Die Zahl der Organspenden bleibt niedrig

Ernüchternde Bilanz

Das Ergebnis ist erneut ernüchternd: Die Zahl der Organspenden in Deutschland bleibt auch 2009 auf einem niedrigen Niveau. Sie stagniert nahezu auf dem Ergebnis von 2008 - und damit auf einem langjährigen Tiefpunkt.

Autor/in:
Christoph Arens
 (DR)

Insgesamt haben 2009 bundesweit 1.217 Menschen nach ihrem Tod Organe gespendet, wie die Deutsche Stiftung Organtransplantation am Dienstag in Frankfurt mitteilte. Das sind 19 Spender mehr als im Vorjahr. Die Zahl der Organspender pro eine Million Einwohner hat sich mit 14,9 gegenüber dem Vorjahr (14,6) kaum bewegt. Gleichzeitig ist die Zahl der gespendeten Organe um 48 auf 3.897 zurückgegangen. Die Zahl der Transplantationen blieb mit 4.050 unverändert.

Und das trotz zahlreicher Werbekampagnen wie dem erstmals in Deutschland begangenen Welttag für Organspende im September, trotz mahnender Worte von Bundespräsident Horst Köhler und zahlreichen Prominenten.

Politik in Bewegung
Die stagnierenden Zahlen haben bei der Politik für Bewegung gesorgt. So hat sich die FDP im vergangenen Sommer für eine Reform des seit 1997 geltenden Transplantationsgesetzes stark gemacht. Sie fordert die Abkehr von der geltenden Zustimmungsregelung hin zu einer Widerspruchsregelung: Organentnahmen sollen nicht länger von der ausdrücklichen Einwilligung des Betroffenen zu Lebzeiten oder seiner Angehörigen abhängig sein. Sie sollen immer dann möglich sein, wenn kein ausdrücklicher Widerspruch vorliegt. Zudem forderten die Liberalen, freiwillige Lebendspenden zu erleichtern. Ihr Antrag wurde im Parlament abgelehnt. Wiedervorlage ist möglich.

Der Bundestag muss sich auch deshalb bald mit dem Thema befassen, weil dem Gesundheitsausschuss ein 778 Seiten starker "Bericht zur Situation der Transplantationsmedizin in Deutschland" vorliegt. Er wurde vom Berliner Forschungsinstitut IGES erstellt und enthält die Bilanz von Ärztekammern, Krankenkassen, Selbsthilfeverbänden und 18 der 27 Transplantationszentren.

Das Wissen zum Thema Organspende ist gering
Ein ernüchterndes Fazit zieht der Bericht über die Aufklärung der Bevölkerung. Das Wissen zum Thema Organspende sei gering. Es fehle eine einheitliche Kommunikationsstrategie. Dazu passt, dass lediglich 14 bis 17 Prozent der Bürger einen Organspendeausweis haben. In den Familien werde über das Thema zu wenig gesprochen, heißt es in dem Bericht. Immer häufiger sei den Angehörigen ein Wille des möglichen Spenders nicht bekannt. Nach der erweiterten Zustimmungsregelung können sie im Sinne des Verstorbenen entscheiden - oder was sie dafür halten. "Die Entscheidung beruht immer häufiger auf den Wertvorstellungen der Angehörigen. 2007 musste knapp ein Drittel von ihnen nach eigenen Vorstellungen entscheiden, im Jahr 2000 war dies nur zu 9 Prozent der Fall", heißt es.

Auch die Ärzte selber wissen zu wenig, wie eine im Herbst veröffentlichte Umfrage ergab. Danach glaubt die Hälfte der Befragten fälschlicherweise, dass es in der Bevölkerung eine grundsätzliche Ablehnung gegenüber Organspende gibt. Nur elf Prozent sprechen ihre Patienten häufig auf das Thema Organspende an, 61 Prozent nur in Einzelfällen und 28 Prozent überhaupt nicht.

Deutschland lasse ein riesiges Potenzial ungenutzt, kritisiert der medizinische DSO-Vorstandsvorsitzende Günter Kirste. Er fordert insbesondere eine engere Zusammenarbeit zwischen DSO-Koordinatoren, Transplantationsbeauftragten und den Kliniken. Das deutsche System sei schlecht strukturiert, deshalb würden viele Spender gar nicht erst erkannt.

Änderungen erhoffen sich die Mediziner von den im vergangenen Sommer verabschiedeten Leitlinien, denen auch die Deutsche Krankenhausgesellschaft (DKG) und das Gesundheitsministerium zugestimmt haben. Ansetzen will die DSO vor allem bei den Krankenhäusern: Sie müssten verpflichtet werden, mögliche Organspender zu melden und müssten die Transplantationsmedizin zum Bestandteil ihrer Qualitätssicherung machen. Wichtig sei zudem eine Auswertung der Transplantationsergebnisse, sagt Kirste. Weiteren Verbesserungsbedarf sieht die DSO auch in der Betreuung von Angehörigen. Hierzu sollte es im Krankenhaus eigens geschulte Fachkräfte der DSO geben.