Die Zeitung des Papstes macht Frauenpredigt zum Thema

Die Frau schweigt nicht mehr in der Gemeinde

In katholischen Messen ist Predigen allein Sache von Klerikern. So sagt es das Kirchenrecht. Doch ausgerechnet die Vatikanzeitung "Osservatore Romano" denkt jetzt über Frauen auf der Kanzel nach.

Autor/in:
Burkhard Jürgens
Die Kanzel - bald auch ein Ort für Frauen? / © Elisabeth Schomaker (KNA)
Die Kanzel - bald auch ein Ort für Frauen? / © Elisabeth Schomaker ( KNA )

Leise, fast unbemerkt erhebt sich im Vatikan ein frischer Hauch in der Frauenfrage: Der "Osservatore Romano", immerhin halbamtliches Blatt des Papstes, thematisiert in einer aktuellen Sonderbeilage die Predigt von Frauen im katholischen Gottesdienst. 

Als Anwalt für eine solche Möglichkeit tritt neben zwei Ordensfrauen der Theologe und Klostergründer Enzo Bianchi auf - ein Autor, der alles andere ist als ein publizistisches Leichtgewicht in Italien: Laien auf der Kanzel wären ein "entscheidender Schritt" zu mehr Teilhabe von Frauen, schreibt er. Und weiter: "Das Thema ist delikat, aber wir müssen es dringend angehen."

"Andere Akzente"

Wie delikat - das erschließt sich vor dem Hintergrund des letzten großen Vatikan-Dokuments zum Thema, der "Instruktion zu einigen Fragen über die Mitarbeit der Laien am Dienst der Priester". Diese 1997 erschienene Anweisung legt fest, Predigten könnten "Laien als 'Ersatz' für geistliche Amtsträger oder wegen besonderer nützlicher Gründe" gestattet werden. Stets handle es sich jedoch um einen "Ausnahmefall", nie um ein Recht wie jenes der Bischöfe oder eine Befugnis wie die für Priester und Diakone.

Dagegen bricht Bianchi im "Osservatore" nun eine Lanze für Nichtgeweihte: Deren Predigtwort würde, zumal wenn es von Frauen käme, der Gemeinde "andere Akzente" zu Gehör bringen. Freilich soll auch nach Bianchi, Gründer der ökumenischen Gemeinschaft von Bose, alles geordnet zugehen: Wer predigt, müsse entsprechend begabt, geschult und vom Bischof beauftragt sei. Und: Da die Eucharistiefeier eine geschlossene Einheit bilde und nur einen einzigen Vorsitz kenne, solle ein Laie vor der Predigt den Segen des vorstehenden Priesters erbitten.

Grundlage: Sondergenehmigung von 1973

Als Anknüpfungspunkt für eine Weiterentwicklung der Praxis verweist Bianchi auf eine alte Sondergenehmigung der Deutschen Bischofskonferenz. Diese erhielt 1973 nach dem Zweiten Vatikanischen Konzil von Paul VI. probehalber die Möglichkeit einer Predigt-Beauftragung für Laien. Diese wurde dann insbesondere von den Pastoralreferenten ausgefüllt. Bianchi lässt in seinem Artikel die Unterscheidung zwischen Predigt und der sogenannten Homilie in der Messe außer Acht; erstere steht als unspezifische geistliche Ansprache auch Laien offen, letztere ist als Auslegung der Heiligen Schrift und der Glaubenslehre geweihten Männern vorbehalten.

Dass nun ausgerechnet die Vatikanzeitung dem Plädoyer Raum gibt, weiblichen wie männlichen Laien in katholischen Messen den Zugang zum Predigtpult zu eröffnen, gibt dem Beitrag  beachtliches Gewicht. Denn die Instruktion von 1997 - unterzeichnet unter anderem vom Glaubenspräfekten Joseph Ratzinger - hatte dieser Praxis einen Riegel vorzuschieben versucht: "Jegliche frühere Norm", die Laien diese Verkündigung gestattete, sei "als aufgehoben anzusehen".

Verweis auf das Mittelalter

Allerdings ließ die Instruktion Fragen offen: Inwiefern ist die Homilie "Teil der Liturgie selbst", nicht aber die Predigt? Was bedeutet die Maßgabe, "Einführungen und Zeugnisse" von Laien in der Messe dürften "keine Merkmale aufweisen, die zu Verwechslungen mit der Homilie führen können"? Vor allem in der Schweiz, wo predigende Frauen im Talar in manchen Gemeinden gang und gäbe sind, sorgte das Papier aus Rom damals laut der Schweizer Bischofskonferenz für "Betroffenheit und Bestürzung". Die Instruktion enthalte ein Kirchenbild, das mit der gewachsenen Rolle von Laien und damit auch Frauen schwer in Einklang zu bringen sei.

Jetzt verweist Bianchi darauf, dass im Mittelalter das Predigtrecht selbstverständlich an einfache Gläubige vergeben wurde; er erinnert an Hildegard von Bingen (1098-1179), die von Bischöfen sogar um ihr geistliches Wort im Gottesdienst gebeten wurde - und die Benedikt XVI. zur Kirchenlehrerin erhob.

"Noch viel zu tun"

Die schwedische Dominikanerin Madeleine Fredell beklagt in ihrem Beitrag für den "Osservatore", sie könne zwar in  lutherischen Kirchen predigen, nicht jedoch in einer katholischen Messe. Es gebe "noch viel zu tun, um Frauen in der katholischen Kirche die gleiche Stimme zu geben". Auch Katholikin und Feministin zu sein, müsse dabei "nicht zwangsläufig in Konflikt stehen".

Die französische Ordensschwester Catherine Aubin beruft sich auf Jesu Eintreten für Frauen in einer Zeit des rigorosen Patriarchats. Seine Botschaft, schreibt sie in der Vatikanzeitung, könne keine Frage von Reglementierungen und Gesetzen sein, sondern entspringe der Freude und dem Drang zur Mitteilung - "wie ein Fluss, der sich nicht am Fließen hindern lässt".


Quelle:
KNA