DOMRADIO.DE: Welches ist denn die ungewöhnlichste Umnutzung einer Kirche gewesen, die Sie besucht haben?
Dr. Dominik Meiering (Domkapitular und leitender Pfarrer in der Kölner Innenstadt): Ich bin mal in Maastricht gewesen, da sind einige Kirchen vollständig verändert worden. Da ist eine Buchhandlung drin oder ein Hotel - zum Teil architektonisch ganz gut gelöst. Aber natürlich suchen wir nach Lösungen für unsere Kirchen, nicht nur hier in der Kölner Innenstadt, sondern in unserem ganzen Bistum, bei denen man sagen kann: Das sind geistliche Orte.
Es sind Kirchen, die genutzt werden für das, wofür sie gebaut wurden, nämlich zur Ehre Gottes und um miteinander als Gemeinde und mit Gott in Berührung zu kommen. Daran arbeiten wir. Darüber denken wir nach und da sind alle Leute herzlich willkommen und eingeladen mitzudenken.
DOMRADIO.DE: Sie sagen, es muss nicht gleich die Umnutzung sein. Man kann immer noch die Kirche als Zentrum der Gemeinde nutzen. Wie denn?
Meiering: Wir haben jetzt während der Corona-Zeit diesbezüglich auch gute Erfahrungen gemacht. Wenn Chorproben nicht im Pfarrsaal stattfinden konnten, weil der zu klein ist, konnte man in die Kirche gehen. Wir haben auch die Gremiensitzungen dort abgehalten. Wir haben die Bänke ein bisschen zur Seite gestellt und Stühle genommen.
Ich habe den Eindruck, es gibt sowieso einen Trend hin zu Stühlen in den Kirche. Die kann man neu stellen und gruppieren. Da können dann die Erstkommunionvorbereitung oder die Firmvorbereitung stattfinden. Das sind schon geistliche Ereignisse, die sich dann in den Kirchen ereignen. Die Leute nehmen den Raum ernst, sie wertschätzen das sakrale Gebäude. Unsere Kirchen sind keine Funktionsräume, sondern sie sind geheiligte Räume, die richtig konsekriert wurden. Gleichzeitig eröffnen sich hier und da Möglichkeiten, die Räume im gemeindlichen Kontext, aber auch darüber hinaus zu nutzen.
DOMRADIO.DE: Wo liegt denn der Unterschied, wenn die Firmlinge ihren Unterricht in der Kirche haben und nicht in einem Funktionsraum?
Meiering: Erstens, dass man sich in diesem Kirchenraum aufhält. Der hat eine Aura, der hat eine Spiritualität, der hat eine Ausstrahlung. Der ist steingewordener Glaube. Zweitens: Oft stehen diese Funktionsräume gar nicht mehr zur Verfügung. Wir werden nicht mehr an allen Orten Pfarrsäale haben, in denen diese Veranstaltungen stattfinden können.
Und dann drittens finde ich wichtig, dass wir unsere Kirchenräume auch beleben. Sie müssen erlebbar sein. Natürlich passiert das dadurch, dass da eine Kerze brennt, dass da Menschen sind, die beten, dass da das Allerheiligste ist. Das haben wir jetzt bei Corona auch gemerkt: Wir müssen einfach präsent sein wie beispielsweise mit einem Empfang in der Kirche, den wir in den romanischen Kirchen haben, wo die Menschen sich ansprechen lassen. Oder an den Ostertagen waren unsere Seelsorger da und ansprechbar, sie sind mit den Menschen ins Gespräch gekommen. Eine andere Möglichkeit wäre auch, dass wir durch kleine Orgelimpulse oder kleine Andachten kurze Zeiten der Besinnung schaffen.
Das sind tolle Gelegenheiten, um zu zeigen: Ja, diese Räume sind lebendig, sie sind belebt vom Geist Gottes.
DOMRADIO.DE: Wie viele Kirchen könnten denn im Erzbistum Köln irgendwann mal "zu viel" sein?
Meiering: Der Finanzdirektor hat das Thema ja in einem großen Zeit-Interview behandelt. In der Tat sind wir uns alle bewusst, dass wir für unser normales gemeindliches Leben all die vielen Kirchorte, die wir haben, nicht mehr brauchen werden. Das steht fest.
Gleichzeitig merken wir hier in der Kölner Innenstadt zum Beispiel, dass es andere christliche Konfessionen, die Muttersprachler, die internationale katholische Seelsorge oder die Orthodoxen gibt, die auf der Suche nach Kirchenräumen sind. Da muss man auch in einer ökumenischen Verbundenheit miteinander unterwegs sein.
Dann gibt es in so einer Stadt wie Köln auch viele unterschiedliche Angebotskirchen. Da müssen wir sehen, dass die auch gefragt sein werden und bleiben. Die einen wollen die alten marianischen Lieder singen, wieder andere wollen in die Kunststation, wieder andere wollen eine gute Predigt hören, wieder andere gehen in die Familienkirche. So haben wir unterschiedliche Kirchorte mit unterschiedlichen Profilen. Die müssen wir stark machen, weil viele Menschen zum Teil auch von weit herkommen und sagen: Wir wollen ein bestimmtes Profil von Kirche haben und das suchen wir uns. Wir wissen, dass wir es dort zuverlässig und verbindlich bekommen. Daran versuchen wir hier in der Innenstadt zu arbeiten.
DOMRADIO.DE: Wer jetzt eine Idee hat und die loswerden will, der kann heute Abend in der Kirche Sankt Agnes mitreden?
Meiering: Absolut, das ist ganz bewusst darauf angelegt. Andrea Lasker und ich, wir sprechen - und dann steht da ein weiterer Stuhl dabei. Wer Lust hat, dann mit zu diskutieren, der setzt sich dazu. So versuchen wir, die unterschiedlichen Perspektiven mal ein bisschen auszutauschen. Mit Anmeldung geht es schneller am Eingang, aber man kann auch einfach so kommen. Man muss dann seine Daten hinterlassen. Die Kirche Sankt Agnes ist ja, Gott sei Dank, die zweitgrößte Kirche in Köln und groß genug. Wir kriegen da ordentlich Leute rein.
Das Interview führte Heike Sicconi.