Im Hintergrund der Bühne säumen Pinien die Szenerie. Auf einer kleinen Bank sitzen zwei alte Männer. Der eine ganz in weiß, mit blutroten Schuhen. Der andere ganz in schwarz, mit blutrotem Gürtelband. Der eine gilt als konservativer "Hardliner", der andere als volksnaher "Reformer".
Es sind Papst Benedikt XVI. (Walter Kreye) und Kardinal Jorge Mario Bergoglio (Walter Sittler), der spätere Papst Franziskus, die in diesem Kammerspiel wortreich - und nicht ohne Witz - um den künftigen Kurs der katholischen Kirche ringen.
Es geht um Machtstrukturen, aber auch eine Positionierung in der modernen Gesellschaft. Wiewohl das Setting im Jahr 2012 angesiedelt ist, hat es nichts an Aktualität eingebüßt.
Oskar-Nominierungen für Anthony Hopkins als Benedikt XVI. und Jonathan Pryce
Das Stück "Die zwei Päpste" von Anthony McCarten feierte bereits 2019 als Netflix-Produktion große Erfolge, inklusive dreier Oskar-Nominierungen für Anthony Hopkins als Benedikt XVI. und Jonathan Pryce als Bergoglio/Franziskus sowie für McCartens Drehbuch.
Dann legte der Autor eine Bühnenfassung des Stücks nach, die im April 2021 im Berliner Renaissance-Theater Deutschland-Premiere feierte. An diesem Donnerstag beginnt eine zweite Folge von Aufführungen.
Zu Beginn stehen zwei Szenen gleichen Musters: Zwei alte Männer beabsichtigen von ihren hohen Kirchenämtern zurückzutreten, zwei Nonnen lesen ihnen deswegen beherzt die Leviten und sezieren den Egoismus der geplanten Entscheidung.
Da ist Kardinal Bergoglio, leidenschaftlich-authentisch von Sittler gespielt, der mit 75 Jahren als Erzbischof von Buenos Aires zurücktreten will, um als einfacher Priester weiterzuleben. Einer seiner Beweggründe: Der konservative Kurs von Benedikt XVI. Eine junge Nonne "stellt" ihn in einer Kirche in den Slums: "Die Menschen brauchen gerade jetzt einen Kardinal wie Sie! Sie dürfen nicht aufhören."
Und da ist Benedikt XVI., der einer befreundeten Nonne - erkennbar angelehnt an Ratzingers frühere Vertraute und Haushälterin Ingrid Stampa - als Erster seinen Rücktritts-Plan eröffnet, von seinem inneren Ringen, seinen Selbstzweifeln erzählt. Als er sie fragt, was die Leute über ihn sagen, was ihm als Papst fehle, redet sie sich quasi in Rage, das Repertoire reicht von seiner menschenscheuen Art bis zu den Auffassungen zur katholischen Sexualmoral. Gleichwohl:
Einen Rücktritt will sie trotz allem nicht dulden. Er beschädige das Amt.
Etwas übertrieben Klamaukhaftes
Die Szene hat zugleich etwas übertrieben Klamaukhaftes. Wer kann sich allen Ernstes einen Papst Benedikt vorstellen, der in grünem Mantel über der weißen Soutane und mit Gamsbart-Hut polternd in die Wohnung einer Nonne stürmt, um mit ihr im Fernsehen die neueste Folge "Kommissar Rex" anzuschauen, sein Sinnieren über "die Krise der westlichen Welt" immer wieder in kindlicher Vorfreude auf "unsern lieben, lieben Rex" unterbricht.
Gut, Benedikts Begeisterung für diese TV-Serie ist belegt. Gleichwohl spielt Walter Kreye den feingeistigen, introvertierten deutschen Papst über weite Strecken viel zu laut, zu extrovertiert.
Im Zentrum des Plots steht eine - historisch nicht belegte - mehrtägige Begegnung zwischen Benedikt XVI. und seinem späteren Nachfolger. Ist Bergoglio erst noch von Benedikt eingeschüchtert, schwimmt er sich doch frei und kritisiert den gewaltigen Reformstau der Kirche, als dessen Ursache er den Papst ausmacht. Als beide dann auf einer kleinen Bank in den Gärten der päpstlichen Sommerresidenz sitzen, näheren sie sich langsam an, hören einander aufmerksam zu.
Immer mehr zeigt sich: Benedikt XVI. will keinesfalls das Rücktrittsgesuch Bergoglios annehmen. Vielmehr will er prüfen, ob der Mann, der bereits bei der Papstwahl sein größter Konkurrent war, nun zu seinem Nachfolger taugt: "Es gibt eine Redensart: Gott korrigiert seine Päpste, indem er ihre Nachfolger schickt. Ich würde meine Korrektur gerne sehen."
Zwar finden die beiden Männer in den inhaltlichen Problemen keinen Konsens. Doch als sie über "die Stimme Gottes" theologisch ins Gespräch kommen, darüber, wie man ganz praktisch "hört", was Gottes Wille ist, da sind sie plötzlich sehr nah beieinander, machen ihren Frieden miteinander.
Und nehmen sich wechselseitig die Beichte ab: Bergoglio spricht von seinen Schuldgefühlen angesichts seines Verhaltens während Argentiniens Militärdiktatur (1976-1983), Benedikt XVI. bekennt sein Fehlverhalten im Umgang mit Missbrauchstätern in seiner Zeit als Münchner Erzbischof. Insgesamt ist die Bühnenfassung eine gelungene Verdichtung des Films - Kirchenpolitik als feines Kammerspiel.