schlecht gelaunt sah ich nur die Unordnung. Übersah sowohl meine Grippevirentierchen, als auch, warum die Große spontanerblindet war: randvoll mit furchtsamen Respekt vorm großen Bruckner hatte sie keinen Platz mehr für Schuhe.
Es liegt eben nie an der Welt, wenn ich schlechte Laune habe. Nicht mal an der Unordnung im Haus.
Schlechte Laune liegt, ausschließlich,
an mir.