Unbekannte haben am Wochenende ein afrikanisches Kunstwerk im oberbayerischen Polling zerstört. Der Leiter desbetroffenen Kunstprojekts STOA169, Bernd Zimmer, äußerte sich nicht nur entsetzt über die Tat. Die Diebe wüssten nicht, "welchen Gefahren sie sich damit aussetzen", sagte er.
Das Kunstwerk in Form einer Säule wurde von dem in Benin geborenen Künstler George Adeagbo geschaffen und heißt "Le foret des dieux" (Der Wald der Götter). Entwendet worden seien von der Säule sechs Figuren, die verstorbene Zwillingskinder repräsentierten und deshalb als heilig gelten. Nach dem Glauben der Yoruba könnten die Diebe mit einem Fluch belegt werden, einen Unfall erleiden oder krank werden.
Wirkmächtiger Kult um tote Zwillinge
Nach Zimmers Angaben leben die Yoruba, ein vielstämmiges Volk mit rund 20 Millionen Menschen, vorwiegend in Nigeria und Benin. Viermal häufiger als in Europa komme es bei ihnen zur Geburt von Zwillingen oder Drillingen. Wegen mangelnder medizinischer Versorgung sei die Sterblichkeit der Zwillinge hoch.
In der Kultur der Yoruba würden Zwillinge als Träger einer gemeinsamen Seele betrachtet. Beim Tod eines der Kinder fertigten dieEltern eine Figur an, die den verstorbenen Zwilling symbolisiere. Die rituelle Pflege der Figur erhalte den Kontakt zur Seele des Verstorbenen und schütze den Überlebenden.
Völkerverständigung im Pfaffenwinkel
In der Mitteilung wurde Adeagbo mit folgenden Worten zitiert: "Ich möchte mit meiner Säule zum Ausdruck bringen, dass Kreativität und Frieden in reichem Maße fortbestehen werden, wenn wir das, was wir Menschen gemein haben, wertschätzen und gleichzeitig unterschiedliche Bräuche und Werte respektieren."
Zimmer ist Maler und hat auf einer Wiese im Pfaffenwinkel von 2017 bis 2021 ein Kunstprojekt in Form einer offenen Säulenhalle realisiert. Mittlerweile gibt es dort 121 individuell gestaltete, fast vier Meter hohe Säulen international renommierter Künstler. Damit will er ein Zeichen für Solidarität, Völkerverständigung und Achtung vor der Natur setzen.